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INNEN-DEKO RATION
die sie wünschten. Sie stürzten sich in die totale Kul-
tur-Askese, um dem Mißbrauch der Kultur einen Rie-
gel vorzuschieben. Das macht ihrem Willen und ihrer
Zähigkeit alle Ehre, aber es beweist auch, daß sie und
mit ihnen vielleicht die ganze griechische Welt noch
nicht imstande war, das volle Menschentum zu ver-
wirklichen, wenigstens nicht auf die Dauer.
Es ist die große und auszeichnende Möglichkeit des
modernen Kulturmenschen, daß er sich zu der ihm
entsprechenden zivilisatorischen Form und zugleich
zu der Willens- und Körperzucht bekennen kann, die
ihm in dieser Welt der Kämpfe unentbehrlich ist. In
langen Jahrhunderten, in denen der abendländische
Mensch sich tyrannisieren mußte, um nicht der
Sklave seiner ungezügelten Triebe zu werden, ist sein
Geist so erstarkt, daß er das menschliche Erbe souve-
rän und gelassen verwalten kann, daß er die verschie-
denen Seiten des Menschenwesens geordnet neben ein-
ander ausleben kann. Im Grunde ist die Kultur-
Askese der Spartaner und der zynischen Philosophen-
schulen Attikas etwas ganz Ähnliches wie die nach-
malige Welt- und Naturscheu der ersten christlichen
Jahrhunderte. Auch diese mußten der »Frau Welt«
mißtrauen und den Leib kasteien, um das Geistige im
Menschen freizuhalten, weil sie beidem nicht zugleich
die geziemende Ehre antun konnten. Dem Europäer
der heutigen Weltstunde ist aber dieses »Zugleich« als
seine große Aufgabe und Möglichkeit zugewiesen.
Nach einer Ordnung, die sein Geist sehr genau zu
erkennen vermag, weiß er Lockerung und Härtung
richtig zusammenzubauen, und er kann das Zivi-
lisatorische ehren, ohne ihm gefährlich zu verfallen.
PAOLO
BUFFA
»SESSEL« OESANDELTE EICHE, Z. T. MIT HANFSCHNUR BESPANNT, BEZÜGE: HANFGEWEBE
INNEN-DEKO RATION
die sie wünschten. Sie stürzten sich in die totale Kul-
tur-Askese, um dem Mißbrauch der Kultur einen Rie-
gel vorzuschieben. Das macht ihrem Willen und ihrer
Zähigkeit alle Ehre, aber es beweist auch, daß sie und
mit ihnen vielleicht die ganze griechische Welt noch
nicht imstande war, das volle Menschentum zu ver-
wirklichen, wenigstens nicht auf die Dauer.
Es ist die große und auszeichnende Möglichkeit des
modernen Kulturmenschen, daß er sich zu der ihm
entsprechenden zivilisatorischen Form und zugleich
zu der Willens- und Körperzucht bekennen kann, die
ihm in dieser Welt der Kämpfe unentbehrlich ist. In
langen Jahrhunderten, in denen der abendländische
Mensch sich tyrannisieren mußte, um nicht der
Sklave seiner ungezügelten Triebe zu werden, ist sein
Geist so erstarkt, daß er das menschliche Erbe souve-
rän und gelassen verwalten kann, daß er die verschie-
denen Seiten des Menschenwesens geordnet neben ein-
ander ausleben kann. Im Grunde ist die Kultur-
Askese der Spartaner und der zynischen Philosophen-
schulen Attikas etwas ganz Ähnliches wie die nach-
malige Welt- und Naturscheu der ersten christlichen
Jahrhunderte. Auch diese mußten der »Frau Welt«
mißtrauen und den Leib kasteien, um das Geistige im
Menschen freizuhalten, weil sie beidem nicht zugleich
die geziemende Ehre antun konnten. Dem Europäer
der heutigen Weltstunde ist aber dieses »Zugleich« als
seine große Aufgabe und Möglichkeit zugewiesen.
Nach einer Ordnung, die sein Geist sehr genau zu
erkennen vermag, weiß er Lockerung und Härtung
richtig zusammenzubauen, und er kann das Zivi-
lisatorische ehren, ohne ihm gefährlich zu verfallen.
PAOLO
BUFFA
»SESSEL« OESANDELTE EICHE, Z. T. MIT HANFSCHNUR BESPANNT, BEZÜGE: HANFGEWEBE