Overview
Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 52.1941

DOI article:
Hildebrandt, Hans: Ein paar Worte über Proportion
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.12314#0376

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
368

EIN PAAR WORTE ÜBER PROPORTION

Beim künstlerischen Gestalten jeder Art, begin- zu erheben, während das andere das gleichgültige
nend bei der erhabensten Schöpfung der freien Mittelmaß nicht übersteigt oder vielleicht gar das
und endend bei dem bescheidensten, zweckverhafte- Auge beleidigt, weil seine Proportionierung nicht be-
ten Erzeugnis der angewandten Kunst, spielt die friedigt. Kulturen von besonders hochgezüchteter
Proportionierung eine entscheidende Rolle. Ihre Feinheit des künstlerischen Empfindens, wie die grie-
glückliche Bildung adelt den schlichtesten Stoff, ihre chische oder die ostasiatische in ihren besten Zeiten,
Vernachlässigung macht die reichste Ausführung un- haben darum ihre gestaltende Kraft in erster Linie an
wirksam. Die schöpferische Erfindung erprobt sich die Lösung der Verhältnisbildung gewendet. Auch
stets vor allem an dem Wesentlichen eines Kunst- haben manche der schöpferisch stärksten Persönlich-
erzeugnisses, an seiner Form, während sein Schmuck keiten - wie z. B. Leonardo da Vinci und Dürer -
immer eine Zutat bleibt, die herbeigerufen werden es nicht verschmäht, den Gesetzen nachzuspüren,
mag, wenn die Zeitkultur nach ihr verlangt, aber auf denen die Vollendung der Proportionen ruht,
auch fortgelassen werden kann, ohne daß die künst- Auf Einzelheiten kann hier freilich nicht eingegan-
lerische Leistung einer Kultur deshalb verarmte. Die gen werden. Wohl lassen sich manche Gesetzmäßig-
Wirkung der Form aber wird bestimmt durch ihre keiten harmonischer Formbeziehungen auf ähnliche
Verhältnisse. Von zwei Kunsterzeugnissen der näm- Weise in Zahlenverhältnissen ausdrücken wie jene
liehen Grundform, der nämlichen Aufbauelemente der miteinander harmonierenden Töne. Allein eines
und formalen Motive, derselben Materialzusammen- der bedeutsamsten harmonischen Verhältnisse spottet
Setzung und derselben Bestimmung vermag das eine der genauen zahlenmäßigen Erfassung: die »divina
sich nur durch die Vollkommenheit seiner Verhält- proportione«, die »göttliche« Proportion, wie die
nisse zum Range eines reinen und hohen Kunstwerks Künstler der italienischen Renaissance nannten, was

ARCHITEKT KAJ ENOLUND »ARBEITSPLATZ« SCHREIBTISCH: AHORN MIT HELLER LINOLEUMPLATTE
 
Annotationen