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Die Wetterpropheten unter den Thieren.
ö Von Garl Sch enkling.
** — (Fortſetzung.)
Vergeſſen wir aber die Kreuzſpinne nicht, die ſich
im meteorologiſchen Fache ebenfälls einen guten Namen
erworben hat. Jedermann kennt ihr radförmiges, oft
mit wunderbarer Kühnheit ausgeſpanntes Fangnetz, in
deſſen Mittelpunkt ſie bei gutem Wetter auf der Lauer
ſitzt, ſich aber bei ſchlechtem Wetter nach einer Ecke oder
einen Winkel zurückzieht, immer aber Fühlung mit dem
Netz durch einen Faden behaltend, der ihr wie ein lei⸗—
tender Draht augenblicklich von Allem Kunde bringt,
was im Netz vorgeht. Ihr prophetiſches Gebahren hat
man ſich folgenderweiſe zurecht gelegt: Gutes Wetter
folgt, wenn man dieſe Spinnen in Menge antrifft,
wenn ſie in's Große arbeiten und des Nachts neue
Netze fertigeu; je nachdem die Maſchen derſelben enger
oder weiter ſind, hält das ſchöne Wetter längere oder
kürzere Zeit an. Veränderlich Wetter wird ängezeigt,
wenn es nur wenige Spinen giebt und dieſe nurſchwach
und im Kleinen arbeiten. Regen folgt, wenn ſich die
Spinnen in ihre Schlupfwinkel zurückziehen, gar nicht
mehr ſpinnen oder nur kurze Hauptfäden machen. Wind
iſt zu erwarten, wenn ſie das Netz nicht vollenden, ſon-
dern nur die Speichen des Rades ziehen, ohne die zir-
kelſörmigen Fäden um den Mittelpunkt deſſelben anzu-
legen, oder wenn ſie plötzlich einen Theil des Netzes
zerreißen und wieder nach dem Schlupfwinkel eilen.
Auch aus der Art und Weiſe, wie die Spinne im Netz
oder Winkel ſitzt, ſollen fernere Aenderungen des Wet-
ters zu erkennen ſein. Wenn ſie in ihrer Ecke die
Beine gegen die Wand kehrt und den Rücken auswärts
wendet, giebt es kaltes, naſſes Wetter, das längere Zeit
anhält; ſitzt ſie aber umgekehrt und legt die Beine auf
die Lauffäden, ſo wird das ſchlechte Wetter nicht lange
währen; geht ſie bei Regenwetter aus ihrem Verſteck
einen Schritt vor und legt zwei Füße auf die zum
Mittelpunkt des Netzes fuͤhrenden Lauffäden, ſo iſt
Hoffnung auf beſſeres, jedoch veränderliches Wetter
vorhanden.
Zum höchſten Anſehen als Wetterkundige hat es
aber die ſchon oben gerühmte Haus⸗ oder Winkeiſpinne
gebracht, eine Spinne, die allerwärts in Häuſern,
Kirchen, Ställen ꝛc. oft maſſenhaft zu finden iſt, na-
mentlich da, wo ſie unbehelligt ihre horizontalen Ge-
webe zwiſchen zwei winkelig gegen einander geneigte
Flächen ausſpannen kann. Dieſer und Jener, der für
ie eingenommen und ihre Prophezeihungen Glauben
ſchenken mochte, hat ſie an einem ſtillen Ort gewiſſer-
maßen gezüchtet, nur um aus ihrem Gebahren mit
Wu der eignen Phantaſie auf die bevorſtehenden
Witterungsverhältniſſe ſchließen zu können. Durch öf-
teres Zutreten, ſcharfes Anſehen bei längerem Ver-
weilen vor ihr und dergleichen Kunſtgriffe iſt die Prophetin
zunächſt an die beobachtende Perſon zu gewöhnen, ſo daß
fie unbeirrt und in voller Freiheit ihre Weiſſagungen vollzie-
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kann. Es ſoll ſich auch herausgeſtellt haben, daß alte
Spinnen ein wenig weiter gediehen ſind in der pro-
phetiſchen Kunſt als junge; denn jene vermögen den
Witterungswechſel volle 11 Tage vorher anzuzeigen,
während dieſe ſich nur auf 9 Tage einlaſſen. Ihre
Wetterzeichen aber ſind folgende: Sitzt die Spinne im
Netz vor ihrer Schlupfröhre mit gerade ausgeſtreckten
Beinen, ſo iſt am 9. oder 11. Tage darauf (jenachdem
man eine junge oder alte Spinne vor ſich hat) auf
ſchönes, trocknes Wetter zu rechnen; ſitzt ſie mit hal-
bem Körper oder mit halb angezogenen Beinen in der
Röhre, ſo iſt das Wetter am genannten Tage verän-
derlich; wenn ſie aber ganz umgekehrt in der Röhre
ſitzt, den Kopf nach hinten gewendet, ſo wird am 9.
oder 11. Tage Regen oder Gewitter folgen. Sitzt die
Spinne auf ſchönes Wetter, verändert aber plötzlich
ohne alle Veranlaſſung ihren Sitz, ſo tritt um dieſelbe-
() Stunde des 9. oder 11. Tages das angezeigte Wet-
ter ein, und iſt ſie eifrig bemüht, Löcher in das Netz
zu reißen, ſo iſt damit für den 9. oder 11. Tag Sturm
angezeigt!! Im Winter deutet es auf Kälte, wenn die
in Wohnungen überwinternden Spinnen hervorkommen
viel hin und her rennen und mit einander um die
beſtgelegenen, ſchon fertigen Gewebe kämpfen und in.
Beſitz nehmen. Wenn aber ganz neue Gewebe gefertigt
oder über Nacht gar mehrere, eins über dem andern,
angebracht werden, ſo folgt nach 9 oder 11 Tagen hef-
tige, anhaltende Kälte!?!
Betrachtet man dieſe Sätze mit nüchterner Unbefan-
genheit, ſo möchte man wohl den glücklichen Entdecker die-
ſes Spinnengenie's um ſein reiches Combinationsver-
mögen recht herzlich beneiden, oder aber, die Spinnen
muſſen in neuerer Zeit ganz aus der Art geſchlagen
ſein und materialiſtiſchen Neigungen huldigen, da man
trotz aller ſorgfältigen und genauen Beobachtungen neue-
ſten Datums an ihnen weiter nichts finden kann, als daß
Zeit und Art und Weiſe des Aufenthalts im Netze nur be-
dingt iſt von den Nahrungsbedürfniſſen und den ver-
ſchiedenen Phaſen ihrer Entwickelung. Zwar will Prof.
F. S. Voigt, auch ein Gläubiger an die Spinnenwitz
terungsprophezeihungskunſt, den phyſiologiſchen Grund
dafür in dem Doppelverhältnitz eines dicken, feuchten
Bauches und zarter, langgeſtreckter Gliedmaßen finden
und meint, daß jener Theil für Wärme und Kälte,
dieſer für Trockenheit und Feuchtigkeit empſindlich ſen
und ſo die ſich vorbereitenden Veränderungen der At-
moſphäre wahrnehmen laſſe (ſ. deſſen Lehrbuch der
Zoologie Bd. 4 S. 125 ff.) — warum aber, muß
man ſich fragen, taugen denn die ſogenannten Kanker
(Phalangium), deren Leib doch jene Gegenſätze in weit
ſtärkerem Maaße ausſpricht, nicht zu Wetterpropheten?
und welche Abſicht verfolgte denn die Natur, als ſie
unter allen Spinnen eben nur jene Auserwählten mit
ſo empfindſamem Naturell ausſtattete? Warum ſoll es
nur dieſen und nicht auch allen andern Geſchöpfen heil-
ſam ſein, eine Ahnung zu haben von den Dingen, die
da kommen ſollen?
(Schluß folgt.)
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Die Wetterpropheten unter den Thieren.
ö Von Garl Sch enkling.
** — (Fortſetzung.)
Vergeſſen wir aber die Kreuzſpinne nicht, die ſich
im meteorologiſchen Fache ebenfälls einen guten Namen
erworben hat. Jedermann kennt ihr radförmiges, oft
mit wunderbarer Kühnheit ausgeſpanntes Fangnetz, in
deſſen Mittelpunkt ſie bei gutem Wetter auf der Lauer
ſitzt, ſich aber bei ſchlechtem Wetter nach einer Ecke oder
einen Winkel zurückzieht, immer aber Fühlung mit dem
Netz durch einen Faden behaltend, der ihr wie ein lei⸗—
tender Draht augenblicklich von Allem Kunde bringt,
was im Netz vorgeht. Ihr prophetiſches Gebahren hat
man ſich folgenderweiſe zurecht gelegt: Gutes Wetter
folgt, wenn man dieſe Spinnen in Menge antrifft,
wenn ſie in's Große arbeiten und des Nachts neue
Netze fertigeu; je nachdem die Maſchen derſelben enger
oder weiter ſind, hält das ſchöne Wetter längere oder
kürzere Zeit an. Veränderlich Wetter wird ängezeigt,
wenn es nur wenige Spinen giebt und dieſe nurſchwach
und im Kleinen arbeiten. Regen folgt, wenn ſich die
Spinnen in ihre Schlupfwinkel zurückziehen, gar nicht
mehr ſpinnen oder nur kurze Hauptfäden machen. Wind
iſt zu erwarten, wenn ſie das Netz nicht vollenden, ſon-
dern nur die Speichen des Rades ziehen, ohne die zir-
kelſörmigen Fäden um den Mittelpunkt deſſelben anzu-
legen, oder wenn ſie plötzlich einen Theil des Netzes
zerreißen und wieder nach dem Schlupfwinkel eilen.
Auch aus der Art und Weiſe, wie die Spinne im Netz
oder Winkel ſitzt, ſollen fernere Aenderungen des Wet-
ters zu erkennen ſein. Wenn ſie in ihrer Ecke die
Beine gegen die Wand kehrt und den Rücken auswärts
wendet, giebt es kaltes, naſſes Wetter, das längere Zeit
anhält; ſitzt ſie aber umgekehrt und legt die Beine auf
die Lauffäden, ſo wird das ſchlechte Wetter nicht lange
währen; geht ſie bei Regenwetter aus ihrem Verſteck
einen Schritt vor und legt zwei Füße auf die zum
Mittelpunkt des Netzes fuͤhrenden Lauffäden, ſo iſt
Hoffnung auf beſſeres, jedoch veränderliches Wetter
vorhanden.
Zum höchſten Anſehen als Wetterkundige hat es
aber die ſchon oben gerühmte Haus⸗ oder Winkeiſpinne
gebracht, eine Spinne, die allerwärts in Häuſern,
Kirchen, Ställen ꝛc. oft maſſenhaft zu finden iſt, na-
mentlich da, wo ſie unbehelligt ihre horizontalen Ge-
webe zwiſchen zwei winkelig gegen einander geneigte
Flächen ausſpannen kann. Dieſer und Jener, der für
ie eingenommen und ihre Prophezeihungen Glauben
ſchenken mochte, hat ſie an einem ſtillen Ort gewiſſer-
maßen gezüchtet, nur um aus ihrem Gebahren mit
Wu der eignen Phantaſie auf die bevorſtehenden
Witterungsverhältniſſe ſchließen zu können. Durch öf-
teres Zutreten, ſcharfes Anſehen bei längerem Ver-
weilen vor ihr und dergleichen Kunſtgriffe iſt die Prophetin
zunächſt an die beobachtende Perſon zu gewöhnen, ſo daß
fie unbeirrt und in voller Freiheit ihre Weiſſagungen vollzie-
159
kann. Es ſoll ſich auch herausgeſtellt haben, daß alte
Spinnen ein wenig weiter gediehen ſind in der pro-
phetiſchen Kunſt als junge; denn jene vermögen den
Witterungswechſel volle 11 Tage vorher anzuzeigen,
während dieſe ſich nur auf 9 Tage einlaſſen. Ihre
Wetterzeichen aber ſind folgende: Sitzt die Spinne im
Netz vor ihrer Schlupfröhre mit gerade ausgeſtreckten
Beinen, ſo iſt am 9. oder 11. Tage darauf (jenachdem
man eine junge oder alte Spinne vor ſich hat) auf
ſchönes, trocknes Wetter zu rechnen; ſitzt ſie mit hal-
bem Körper oder mit halb angezogenen Beinen in der
Röhre, ſo iſt das Wetter am genannten Tage verän-
derlich; wenn ſie aber ganz umgekehrt in der Röhre
ſitzt, den Kopf nach hinten gewendet, ſo wird am 9.
oder 11. Tage Regen oder Gewitter folgen. Sitzt die
Spinne auf ſchönes Wetter, verändert aber plötzlich
ohne alle Veranlaſſung ihren Sitz, ſo tritt um dieſelbe-
() Stunde des 9. oder 11. Tages das angezeigte Wet-
ter ein, und iſt ſie eifrig bemüht, Löcher in das Netz
zu reißen, ſo iſt damit für den 9. oder 11. Tag Sturm
angezeigt!! Im Winter deutet es auf Kälte, wenn die
in Wohnungen überwinternden Spinnen hervorkommen
viel hin und her rennen und mit einander um die
beſtgelegenen, ſchon fertigen Gewebe kämpfen und in.
Beſitz nehmen. Wenn aber ganz neue Gewebe gefertigt
oder über Nacht gar mehrere, eins über dem andern,
angebracht werden, ſo folgt nach 9 oder 11 Tagen hef-
tige, anhaltende Kälte!?!
Betrachtet man dieſe Sätze mit nüchterner Unbefan-
genheit, ſo möchte man wohl den glücklichen Entdecker die-
ſes Spinnengenie's um ſein reiches Combinationsver-
mögen recht herzlich beneiden, oder aber, die Spinnen
muſſen in neuerer Zeit ganz aus der Art geſchlagen
ſein und materialiſtiſchen Neigungen huldigen, da man
trotz aller ſorgfältigen und genauen Beobachtungen neue-
ſten Datums an ihnen weiter nichts finden kann, als daß
Zeit und Art und Weiſe des Aufenthalts im Netze nur be-
dingt iſt von den Nahrungsbedürfniſſen und den ver-
ſchiedenen Phaſen ihrer Entwickelung. Zwar will Prof.
F. S. Voigt, auch ein Gläubiger an die Spinnenwitz
terungsprophezeihungskunſt, den phyſiologiſchen Grund
dafür in dem Doppelverhältnitz eines dicken, feuchten
Bauches und zarter, langgeſtreckter Gliedmaßen finden
und meint, daß jener Theil für Wärme und Kälte,
dieſer für Trockenheit und Feuchtigkeit empſindlich ſen
und ſo die ſich vorbereitenden Veränderungen der At-
moſphäre wahrnehmen laſſe (ſ. deſſen Lehrbuch der
Zoologie Bd. 4 S. 125 ff.) — warum aber, muß
man ſich fragen, taugen denn die ſogenannten Kanker
(Phalangium), deren Leib doch jene Gegenſätze in weit
ſtärkerem Maaße ausſpricht, nicht zu Wetterpropheten?
und welche Abſicht verfolgte denn die Natur, als ſie
unter allen Spinnen eben nur jene Auserwählten mit
ſo empfindſamem Naturell ausſtattete? Warum ſoll es
nur dieſen und nicht auch allen andern Geſchöpfen heil-
ſam ſein, eine Ahnung zu haben von den Dingen, die
da kommen ſollen?
(Schluß folgt.)