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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 26.1915

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Bührer, Jakob: Arbeiten von Architekt Otto Ingold - Bern
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https://doi.org/10.11588/diglit.7711#0350

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326

INNEN-DEKORATION

ARCHITEKT OTTO INGOLD —BERN ALKOHOLFREIES RESTAURANT DER AUSST. BERN ic,i4

Wohl findet man heute Landauf und -ab
Dutzende von Ausnahmebeispielen aus der jüng-
sten Zeit. Die Wirkungen der herzerfreuenden
Wiederbelebung, die sich in deutschen Landen
in Fragen des Geschmackes anbahnte, zeigen sich
auch bei uns; aber es ist gewiß nicht bloßer
Zufall, daß es ausgerechnet zwei Kunstmaler
waren, die dem schweizerischen Baukünstler, von
dem wir heute reden wollen, die ersten Aufträge
erteilten. Das Wohnhaus von Emil Cardinaux,
das in freier Ebene hinter Bern im Angesicht der
Vorberge und der Alpen steht, ist ein herrliches
Beispiel für eine Heimstatt, wie sie sich auch das
kleine Vermögen leisten kann. Traulich und froh-
mütig, und doch ein wenig trutzig und wehrhaft,
wie die Berge drüben, steht es da und wenn
man eintritt, nimmt einem ein entzückender Geist
freundlich lächelnder Geborgenheit in Empfang.
Das verborgene Maß in den Dingen, das selbst-
verständliche Verhältnis der Räume, die leuch-
tende, aber nirgends sich selber betonende far-
benreiche Harmonie, die liebevolle Durchbildung
(immer aus demselben formenklaren Geist heraus)
jeder Kleinigkeit, machen den Aufenthalt in diesem
Haus, den ich dutzende Mal genossen habe, so

unendlich gehaltvoll, und kein Zweifel ist für mich,
daß, wer in solchen Räumen wohnt, eine be-
schauliche Zuversicht ins Leben tragen kann, weil
aus ihnen der Geist und der Glaube einer wunder-
vollen natürlichen Gesetzmäßigkeit sprechen.

Die Innenräume eines Privathauses in Langen-
thal bringen uns eine zweite hervorstechende
Eigenschaft unseres Architekten näher, nachdem
wir schon im Hause Cardinaux dem Grundele-
ment, aus dem heraus Ingold arbeitet, begegnet
sind: seinem unendlich feinen Sinn für Verhält-
nisse. In seinem größten Bauwerk, dem Volks-
haus in Bern, hat er in einer Monumentalfassade
die Bedeutung des inneren Gleichmaßes der Dinge
zu sinnenfälligster Wirkung gebracht. Im Langen-
thaler Privathaus begegnen wir seiner ausge-
sprochenen Vorliebe für eine reiche Wirkung.
Aber sofort zieht Ingold eine scharfe Grenze:
Reichtum ist nicht Üppigkeit, nicht Protzerei,
nicht Prunk. Wohl aber das Gegenteil von Ent-
haltsamkeit, Nüchternheit, Langeweile. Des Le-
bens Güter sind da, nützen wir sie! Aber sinn-
gemäß und am rechten Ort, und der oberste und
letzte Wille, dem sich alles zu unterwerfen hat,
muß immer jene Ordnung sein, die uns den
 
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