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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 52.1941

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Hildebrandt, Hans: Ein paar Worte über Proportion
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https://doi.org/10.11588/diglit.12314#0377

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INNEN-DE KORATI ON

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»esszimmer in der wohnuno des architekten« tisch und stöhle: dunkel gebeizt, lampe: verchromt

wir in verwandter Wertung als »Goldenen Schnitt«
bezeichnen. Er teilt bekanntlich eine Strecke derart,
daß ihr kleinerer Teil sich zum größeren verhält wie
dieser wiederum zum Streckenganzen. Seine geheim-
nisreiche Wirkung erklärt sich auch daraus, daß er
im Bau der Organismen, nicht zuletzt im Bau des
menschlichen Körpers wieder und wieder zutage tritt.

Indessen kommt es und kam es niemals so sehr auf
das Wissen um die Gesetze harmonischer Verhältnis-
bildung an als auf ihre Anwendung, die wohl meist
lediglich intuitiv erfolgte. Bei vielen Erzeugnissen
der angewandten Kunst, von denen hier vorab die
Rede ist, ergeben sich nun schon aus ihrer Zweck-
bestimmung gewisse Proportionen, die zunächst Be-
rücksichtigung fordern, um dann umgedeutet zu wer-
den in künstlerische Proportionen. Dies gilt vornehm-
lich von den zu praktischem Gebrauch bestimmten
Gegenständen einer Wohnungseinrichtung. Sie ist
nur Dienerin des Menschen und muß nach seinen
Maßen gebildet werden. Ein Tisch etwa darf nur so
hoch sein, daß er dem an ihm Sitzenden eine bequeme
Plattform beim Essen, Arbeiten, Lesen bietet. Die

Höhe vom Boden, die Tiefe und Breite der Stuhlsitz-
fläche haben sich danach zu richten, daß die Füße des
Sitzenden auf dem Boden ruhen und daß die Ober-
schenkel genügenden, doch nicht überschüssigen
Platz finden, die Höhe der Rückenlehne nach der
normalen Rückenhöhe des sich an sie Lehnenden.
Die ebene Fläche einer Anrichte muß armgerecht lie-
gen, damit es weder einer Kraftanstrengung bedarf,
um Platten und Teller auf die überhöhte aufzusetzen,
noch eines Sichhinabbeugens, um sie abzuheben. Der
Griff eines Messers soll sich der Hand anschmiegen.
Bei einer Kanne wird die natürliche Handhaltung
während des Ausgießens wichtig für ihre Proportio-
nierung. Und so weiter. Allein diese durch den Zweck
eines Gegenstandes bedingten Formverhältnisse ge-
ben nicht mehr als Anweisungen dafür ab, was bei
der künstlerischen Durchbildung der Proportionen
auf keinen Fall außer acht gelassen werden darf.
Diese selbst schafft für das beseelte Auge und gesellt
dem Rationalen das Irrationale, dem Notwendigen
das Erfreuende und verwandelt das Nützliche in ein
Sinnvoll-Schönes. hans Hildebrandt
 
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