INN EN-DEKORATION
187
DIE FREUDE AM SCHÖNEN HAUSGERÄT
Hans Carossa erzählt in seinem meisterlichen Le-
bensbuche »Führung und Geleit«, wie er in jun-
gen Jahren durch das Beispiel eines Dichterfreundes
zum erstenmal auf die Ehrfurcht vor schön gestalte-
tem Hausgerät hingelenkt worden sei. Wie ja der
Mensch alles wieder lernen und sich lebendig zueignen
muß, was früheren Geschlechtern längst bekannt war,
so gibt es in jedem Menschenleben einmal ein Erwa-
chen zur Freude am Schönen. Sie scheint im Wechsel
der Generationen oft verloren zu gehen, aber ebenso
oft wird sie wieder gefunden. Hören wir Carossa:
»Wenn mir mein Freund Tee anbot, so bereitete er
ihn selbst, und keinem dienenden Wesen hätte er die
echten chinesischen Tassen, aus denen wir ihn ge-
trunken, zur Reinigung anvertraut. Ja, nie kam er
mir liebenswürdiger vor, als wenn er, von seinen Rei-
sen erzählend, seine kostbaren Schalen wie heilige
Kelche wusch und mit feinen Tüchern abtrocknete;
man fühlte dann, wie sie in seinen Händen unzer-
brechlich wurden, und daß er sie noch als Greis be-
sitzen werde. Diese tiefbegründete Freude an erlese-
nem Eigentum berührte mich doppelt wundersam in
einer Zeit, wo ich begonnen hatte, mir einen über-
spannten Begriff vom Segen der Besitzlosigkeit zu
machen. Schon als Kind wittert man ja etwas davon,
daß uns Menschen und Sachen ihre erfreulichste Seite
zeigen, solange wir nicht nach ihnen greifen. Weder
Lebendiges noch Unbelebtes hielt ich in jenen jünge-
ren Jahren gerne fest . . . Behaglich schöne harmo-
nische Einrichtungen konnte ich bei andern hoch be-
wundern ; in der eigenen Wohnung war es mir immer
ziemlich einerlei gewesen, auf welchem Stuhl ich saß,
aus welchem Becher ich trank, in welchem Bett-
gestell ich schlief. Bei dem Freunde nun überkam es
mich zum erstenmal wie Erleuchtung, daß derjenige
einen sehr hohen Grad von Mündigkeit erreicht hat,
der sich aus der Überzahl geformter Dinge ein paar
einzig schöne wahrhaft zueignet, um dadurch gegen
Druck und Verlockung der übrigen Welt freier zu sein.«
Einen »hohen Grad von Mündigkeit« nennt es hier
der Dichter, wenn ein Mensch zur bewußten Wahl der
der schönen Dinge erwacht ist. Mit Recht! Denn un-
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DIE FREUDE AM SCHÖNEN HAUSGERÄT
Hans Carossa erzählt in seinem meisterlichen Le-
bensbuche »Führung und Geleit«, wie er in jun-
gen Jahren durch das Beispiel eines Dichterfreundes
zum erstenmal auf die Ehrfurcht vor schön gestalte-
tem Hausgerät hingelenkt worden sei. Wie ja der
Mensch alles wieder lernen und sich lebendig zueignen
muß, was früheren Geschlechtern längst bekannt war,
so gibt es in jedem Menschenleben einmal ein Erwa-
chen zur Freude am Schönen. Sie scheint im Wechsel
der Generationen oft verloren zu gehen, aber ebenso
oft wird sie wieder gefunden. Hören wir Carossa:
»Wenn mir mein Freund Tee anbot, so bereitete er
ihn selbst, und keinem dienenden Wesen hätte er die
echten chinesischen Tassen, aus denen wir ihn ge-
trunken, zur Reinigung anvertraut. Ja, nie kam er
mir liebenswürdiger vor, als wenn er, von seinen Rei-
sen erzählend, seine kostbaren Schalen wie heilige
Kelche wusch und mit feinen Tüchern abtrocknete;
man fühlte dann, wie sie in seinen Händen unzer-
brechlich wurden, und daß er sie noch als Greis be-
sitzen werde. Diese tiefbegründete Freude an erlese-
nem Eigentum berührte mich doppelt wundersam in
einer Zeit, wo ich begonnen hatte, mir einen über-
spannten Begriff vom Segen der Besitzlosigkeit zu
machen. Schon als Kind wittert man ja etwas davon,
daß uns Menschen und Sachen ihre erfreulichste Seite
zeigen, solange wir nicht nach ihnen greifen. Weder
Lebendiges noch Unbelebtes hielt ich in jenen jünge-
ren Jahren gerne fest . . . Behaglich schöne harmo-
nische Einrichtungen konnte ich bei andern hoch be-
wundern ; in der eigenen Wohnung war es mir immer
ziemlich einerlei gewesen, auf welchem Stuhl ich saß,
aus welchem Becher ich trank, in welchem Bett-
gestell ich schlief. Bei dem Freunde nun überkam es
mich zum erstenmal wie Erleuchtung, daß derjenige
einen sehr hohen Grad von Mündigkeit erreicht hat,
der sich aus der Überzahl geformter Dinge ein paar
einzig schöne wahrhaft zueignet, um dadurch gegen
Druck und Verlockung der übrigen Welt freier zu sein.«
Einen »hohen Grad von Mündigkeit« nennt es hier
der Dichter, wenn ein Mensch zur bewußten Wahl der
der schönen Dinge erwacht ist. Mit Recht! Denn un-