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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 52.1941

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Kultur in alter und neuer Welt
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INNEN-DEKO RAT ION

Symbole lesen, so sagen wir dasselbe, denn Symbol
ist Bedeutungszeichen, das auf höhere Zusammen-
hänge weist; auf Zusammenhänge, die gleichsam als
schirmende oder wertgebende Mächte mit dem Objekt
verknüpft werden. Oft thront ein Heiliger oder die
Mutter Gottes farbenprächtig am Hausgiebel, und das
ist dann Anrufung und Bekenntnis deutlicherer Art.
Aber Bekenntnis liegt auch in den Gestalten des pflü-
genden oder säenden Bauern, der garbenbindenden
Schnitterin, des lustigen Jägersmanns, die in Gesell-
schaft von allerlei Getier da und dort als Ziermotive
für Möbel- oder Wandfüllungen verwendet werden.
Denn da hält der Maler sich und den Menschen seiner
Umwelt den bestimmten Lebenskreis, in dem sie sich
täglich bewegen, vor Augen und arbeitet so an der
Bildung eines ständischen Bewußtseins, das diesen
Lebenskreis zu ehren und ihn als festes, segenspen-
dendes Geschick anzunehmen weiß. Der gemalte Blu-
menzierat wächst in der ländlich-volkstümlichen
Hausratkunst ebenso natürlich, wie der sinnfällige,
»blumige« Ausdruck in der volkstümlichen Sprache
mit ihrem Bilderreichtum, mit ihrem Schmuck an
Vergleichen, an witzigen oder tiefsinnigen Anspielun-
gen. Man denke nur an die wunderbarste Figur der

volkstümlichen Redeweise, an das Beispielsprichwort:
»Jugend will getobt haben, sagte das Bettelweib, da
war ihm das Kind aus der Kiepe gefallen« oder:
»Alles mit Maß, sagte der Schneider, da schlug er sein
Weib mit dem Ellenmaß tot.« Hier ist das, was ausge-
drückt werden soll, völlig ins Bild gegangen, ja im
Bild verschwunden. Aber der bildliche Ausdruck
kommt nicht so zustande, daß etwa zuerst eine ab-
strakte Prägung im Bewußtsein steht, die dann ins
Bild übersetzt wird, sondern das Bild stellt sich so-
gleich und in erster Linie ein, weil sich das volkstüm-
liche, »frühe« Denken überhaupt primär in einer Bil-
derwelt bewegt. Der Schmuck kommt nicht hinzu,
sondern der Gedanke hat schon beim Entstehen die
Bildgestalt. Es ist derselbe Fall wie bei den ersten gei-
stigen Erkenntnissen, die ein Volk ausspricht: sie
kommen nicht als Sentenzen, sondern als Bilder zur
Welt. Wie hätte sich der unausschöpfbare Schatz von
bildgesättigten Sprichwörtern, von Märchen und Sa-
gen anhäufen können, wenn nicht voreinst der Bild-
geist die beherrschende Macht im Volksgemüt ge-
wesen wäre, so daß diesem alles, was es berührte, zur
plastischen, bunten Erscheinung, zur wunderbaren
Fabel, zur sinnfälligen Mythe wurde! Im Laufe der
 
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