46 INNEN-DEKORATION
»SONNENRAUM DES WOHNHAUSES IN WÜRTTEMBERG« ENTWURF: ARCHITEKT PAUL DARIUS - STUTTGART
HAUS UND NATUR
Ein Wohnhaus ist nicht Flucht vor Natur und Le-
ben, sondern der Standort, von dem aus der Mensch
sich ruhig, menschenwürdig zu Welt, Leben und Na-
tur in Beziehung setzen kann. Er weiß durch Erfah-
rung, daß er als Kulturmensch nicht mehr mit Haut
und Haaren in der Natur untertauchen kann. Ihre
Winterstürme sind ungastlich, ihre sämtlichen Äuße-
rungen sind herrischer Art und müssen den knechten,
der ihnen schutzlos ausgesetzt ist. Wie der Mensch
geistig den Rücktritt von der Natur braucht, so braucht
er ihn leiblich - aber nicht als Ausdruck der Ab-
lehnung und Furcht, sondern als Gestalt seiner
tiefen Freundschaft zu ihr. Alle Kultur des Menschen
kann aufgefaßt werden als ein Dienst, den wir der
Natur erweisen und der ihr hilft, uns die ewig segen-
bringende Mutter zu sein, die sie uns sein will. Wer
die Liebe der Natur zu ihren Menschenkindern nur in
ihrer Förderung unseres leiblichen Gedeihens findet,
der hat keinen Begriff davon, wie weit diese Liebe in
Wahrheit reicht. Sie geht mit ihrem Wirken tief ins
Geheimnis des Geistes und der Seele. »Was uns an der
sichtbaren Schönheit entzückt, ist ewig nur die un-
sichtbare«, sagt Marie Ebner-Eschenbach, und noch
klarer deutet es Novalis: »Es sind nicht die bunten
Farben, die lustigen Töne und die warme Luft, die
uns im Frühling so begeistern; es ist der stille, weis-
sagende Geist unendlicher Hoffnungen, ein Vorgefühl
vieler froher Stunden, die Ahnung höherer, ewiger
Blüten und Frühlinge.« Wir sehen imLeben der Natur,
genau wie in unsrem eignen Leben zur Kinderzeit,
die selige Fülle all unsres Glückes gespiegelt und dar-
gestellt. »Solange das blaue Luftmeer über uns glänzt«,
schrieb ein deutscher Denker über den Segen der
Natur, »solange ein Frühling uns die alte Erde mit
Blumen bunt besternt, solange ein Strahl von Gold-
staub durch geschlossene Sommerläden bricht und
über die Wände dämmerig kühler Zimmer rieselt -
solange ist das Glück noch schlechthin unverlierbar.«
»SONNENRAUM DES WOHNHAUSES IN WÜRTTEMBERG« ENTWURF: ARCHITEKT PAUL DARIUS - STUTTGART
HAUS UND NATUR
Ein Wohnhaus ist nicht Flucht vor Natur und Le-
ben, sondern der Standort, von dem aus der Mensch
sich ruhig, menschenwürdig zu Welt, Leben und Na-
tur in Beziehung setzen kann. Er weiß durch Erfah-
rung, daß er als Kulturmensch nicht mehr mit Haut
und Haaren in der Natur untertauchen kann. Ihre
Winterstürme sind ungastlich, ihre sämtlichen Äuße-
rungen sind herrischer Art und müssen den knechten,
der ihnen schutzlos ausgesetzt ist. Wie der Mensch
geistig den Rücktritt von der Natur braucht, so braucht
er ihn leiblich - aber nicht als Ausdruck der Ab-
lehnung und Furcht, sondern als Gestalt seiner
tiefen Freundschaft zu ihr. Alle Kultur des Menschen
kann aufgefaßt werden als ein Dienst, den wir der
Natur erweisen und der ihr hilft, uns die ewig segen-
bringende Mutter zu sein, die sie uns sein will. Wer
die Liebe der Natur zu ihren Menschenkindern nur in
ihrer Förderung unseres leiblichen Gedeihens findet,
der hat keinen Begriff davon, wie weit diese Liebe in
Wahrheit reicht. Sie geht mit ihrem Wirken tief ins
Geheimnis des Geistes und der Seele. »Was uns an der
sichtbaren Schönheit entzückt, ist ewig nur die un-
sichtbare«, sagt Marie Ebner-Eschenbach, und noch
klarer deutet es Novalis: »Es sind nicht die bunten
Farben, die lustigen Töne und die warme Luft, die
uns im Frühling so begeistern; es ist der stille, weis-
sagende Geist unendlicher Hoffnungen, ein Vorgefühl
vieler froher Stunden, die Ahnung höherer, ewiger
Blüten und Frühlinge.« Wir sehen imLeben der Natur,
genau wie in unsrem eignen Leben zur Kinderzeit,
die selige Fülle all unsres Glückes gespiegelt und dar-
gestellt. »Solange das blaue Luftmeer über uns glänzt«,
schrieb ein deutscher Denker über den Segen der
Natur, »solange ein Frühling uns die alte Erde mit
Blumen bunt besternt, solange ein Strahl von Gold-
staub durch geschlossene Sommerläden bricht und
über die Wände dämmerig kühler Zimmer rieselt -
solange ist das Glück noch schlechthin unverlierbar.«