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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 52.1936-1937

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Haider, Ernst: Zu meinen Bildern
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https://doi.org/10.11588/diglit.16484#0136

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I

Ernst Haider. Frühling. 1936

bei der immerhin nahen Verwandtschaft, doch nicht
wundernehmen! Wie ich im übrigen zu seiner
Kunst stehe, kann man aus der Biographie ersehen,
die ich im Jahre 1926 über ihn geschrieben habe
(,,Karl Haider. Leben und Werk eines süddeut-
schen Malers", Verlag B. Filser, Augsburg). Ich
bin stolz darauf, daß es mir gelang, diese bewußt
gegen die Zeit der Nachkriegszersetzung gewendete
Arbeit herauszubringen. ,,Groß und mächtig ge-
deiht nur der Baum, der seine Wurzeln tief und
weit in heimatlichen Boden senkt" (S. 85). — Ge-
gen noch etwas anderes wehre ich mich: nämlich,
in die Schublade „Bomantiker" hineingelegt zu
werden! Solange ich lebe, verbitte ich mir das An-
kleben von Etiketten. Wir alten Soldaten sind nicht
mehr romantisch, wir sehen im Gegenteil die Dinge
eher allzu scharf. Freilich, wenn eben der ein Bo-
mantiker sein soll, der an Seele und Geist glaubt,
dann will ich diesen Titel in Ehren tragen. Denn an
den bewegenden Geist glaube ich wahrhaftig.
,,Ernst, das kann ich dir sagen: zeichnen, zeichnen
und wieder zeichnen!" Diesen Bat hat mir jungem
Kerl einmal mein Vater gegeben. So hab ich von
1910 bis zum Kriegsausbruch keinen Pinsel ange-
rührt und bab nur fleißig Kopf, Akt und Land-

schaft gezeichnet. Wie ich im Jahre 1928 in Nürn-
berg die große Dürer-Gedächtnis-Ausstellung sah,
war ich vor allem tief bewegt von den unübertreff-
lichen Zeichnungen des Meisters, von der Kraft,
Sicherheit und genial-vielseitigen Ausdrucks!ähig-
keit seiner Hand. Und ich glaube: einzig über diese
strenge Schulung der Hand und des Auges, über ein
gründliches Handwerk kann der Weg zur Kunst
gehen. Freilich ist Handwerk erst die Vorausset-
zung, es gibt auch ein formelhaftes Erstarren im
Handwerklichen, wenn es Selbstzweck wird, oder
wenn es zur spielerischen Virtuosität wird. Albrecht
Dürer hat einen Ausspruch getan, der für mich zum
Größten gehört, was je über die Kunst gesagt
wurde: „Wahrhaftig ruht die Kunst in der Natur.
Wer sie heraus kann reißen, der hat sie." In dem
ersten Satz fühlen wir die tiefe Ehrfurcht, die die-
ser große Mensch vor der Schöpfung hatte, wir
fühlen seine Demut vor dem Schöpfer. In dem zwei-
ten fühlen wir den Kampf, dieses Bingen mit dem
Engel (nicht umsonst hat es Bembrandt immer wie-
der dargestellt), und wir spüren auch den Stolz und
die Freude des Schaffenden, des Starken. ,,Beißen"
hat er gesagt. Nicht Nachahmung der Natur, son-
dern ein starkes Herausstellen des inneren Ein-

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