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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 52.1941

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Schlemmer, Paul: Wohnkultur - eine deutsche Aufgabe
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https://doi.org/10.11588/diglit.12314#0144

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WOHNKULTUR - EINE DEUTSCHE AUFGABE

VON LANDESRAT DR. PAUL SCHLEMMER
KULTURDEZERNENT DES PROV1NZ1ALVERBANDES HESSEN-NASSAU IN KASSEL

Der Wille des Führers hat nach der politischen
Machtergreifung die kulturelle Erneuerung un-
seres deutschen Lebens als zukunftweisende Aufgabe
gestellt. Damit war eine Entscheidung von säkularer
Bedeutung getroffen.

Während auf vielen Gebieten, voran denen der Po-
litik, das Neue schon in festerkennbare Formen ge-
gossen ist, stehen wir in unserer völkischen kulturel-
len Erneuerung zu einem großen Teil noch in den pro-
grammatischen Anfängen.

Schnell wurde durch gesetzliche Maßnahmen das
Gebiet des eigentlich Politischen von Schund und
Schmutz befreit. Gegen die entarteten Werke der bil-
denden Künste wurde ein rücksichtsloser, nachhal-
tiger und erfolgreicher Kampf geführt.

Auf dem Gebiete des Bauwesens ist durch die Er-
stellung richtungweisender Monumentalbauten des
Führers, durch vorbildliche Planungen und Muster-
bauten von Siedlungsunternehmungen und auch von
Privatarchitekten, nicht zuletzt durch die Schulungs-
arbeit von Baupflegeeinrichtungen der Partei, des
Staates und der Selbstverwaltung Vorbildliches ge-
schaffen worden. Deshalb darf man sicher hoffen,
daß eine artgemäße Bauweise immer mehr Fuß faßt
und sich gegenüber den immer noch vorhandenen
artfremden Überlagerungen durchsetzt.

Ein besonderes, seither leider viel zu wenig beach-
tetes Sorgenkind unserer gesamtvölkischen Kultur-
arbeit ist immer noch das Heim des deutschen Men-
schen, sind die vier Wände, in denen sich sein täg-
liches Leben abspielt, von denen er in dauernder und
eindringlichster Weise, wenn auch meist unbewußt,
beeinflußt wird.

In die Familie und damit auch in das eigene Heim
ist der Mensch mit seinen persönlichsten Lebens- und
Daseinsbeziehungen eingebettet. Hier holt er sich
Kraft und Stärkung nicht nur für seinen Daseins-
kampf, sondern auch für die in ihm ruhenden Gestal-
tungskräfte. Wie aber können diese Gestaltungskräfte
zu einem Höchstmaß entwickelt werden, wenn der
heranwachsende Mensch von seiner frühesten Jugend
an in einer mißgestalteten Umgebung leben muß! Ge-
rade diesem wichtigen Gebiete ist jedoch seither das
geringste Augenmerk zugewendet worden. Wohl des-
halb, weil hier die Entartung den breitesten Umfang
angenommen hat und zum Lebensausdruck schlecht-
hin geworden ist. Denn die Fehlentwicklung ist in-
zwischen zu einer langgeübten Gewohnheit geworden,
und von Gewohnheiten trennt man sich nicht gern.

Das schlechte Möbel, der stillose Gebrauchsgegen-
stand, das kitschige Bild wurden Allgemeingut. Ein
feingesponnenes, volksfremdes Erzeugungs- und Ver-
teilungssystem hat es vermocht, das Lebensbild jedes

einzelnen bis in die letzte Faser zu verderben, und
zwar durch einen dem einzelnen überhaupt verborgen
gebliebenen Vorgang. Nach schlechten, schabionisier-
ten Entwürfen wurden mit Hilfe technischer Verviel-
fältigungsmethoden Wohngüter für die breite Masse
des Volkes hergestellt und durch entsprechende Ba-
sare verteilt. Es ist erschütternd, zu sehen, in welchem
Umfange sogar heute noch Ausstattungsgegenstände
aller Art in den unmöglichsten Formen und Farb-
kombinationen dem deutschen Volk zum Kaufe
angeboten werden.

Man nahm früher diese Dinge im allgemeinen un-
besehen als eine Selbstverständlichkeit hin. Hinzu
kam, daß der so geschaffene Zustand sich auch beinahe
ungestört erhalten konnte, denn der Streit der Mei-
nungen bewegte sich in den Zeiten des Parteienkamp-
fes hauptsächlich um Fragen des Geldes, der Wirt-
schaft, des politischen Systems und der politischen
Macht an sich. Die tägliche häusliche Umgebung des
Menschen, die sein Handeln, Denken und Fühlen un-
bewußt am innigsten beeinflußt, blieb fast unberührt
vom öffentlichen Meinungsstreit und deshalb den
Verfallserscheinungen am schutzlosesten und nach-
haltigsten ausgesetzt.

Deshalb wird die auf Heilung solcher Fehler gerich-
tete Kulturarbeit heute in immer größerem Umfang
als öffentliches Anliegen behandelt, um schließlich,
wenn nötig, auch gegen einen irregeleiteten Publi-
kumsgeschmack allumfassende Geltung zu erhalten.
Zu tief freilich hat sich unmerklich der artfremde
Kitsch in die Volksseele hineingefressen, als daß
eine schnelle Umkehr möglich erschiene. Wohl sind
berufene Kräfte am Werk, hier eine Wandlung zu
schaffen. An einer gesetzlichen Grundlage aber für
die Erneuerungsarbeit fehlt es noch. Während man
auf dem Gebiete des politischen Schundes mit gesetz-
lichen Maßnahmen durchgegriffen und das Gebiet der
bildenden Künste radikal gesäubert hat, während
auch der Präsident der Reichskammer der bildenden
Künste sich durch Anordnung vom i. Oktober 1940
die Möglichkeit eines Eingriffes vorbehalten hat, ist
einstweilen die Gestaltung der Gegenstände unserer
Wohn- und Heimkultur noch weiterhin dem freien
Spiel der Kräfte überlassen.

Wir wissen heute, daß wir uns auch um Haus und
Heim jedes Volksgenossen zu kümmern haben, ohne
Rücksicht auf seine wirtschaftlichen Verhältnisse.
Denn einmal ist die Zeit vorbei, in der die Haus- und
Wohnform des einzelnen ausschließlich durch seine
Wirtschaftslage bestimmt wurde. Zum anderen darf
die Haus- und Heimgestaltung nicht ein Reservat
uferloser persönlicher Willkür bleiben; denn die
Wohnform eines Volkes - das erfahren wir am besten
 
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