INN EN-DEKORATION
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»KREDENZ UND TELLERBORD« ENTW. PROF. JOS. HILLERBRAND, AUSF. DEUTSCHE WERKSTATTEN-MÜNCHEN
GESCHMÜCKTER HAUSRAT
Wenn in früheren Zeiten der Handwerker das Ge- höhen gewiß nicht die Brauchbarkeit der Stücke, und
rät, das er gefertigt hatte, mit Zierformen ebensowenig fügt die Ausmalung eines Innenraumes,
schmückte, die unserer heutigen Zweckanschauung einer Giebelwand der Architektenleistung etwas an
nach etwas Zusätzliches sind - was trieb ihn an ? War funktionalen Werten zu. Aber in diesem Zierwerk
es nicht das Gefühl, es sei zu dem Gebilde noch etwas will der Mensch, der ja in früheren Zeiten als ein
zu sagen, es sei ihm noch etwas Abschließendes auf- Ganzes sich auf seine Arbeit und seinen Besitz bezog,
zuprägen und mitzugeben, das es erst herzhaft in die auch mit seinem Gemütsleben zur Geltung kommen
menschliche Gebrauchswelt einfügt? Dichter haben in dem, was sein ist. Er baut sein Haus so, daß er darin
ehedem ja auch ihren Balladen - man denke an Vil- wohnen kann, aber er setzt, wenn es fertig ist, einen
Ion und seine Zeit - am Schluß Widmungsstrophen, Spruch über die Tür, der das Haus auf irgendeine
Zueignungsverse angefügt, in denen sie eine be- Weise mit einer höheren Wertwelt in Verbindung
stimmte Person anredeten, um ihr das Gedicht gleich- bringt oder eine scherzhafte Lebensregel, Lebensweis-
sam mit darreichender Gebärde in die Hand zu drük- heit anklingen läßt:
ken. Hat man nicht in dem gemalten Zierat, der sich «tv„„ A:ac.^ u , t u4
... . , .__G„. . . Wenn dieses Haus so lange steht,
an alten, ländlichen Möbeln und Geraten findet, etwas ■. &
' , , , , . . bis aller Haß und Neid vergeht,
wieeine Widmung zu erblicken, einredendes Wort, in 6 '
& „ , r ... r , ... . so wird dies Haus so lange stehen,
welchem die stumme Sachform die Augen aufschlagt, .. . ° ,
. _ ... . . . T - , . ■ bis daß die Welt wird untergehen. -
ein Lächeln, ein Gemüt zeigt, eine Liebe oder einen &
Scherz? Man versteht das alte Ornament nur dann heißt es heiter über einem Torbogen im Westerwald.
recht, wenn man es als echten Abschluß der Gestal- Zwischen solchen Sprüchen und den Rosen, Tulipa-
tungsarbeit begreift, als das besiegelnde geistige Be- nen und Lebensbäumen, die auf Bank und Truhe,
kenntnis des Gestalters zu seiner Arbeit, des Benut- Kasten und Bettstatt aufgemalt werden, besteht der
zers zu dem hilfreichen Ding. Die Blumen, die auf den Funktion nach kaum ein Unterschied: All dieser
Schrank oder auf die Bettstelle aufgemalt werden, er- Zierat ist Wort und Rede, und wenn wir ihn als
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»KREDENZ UND TELLERBORD« ENTW. PROF. JOS. HILLERBRAND, AUSF. DEUTSCHE WERKSTATTEN-MÜNCHEN
GESCHMÜCKTER HAUSRAT
Wenn in früheren Zeiten der Handwerker das Ge- höhen gewiß nicht die Brauchbarkeit der Stücke, und
rät, das er gefertigt hatte, mit Zierformen ebensowenig fügt die Ausmalung eines Innenraumes,
schmückte, die unserer heutigen Zweckanschauung einer Giebelwand der Architektenleistung etwas an
nach etwas Zusätzliches sind - was trieb ihn an ? War funktionalen Werten zu. Aber in diesem Zierwerk
es nicht das Gefühl, es sei zu dem Gebilde noch etwas will der Mensch, der ja in früheren Zeiten als ein
zu sagen, es sei ihm noch etwas Abschließendes auf- Ganzes sich auf seine Arbeit und seinen Besitz bezog,
zuprägen und mitzugeben, das es erst herzhaft in die auch mit seinem Gemütsleben zur Geltung kommen
menschliche Gebrauchswelt einfügt? Dichter haben in dem, was sein ist. Er baut sein Haus so, daß er darin
ehedem ja auch ihren Balladen - man denke an Vil- wohnen kann, aber er setzt, wenn es fertig ist, einen
Ion und seine Zeit - am Schluß Widmungsstrophen, Spruch über die Tür, der das Haus auf irgendeine
Zueignungsverse angefügt, in denen sie eine be- Weise mit einer höheren Wertwelt in Verbindung
stimmte Person anredeten, um ihr das Gedicht gleich- bringt oder eine scherzhafte Lebensregel, Lebensweis-
sam mit darreichender Gebärde in die Hand zu drük- heit anklingen läßt:
ken. Hat man nicht in dem gemalten Zierat, der sich «tv„„ A:ac.^ u , t u4
... . , .__G„. . . Wenn dieses Haus so lange steht,
an alten, ländlichen Möbeln und Geraten findet, etwas ■. &
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wieeine Widmung zu erblicken, einredendes Wort, in 6 '
& „ , r ... r , ... . so wird dies Haus so lange stehen,
welchem die stumme Sachform die Augen aufschlagt, .. . ° ,
. _ ... . . . T - , . ■ bis daß die Welt wird untergehen. -
ein Lächeln, ein Gemüt zeigt, eine Liebe oder einen &
Scherz? Man versteht das alte Ornament nur dann heißt es heiter über einem Torbogen im Westerwald.
recht, wenn man es als echten Abschluß der Gestal- Zwischen solchen Sprüchen und den Rosen, Tulipa-
tungsarbeit begreift, als das besiegelnde geistige Be- nen und Lebensbäumen, die auf Bank und Truhe,
kenntnis des Gestalters zu seiner Arbeit, des Benut- Kasten und Bettstatt aufgemalt werden, besteht der
zers zu dem hilfreichen Ding. Die Blumen, die auf den Funktion nach kaum ein Unterschied: All dieser
Schrank oder auf die Bettstelle aufgemalt werden, er- Zierat ist Wort und Rede, und wenn wir ihn als