ö der Unterſuchung, worauf die Juſtizbehörde denn auch
Oſterfeld und anderer Perſonen, unter denen ſich auch
der Prior des Kloſters Marienthal befand, die bereits
vorliegenden Verdachtsgründe: die unanſtändige, harte
Behandlung gegen den Grafen kurz vor ſeinem Ver-
ſchwinden — das häufige Zuſammentreffen des Oſter-
feld mit den Eſſor'ſchen Eheleuten und deren Tochter
— beſonders das vertraute Verhältniß zwiſchen dieſer-
und dem Oſterfeld in's Klare zu ſetzen; und obgleich
dies ziemlich gelang, ſo war doch nicht eine einzige
Zeugenausſage ſo beſchaffen, daß daraus unmittelbar
auf einen ſträflichen Umgang des jungen Gutsbeſitzers
mit der Gräfin geſchloſſen werden konnte; auch der
außer Zweifel geſetzte Unfrieden im Schloſſe Uregg gab
keinen ausreichenden Grund ab, anzunehmen, daß auf
ſolchen Zwiſt und ſelbſt auf ſolche in Aufregung geäu-
herte Drohung ein ſo ſchweres Verbrechen — ein Ver-
wandtenmord hätte folgen müſſen.
Die Gräfin blieb bei den wiederholten Vernehmun⸗-
gen ſtandhaft dabei, daß ſie ſich von dem Verbrechen
durchaus rein wiſſe, äußerte aber doch einmal, daß ihr
Bater an ihrem ganzen Unglück Schuld ſei, weil er
ſie zu der ehlichen Verbindung mit einem Manne ge-
nöthigt habe, gegen den ſie fortwährend Abneigung
gefühlt. ö
Auch Oſterfeld räumte nichts ein, was nur irgend
mit dem Verbrechen in Verbindung ſtehen konnte, und
ſo war denn die Behörde genöthigt, die Akten zum
Erkenntniß vorzulegen, als etwa vierzehn Tage ſpäter
eine Anzeige gemacht wurde, welche den Verdacht mehrte,
daß Oſterfeld und die Gräfin wenigſtens um das Ver-
brechen wüßten. ö
Eine neben dem Kerker dieſer beiden Verdächtigen
gefangen gehaltene Frau meldete der Behörde, daß
zwei Gefangene, ein Mann und eine Frau aus ihren
Gefängniſſen mit einander redeten und daß ſie ſehr
deutlich die von dem Manne geſprochenen Worte ver-
ſtanden habe: „Wenn es der Vater nur nicht eingeſteht!“
Die Frau bezeichnete dabei die der Gräfin und Oſter-
feld angewieſenen Räume.
Die Behörde ließ die Verhafteten in zwei andere
Gefängniſſe bringen. ö
Die Gräfin räumte allerdings ein, ſich mit. Oſter-
feld unterhalten zu haben, ſie behauptete aber, nicht
gewußt zu haben, daß dies nicht geſtattet ſei, hingegen
ſtellte ſie den bezeichneten Inhalt des Geſprächs, der
den Verdacht ihrer Wiſſenſchaft um das Verbrechen be-
deutend mehren mußte, entſchieden in Abrede.
Oſterfeld verſicherte, mit der Gräfin durchaus nicht
geſprochen zu haben, und räumte es erſt dann ein, als
die Anklägerin ihm gegenüber geſtellt wurde. Trotz-⸗
dem aber betheuerte er, dieſelbe habe ihn mißverſtan-
den, ſeine Aeußerungen hätten ſich auf ganz andere
Dinge bezogen.
Inzwiſchen war der auf einer Reiſe ins Ausland
begriffene Herr v. Eſſor auf gerichtliche Anordnung
eeingeholt und ebenfalls verhaftet worden. In ſeiner
Vernehmung ſagte er mit lächelnder Miene, daß er J
den Grafen niemalz
fortfuhr, durch nochmalige Vernehmung der Gräfin, des V
Gatten auf Oſterfeld und endlich den Unfrieden,
1 ſei Zungebührlich behandelt, aber Zeuge
Berrien ze, dor Pferfed eanei dir deagaben en
heftigen Wortwechſel gehabt; er habe nicht die geringſte
Vermuthung, auf welche Weiſe der Graf um ſein Le-
ben gekommen ſei. ö ö ö
Einige Tage ſpäter fand die Hauptvernehmung der
Verdächtigen ſlatt.
Der Anfang wurde mit Oſterfeld gemacht.
Dieſer räumte nichts weiter ein, als was er in den
früheren Verhören ſchon eingeſtanden hatte, und be-
theuerte mit den heiligſten Schwüren, daß er von der
Ermordung des Grafen nichts wiſſe.
Wie indeſſen überhaupt in der geiſtigen und mora-
liſchen Natur des Menſchen, welcher eine Handlung
gegen ſeine eigene Ueberzeugung unternimmt, eine Un-
ordnung entſteht, die derjenigen gleicht, welche durch
eine zuwiderlauſende Bewegung in ſeiner körperlichen
Natur hervorgebracht wird, ſo auch bei dem Angeklag-
ten Oſterfeld. Er ſchien die Disharmonie zwiſchen
Einſicht und Handlung zu ſühlen und daher entſpra-
chen ſeine Schwüre der inneren Unruhe nicht, die durch
das Bewußtſein der Schuld erzeugt wurde, welche er
ſo ſchlecht zu verbergen wußte. Aber ungeachtet aller-
Mühe des Unterſuchungsrichters, ihn zum Geſtändniß
zu bringen, gelang es nicht.
Die Gräfin erzählte in ihrem Verhör ihre Lebens-
geſchichte, beklagte im Verhör ihre unglückliche Verbin-
dung mit dem Grafen, die grundloſe Eiferſucht ihres
der
beſonders im letzten halben Jahre ihrer Ehe ihr das
Leben verbittert habe. ö
„Viel Streitigkeiten — ſo fuhr ſie fort — entſtan-
den im letzten Winter über den zudringlichen Oſterfeld,
der eines Tages ſo heftig wurde, daß ihm die Worte
entfuhren: er werde dem Grafen noch einmal das Le-
henslicht ausblaſen. Mein Vater gab ihm in ſeiner
Aufregung ſogar Recht, indem er ſagte, ſolch' ein ei-
ferſüchtiger Quäler verdiene es, daß er aus der Welt
geſchafft werde. Oſterfeld forderte ſogar den Vater
auf, mit ihm zu gehen, um dem aiten Zwingherrn,
wie er ſich ausdrückte, das Lebenslicht auszublaſen.
Mein Vater erklärte ſich dazu bereit, indem er Oſter-
feld die Hand darauf gab. Ich erinnere mich noch,
daß Oſterfeld ſich gleich darauf nach mir wendete und
die Worte aus Schiller's „Maria Stuart“ recitirte:
„Für Alles werde Alles friſch gewagt! ö ö
Frei müßt Ihr ſein, noch eh' der Morgen tagt!“
Ich ſchwieg zu ſolchen albernen Reden, weil ich an
den Ernſt derſelben nicht glauben konnte.“
Auf die Frage, ob ihr Mann Grund zur Eiferſucht
gehabt und ſie mit Oſterfeld in einem vertrauten Um-
gange gelebt habe, erwiderte ſie mit Entrüſtung: ö
„Nein! wenn ich auch leichtfinnig genug geweſen
bin, dieſem Schmeichler und Heuchler zu geſtatten, mir
den Hof zu machen, ſo habe ich ihm doch niemais die
geringſte Freiheit geſtattet. Wahrlich, davon iſt mein
Gewiſſen rein!“ — ———
„Davon?“ fragte der Inquirent mit Nachdruck
„ſind Sie ſich denn etwa einer andern Schuld bewußt?“
Oſterfeld und anderer Perſonen, unter denen ſich auch
der Prior des Kloſters Marienthal befand, die bereits
vorliegenden Verdachtsgründe: die unanſtändige, harte
Behandlung gegen den Grafen kurz vor ſeinem Ver-
ſchwinden — das häufige Zuſammentreffen des Oſter-
feld mit den Eſſor'ſchen Eheleuten und deren Tochter
— beſonders das vertraute Verhältniß zwiſchen dieſer-
und dem Oſterfeld in's Klare zu ſetzen; und obgleich
dies ziemlich gelang, ſo war doch nicht eine einzige
Zeugenausſage ſo beſchaffen, daß daraus unmittelbar
auf einen ſträflichen Umgang des jungen Gutsbeſitzers
mit der Gräfin geſchloſſen werden konnte; auch der
außer Zweifel geſetzte Unfrieden im Schloſſe Uregg gab
keinen ausreichenden Grund ab, anzunehmen, daß auf
ſolchen Zwiſt und ſelbſt auf ſolche in Aufregung geäu-
herte Drohung ein ſo ſchweres Verbrechen — ein Ver-
wandtenmord hätte folgen müſſen.
Die Gräfin blieb bei den wiederholten Vernehmun⸗-
gen ſtandhaft dabei, daß ſie ſich von dem Verbrechen
durchaus rein wiſſe, äußerte aber doch einmal, daß ihr
Bater an ihrem ganzen Unglück Schuld ſei, weil er
ſie zu der ehlichen Verbindung mit einem Manne ge-
nöthigt habe, gegen den ſie fortwährend Abneigung
gefühlt. ö
Auch Oſterfeld räumte nichts ein, was nur irgend
mit dem Verbrechen in Verbindung ſtehen konnte, und
ſo war denn die Behörde genöthigt, die Akten zum
Erkenntniß vorzulegen, als etwa vierzehn Tage ſpäter
eine Anzeige gemacht wurde, welche den Verdacht mehrte,
daß Oſterfeld und die Gräfin wenigſtens um das Ver-
brechen wüßten. ö
Eine neben dem Kerker dieſer beiden Verdächtigen
gefangen gehaltene Frau meldete der Behörde, daß
zwei Gefangene, ein Mann und eine Frau aus ihren
Gefängniſſen mit einander redeten und daß ſie ſehr
deutlich die von dem Manne geſprochenen Worte ver-
ſtanden habe: „Wenn es der Vater nur nicht eingeſteht!“
Die Frau bezeichnete dabei die der Gräfin und Oſter-
feld angewieſenen Räume.
Die Behörde ließ die Verhafteten in zwei andere
Gefängniſſe bringen. ö
Die Gräfin räumte allerdings ein, ſich mit. Oſter-
feld unterhalten zu haben, ſie behauptete aber, nicht
gewußt zu haben, daß dies nicht geſtattet ſei, hingegen
ſtellte ſie den bezeichneten Inhalt des Geſprächs, der
den Verdacht ihrer Wiſſenſchaft um das Verbrechen be-
deutend mehren mußte, entſchieden in Abrede.
Oſterfeld verſicherte, mit der Gräfin durchaus nicht
geſprochen zu haben, und räumte es erſt dann ein, als
die Anklägerin ihm gegenüber geſtellt wurde. Trotz-⸗
dem aber betheuerte er, dieſelbe habe ihn mißverſtan-
den, ſeine Aeußerungen hätten ſich auf ganz andere
Dinge bezogen.
Inzwiſchen war der auf einer Reiſe ins Ausland
begriffene Herr v. Eſſor auf gerichtliche Anordnung
eeingeholt und ebenfalls verhaftet worden. In ſeiner
Vernehmung ſagte er mit lächelnder Miene, daß er J
den Grafen niemalz
fortfuhr, durch nochmalige Vernehmung der Gräfin, des V
Gatten auf Oſterfeld und endlich den Unfrieden,
1 ſei Zungebührlich behandelt, aber Zeuge
Berrien ze, dor Pferfed eanei dir deagaben en
heftigen Wortwechſel gehabt; er habe nicht die geringſte
Vermuthung, auf welche Weiſe der Graf um ſein Le-
ben gekommen ſei. ö ö ö
Einige Tage ſpäter fand die Hauptvernehmung der
Verdächtigen ſlatt.
Der Anfang wurde mit Oſterfeld gemacht.
Dieſer räumte nichts weiter ein, als was er in den
früheren Verhören ſchon eingeſtanden hatte, und be-
theuerte mit den heiligſten Schwüren, daß er von der
Ermordung des Grafen nichts wiſſe.
Wie indeſſen überhaupt in der geiſtigen und mora-
liſchen Natur des Menſchen, welcher eine Handlung
gegen ſeine eigene Ueberzeugung unternimmt, eine Un-
ordnung entſteht, die derjenigen gleicht, welche durch
eine zuwiderlauſende Bewegung in ſeiner körperlichen
Natur hervorgebracht wird, ſo auch bei dem Angeklag-
ten Oſterfeld. Er ſchien die Disharmonie zwiſchen
Einſicht und Handlung zu ſühlen und daher entſpra-
chen ſeine Schwüre der inneren Unruhe nicht, die durch
das Bewußtſein der Schuld erzeugt wurde, welche er
ſo ſchlecht zu verbergen wußte. Aber ungeachtet aller-
Mühe des Unterſuchungsrichters, ihn zum Geſtändniß
zu bringen, gelang es nicht.
Die Gräfin erzählte in ihrem Verhör ihre Lebens-
geſchichte, beklagte im Verhör ihre unglückliche Verbin-
dung mit dem Grafen, die grundloſe Eiferſucht ihres
der
beſonders im letzten halben Jahre ihrer Ehe ihr das
Leben verbittert habe. ö
„Viel Streitigkeiten — ſo fuhr ſie fort — entſtan-
den im letzten Winter über den zudringlichen Oſterfeld,
der eines Tages ſo heftig wurde, daß ihm die Worte
entfuhren: er werde dem Grafen noch einmal das Le-
henslicht ausblaſen. Mein Vater gab ihm in ſeiner
Aufregung ſogar Recht, indem er ſagte, ſolch' ein ei-
ferſüchtiger Quäler verdiene es, daß er aus der Welt
geſchafft werde. Oſterfeld forderte ſogar den Vater
auf, mit ihm zu gehen, um dem aiten Zwingherrn,
wie er ſich ausdrückte, das Lebenslicht auszublaſen.
Mein Vater erklärte ſich dazu bereit, indem er Oſter-
feld die Hand darauf gab. Ich erinnere mich noch,
daß Oſterfeld ſich gleich darauf nach mir wendete und
die Worte aus Schiller's „Maria Stuart“ recitirte:
„Für Alles werde Alles friſch gewagt! ö ö
Frei müßt Ihr ſein, noch eh' der Morgen tagt!“
Ich ſchwieg zu ſolchen albernen Reden, weil ich an
den Ernſt derſelben nicht glauben konnte.“
Auf die Frage, ob ihr Mann Grund zur Eiferſucht
gehabt und ſie mit Oſterfeld in einem vertrauten Um-
gange gelebt habe, erwiderte ſie mit Entrüſtung: ö
„Nein! wenn ich auch leichtfinnig genug geweſen
bin, dieſem Schmeichler und Heuchler zu geſtatten, mir
den Hof zu machen, ſo habe ich ihm doch niemais die
geringſte Freiheit geſtattet. Wahrlich, davon iſt mein
Gewiſſen rein!“ — ———
„Davon?“ fragte der Inquirent mit Nachdruck
„ſind Sie ſich denn etwa einer andern Schuld bewußt?“