EINIGES ÜBER FÄLSCHERKÜNSTE
Ippolito und die Regierung führte, das Bild
solle nach Mantua geschickt werden. Ottaviano
müßte kein Medici gewesen sein, wenn er diesen
Befehl sogleich ausgeführt hätte. Wie sie alle,
kunstsinnig, habsüchtig und schlau, sann er auf
einen Ausweg und fand ihn. Er antwortete dem
Papste, der Rahmen des Bildes wäre schad-
haft, sobald er erneuert und vergoldet sei, werde
er das Bild dem Herzog schicken. Inzwischen
aber bestellte er Andrea del Sarto, den größten
Koloristen, den die Florentiner Schule hervor-
gebracht hat, zu sich, erzählte ihm den Sach-
verhalt und trug ihm auf, insgeheim hier im
Palaste eine ganz genaue Kopie des Gemäldes
herzustellen. Andrea entledigte sich denn auch
dieser Aufgabe so glücklich, daß Ottaviano selbst
die beiden Bilder, als er ihrer ansichtig wurde,
nicht voneinander unterscheiden konnte. Nun
wurde die Kopie Andreas nach Mantua geschickt
zum Entzücken Federigos und seines Hofmalers
Giulio Romano, des Lieblingsschülers Raffaels,
KARL MÜLLER ST. URBANI-KELLER
Ausstellung der Wiener Secession
das Original aber behielt Ottaviano in seinem
Hause, bis es ihm nachmals vom Herzoge Cosmo
wieder abverlangt wurde. Alle Teile waren
somit aufs beste befriedigt. Da kam gegen
zwanzig Jahre später Giorgio Vasari nach
Mantua. Er war als Knabe Schüler bei Andrea
del Sarto und ein Liebling des Magnifico Otta-
viano gewesen und hatte in dessen Palaste den
ganzen Handel mit dem Bildnisse Leos X. mit
angesehen. Als ihm nun in Mantua Giulio Ro-
mano die Kunstschätze der Gonzagen zeigte und
zuletzt als das beste das Papstbild seines un-
vergleichlichen Meisters, dem er bei der Aus-
führung seiner späteren Gemälde selbst viel-
fach Hilfe geleistet hatte, konnte Vasari doch
die Bemerkung nicht unterdrücken: „Ja, ja, das
Werk ist sehr schön, aber von der Hand Raffaels
ist es nicht." — „Wie, nicht?" fuhr Giulio auf.
„Ich sollte das nicht wissen, da ich die Pinsel-
striche noch sehe, die ich selbst an dem Bilde
gemacht habe?" — „Dann habt Ihr Eure Pinsel-
striche vergessen," antwortete Vasari und er-
zählte nun die ganze Geschichte der Fälschung,
und daß schließlich Andrea del Sarto, um der
Verwechslung der beiden Exemplare vorzubeu-
gen, an der Schmalseite seiner Kopie seinZeichen
angebracht habe. Sie nahmen das Bild aus dem
Rahmen, und an der betreffenden Stelle fand
sich wirklich das Zeichen Andreas, die beiden
übereinandergestülpten A, die Andrea d'Agnolo
bedeuten. Andreas Kopie ist wirklich so genau,
daß noch 1841 Antonio Nicolini die Autorschaft
Raffaels für sie in Anspruch nahm, worauf in
echt italienischer Weise eine Reihe von Streit-
schriften zwischen toskanischen und neapoli-
tanischen Schriftstellern gewechselt wurde, ohne
natürlich in den Augen Unbefangener etwas an
dem eben erzählten Sachverhalte zu ändern." —
Dieser Fall blieb nicht vereinzelt; widerfuhr
diese Fälschung Raffael kurz nach seinem Tode,
so hatten andere große Meister schon zu ihren
Lebzeiten unter den auf Täuschung angelegten
Kopien zu leiden. Wie bitterlich sich Dürer
darüber beklagte, ist bekannt. Einige der Dürer-
Imitationen wurden als Arbeiten des „Meisters
vom Tode Mariä" erkannt, der so „liebreizende
Marienbilder gemalt hat", wie sie selbst Dürer
nicht gelangen, der sich aber trotzdem nicht
scheute, seinen Gemälden die berühmte und
begehrte Marke Dürers mit auf den Weg zu
geben, um sie besser verkäuflich zu machen.
Auch von Claude Lorrain ist es bekannt, daß
er sich schon frühzeitig seiner Nachahmer kaum
zu erwehren vermochte. Um seinen eigenen
Arbeiten die Authentizität zu sichern, kam er
auf die Idee, ein Buch zu führen, in dem er
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Ippolito und die Regierung führte, das Bild
solle nach Mantua geschickt werden. Ottaviano
müßte kein Medici gewesen sein, wenn er diesen
Befehl sogleich ausgeführt hätte. Wie sie alle,
kunstsinnig, habsüchtig und schlau, sann er auf
einen Ausweg und fand ihn. Er antwortete dem
Papste, der Rahmen des Bildes wäre schad-
haft, sobald er erneuert und vergoldet sei, werde
er das Bild dem Herzog schicken. Inzwischen
aber bestellte er Andrea del Sarto, den größten
Koloristen, den die Florentiner Schule hervor-
gebracht hat, zu sich, erzählte ihm den Sach-
verhalt und trug ihm auf, insgeheim hier im
Palaste eine ganz genaue Kopie des Gemäldes
herzustellen. Andrea entledigte sich denn auch
dieser Aufgabe so glücklich, daß Ottaviano selbst
die beiden Bilder, als er ihrer ansichtig wurde,
nicht voneinander unterscheiden konnte. Nun
wurde die Kopie Andreas nach Mantua geschickt
zum Entzücken Federigos und seines Hofmalers
Giulio Romano, des Lieblingsschülers Raffaels,
KARL MÜLLER ST. URBANI-KELLER
Ausstellung der Wiener Secession
das Original aber behielt Ottaviano in seinem
Hause, bis es ihm nachmals vom Herzoge Cosmo
wieder abverlangt wurde. Alle Teile waren
somit aufs beste befriedigt. Da kam gegen
zwanzig Jahre später Giorgio Vasari nach
Mantua. Er war als Knabe Schüler bei Andrea
del Sarto und ein Liebling des Magnifico Otta-
viano gewesen und hatte in dessen Palaste den
ganzen Handel mit dem Bildnisse Leos X. mit
angesehen. Als ihm nun in Mantua Giulio Ro-
mano die Kunstschätze der Gonzagen zeigte und
zuletzt als das beste das Papstbild seines un-
vergleichlichen Meisters, dem er bei der Aus-
führung seiner späteren Gemälde selbst viel-
fach Hilfe geleistet hatte, konnte Vasari doch
die Bemerkung nicht unterdrücken: „Ja, ja, das
Werk ist sehr schön, aber von der Hand Raffaels
ist es nicht." — „Wie, nicht?" fuhr Giulio auf.
„Ich sollte das nicht wissen, da ich die Pinsel-
striche noch sehe, die ich selbst an dem Bilde
gemacht habe?" — „Dann habt Ihr Eure Pinsel-
striche vergessen," antwortete Vasari und er-
zählte nun die ganze Geschichte der Fälschung,
und daß schließlich Andrea del Sarto, um der
Verwechslung der beiden Exemplare vorzubeu-
gen, an der Schmalseite seiner Kopie seinZeichen
angebracht habe. Sie nahmen das Bild aus dem
Rahmen, und an der betreffenden Stelle fand
sich wirklich das Zeichen Andreas, die beiden
übereinandergestülpten A, die Andrea d'Agnolo
bedeuten. Andreas Kopie ist wirklich so genau,
daß noch 1841 Antonio Nicolini die Autorschaft
Raffaels für sie in Anspruch nahm, worauf in
echt italienischer Weise eine Reihe von Streit-
schriften zwischen toskanischen und neapoli-
tanischen Schriftstellern gewechselt wurde, ohne
natürlich in den Augen Unbefangener etwas an
dem eben erzählten Sachverhalte zu ändern." —
Dieser Fall blieb nicht vereinzelt; widerfuhr
diese Fälschung Raffael kurz nach seinem Tode,
so hatten andere große Meister schon zu ihren
Lebzeiten unter den auf Täuschung angelegten
Kopien zu leiden. Wie bitterlich sich Dürer
darüber beklagte, ist bekannt. Einige der Dürer-
Imitationen wurden als Arbeiten des „Meisters
vom Tode Mariä" erkannt, der so „liebreizende
Marienbilder gemalt hat", wie sie selbst Dürer
nicht gelangen, der sich aber trotzdem nicht
scheute, seinen Gemälden die berühmte und
begehrte Marke Dürers mit auf den Weg zu
geben, um sie besser verkäuflich zu machen.
Auch von Claude Lorrain ist es bekannt, daß
er sich schon frühzeitig seiner Nachahmer kaum
zu erwehren vermochte. Um seinen eigenen
Arbeiten die Authentizität zu sichern, kam er
auf die Idee, ein Buch zu führen, in dem er
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