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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 52.1941

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Der Weg der europäischen Kultur
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https://doi.org/10.11588/diglit.12314#0329

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INNEN-DEKO RAT I 0 N

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HAUS TYP 3 (HOLZER) »SCHLAF-UND ARBEITSZIMMER DES JUNGEN« MÖBEL: RÜSTER NATUR, WÄNDE UND DECKE: HELLE TAPETE

DER WEG DER EUROPÄISCHEN KULTUR

Das Denken einer seit kurzem abgeschlossenen
Vergangenheit hat sich ablehnend zum Begriff
eines kulturellen »Fortschritts« gestellt - aus keinem
andern Grunde als dem, daß dieser Begriff vorher aus-
' giebig mißbraucht worden war. Redet uns nicht von
Fortschritt, sagten die Starkgeister; stand nicht die
Kultur der Inka, die Kultur Alt-Chinas auf einer
höheren Stufe der Ordnung, der Einheit, des lebens-
vollen Zusammenhanges als die vielgerühmte Kul-
tur des 19. Jahrhunderts ? Babylonische Könige lie-
ßen sich abbilden mit Körben auf dem Haupt, in
denen sie die Ziegelsteine zum Tempelbau herantru-
gen. Lag in diesem allgemeinen Dienst an einem Na-
tionalheiligtum nicht ein höherer Kulturbegriff als in
der schnöden Kastenteilung späterer Zeiten ? Und so
ließen sich vielerorts Deklamationen gegen den Be-
griff eines durch die Weltgeschichte sich hinziehenden
kulturellen Aufstiegs vernehmen. - Aber ein echter
Begriff vom Fortschreiten der menschlichen Kultur
läßt sich nicht aus der Gegenüberstellung herausge-
schnittener Einzelheiten gewinnen. Er kann sich nur
aus dem großen Überblick über den gewaltigen Zeiten-

gang ergeben. Und da zeigt sich, daß eben doch das
Fortschreiten ein wesentliches Merkmal der Mensch-
heitsgeschichte ist, ein Fortschreiten auf der großen
Wanderung des Menschen zu sich selbst. Denn der
Mensch ist sich selber ursprünglich das unbekannte-
ste aller Geschöpfe. Erst allmählich lernt er sich ken-
nen. Er muß viele Erfahrungen hinter sich bringen,
bis er lernt, sich zu bejahen. Die Kulturgeschichte
läßt sich betrachten als die Geschichte der Bewußt-
seinsakte, durch die der Mensch seiner fortschreiten-
den Selbsterkenntnis Rechnung trägt. Im Mittelalter
war der Bauer genau so wie heute der Erzeuger der
täglichen Nahrung. Der Arbeiter, der Handwerker
trug damals wie heute zu einem entscheidenden Teile
das wirtschaftliche Leben und Gedeihen des Volkes.
Aber einen Ausdruck dieses Sachverhaltes in der kul-
turellen Einstufung dieser Stände wird man im Mit-
telalter keineswegs überall finden. Bis ins Zeitalter
der Bauernbefreiung, anfangs des 19. Jahrhunderts,
reicht die gedankenlose Unterdrückung und Vernach-
lässigung der schaffenden Stände. Wer wollte es nicht
einen Fortschritt nennen, daß Bauer und Arbeiter in-
 
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