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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 52.1936-1937

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Eckstein, Hans: Maillol: zu seinem 75. Geburtstag
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https://doi.org/10.11588/diglit.16484#0099

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Maillol in seinem Atelier

Maillol. Zu seinem 75. Geburtstag. Von Hans Eckstein

Am 8. (nach anderen Quellen am 2 5.) Dezember
vollendet Aristide Maillol sein fünfundsiebzigstes
Lebensjahr. Mit seinem Namen ist die Vorstellung
von Fülle der Formen, von Größe und Einheit ver-
bunden, von einer plastischen Kraft, wie sie nur
beste griechische Werke haben. Wenn je die Sehn-
sucht nach der Klarheit, Einfachheit und sinnen-
lichen Unmittelbarkeit der Antike zu wahrer Klas-
sik und nicht zu bloßem Klassizismus, zu Ebenbür-
tigem und nicht bloß Nachgeahmtem führte, so bei
Maillol.

Als Maillol. der bis dahin nur kleine Skulpturen
geschaffen hatte. 1905 zum erstenmal eine größere
Plastik ausstellte, war es Rodin, der diesem Mei-
sterwerk den besten Platz im Salon bestimmte. Das
war nicht nur eine noble Handlung des großen, in
aller Welt verehrten Meisters von Meudon. Es war
auch eine symbolische Handlung: Rodin setzte den
Jüngeren, dessen große Begabung er bewunderte,
als seinen Nachfolger ein. Für uns, die wir das Le-
benswerk beider Künstler überschauen und die
Wirkung kennen, die von Rodin auf die ältere, von
Maillol auf die jüngere Generation ausging, be-
greifen die Symbolik der Handlung in einem um-
fassenderen Sinne, als sie damals Rodin bewußt
sein konnte. Wir wissen, daß Maillol als ein weit
über die Grenzen seines Vaterlandes hinausgewach-
sener Meister im Reiche der abendländischen Bild-

nerei nicht nur Rodins Nachfolger geworden ist.
Er hat die große Epoche der französischen Kunst,
die in Rodin, soweit es die Plastik betrifft, ihren
höchsten Ausdruck und mit ihm auch ihren Ab-
schluß gefunden hatte, in eine neue Entwicklung
übergeleitet, die sich vielleicht nicht mehr so aus-
schließlich in Frankreich vollziehen wird: er hat
den "Weg zu einer neuen europäischen Monumen-
talkunst gewiesen. Denn auch das liegt in dem
echten Griechentum dieser Kunst begründet, daß
sie die Grenzen der bürgerlichen Kunst des
19. Jahrhunderts sprengt und ihrem ganzen Wesen
nach einen weiteren Wirkungsraum beansprucht,
eine Aufstellung unter freiem Himmel in Verbin-
dung mit Natur, Architektur. Welt und Volk. Es
wurden dazu freilich dem Bildhauer bisher kaum
Gelegenheiten und Möglichkeiten gegeben: ein
Symptom für das verbildete Formgefühl der Zeit;
— zu den wenigen Ausnahmen gehört das Denk-
mal für Cezanne, das heute im Tuileriengarten
steht, und ein Denkmal für die Gefallenen des
Krieges in Maillols Heimatort Banyuls an der
Meeresküste vor den Pyrenäen. Die Plastik des
19. Jahrhunderts war. insofern sie überhaupt Qua-
lität hatte, eine Liebhaber- oder doch eine Bil-
dungskunst. Maillols Plastik aber darf man eine
Volkskunst nennen, wenn man darunter nicht eine
Kunst der Zugeständnisse an den verbildeten Ge-

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