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Zeitschrift des Kunst-Gewerbe-Vereins zu München — 1886

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Heft 1/2
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Vermischte Mitteilungen
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Unsere kunstgewerblichen Musterblätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.6901#0023

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'Vermischte <I)Mhejlungen.

Egerländer Nähwerke. In der Ausstellungshalle unseres
Vereines befinden sich unter der reichen Auswahl weiblicher kjand-
arbeiten eine Reihe von dekorativen Nähereien, welche durch ihre
Originalität besonders in die Augen springen. Es sind dies soge-
nannte Egerländer Nähwerke, im Egerländer Dialekt einfach „Gnah-
wrik" also „Nähwerk" genannt.

Dieselben sind echt Egerländer Ursprungs, eine reine Egerländer
bpezialität, die wir in gleicher Weise und in ebensolcher Vollkommen-
heit der Bewahrung der ursprünglichen volksthümlichen Idee noch
nirgends besser zu finden Gelegenheit hatten.

Die Mädchen und Frauen des Egerländer Bauernstandes trugen
an Sonn- und Festtagen diese Nähwerke aufgestülpt am Ende der
kurzen bauschigen kjemdärmel, die bis an den mittleren (Oberarm
reichten; nur sehr selten und vereinzelt kamen sie auch an Männer-
hemden als schmale bjalskrägen und Manschette vor. Was die Ent-
stehung dieser Nähwcrke betrifft, so datiren dieselben unserer Meinung
nach in die Zeit der Entwickelung bester volksthümlichcr Kunst, in
das fünfzehnte Jahrhundert zurück.

Mit einiger Sicherheit ist anzunehmen, daß der Anstoß zur Ent-
stehung dieser Nähwerke von dem Kloster der Klarissinnen in Eger,
dem Stifte St. Klara, gegeben wurde; dieses Kloster wurde im \5.
Jahrhundert gegründet und war im \5. Jahrhundert in seiner höchsten
Entwickelung. Es ist bekannt, daß in diesem Kloster zu der besagten
Seit eine ganz außergewöhnliche Kunstfertigkeit in weiblichen bsand-
arbeiten Uebung fand. — Daß speziell der schaffende Volksgeist an
diesen Näharbeiten stets gewaltet hat, beweisen uns einzelne, nur
volksthümlichcr Fantasie entsprungene Muster; z. B. das sogenannte
ksahnenmuster, das zwei prächtige Blumen als Federn tragende bjähne,
natürlich ornamental gedacht, als kjauxtmotiv trägt; ferner das
Fächermuster mit fächerartigem bjauptornament. Bemerkenswerth ist
es auch, daß für den Fall des Todes eines Familien,nitgliedes oder
für im Alter schon vorgerückte Frauen, eigens für diese Zwecke be-
stimmte Nähwerke in Verwendung kamen, und zwar waren diese in
der kjauptfarbe schwarz und trugen andere, von den gewöhnlichen
ganz abweichende Muster.

Das Egerländer Nähwerk ist eine Manschette von circa 20 ctm.
Tänge und circa ctm. Breite inklusive der genähten Spitzen; das-
felbe hat stets weiße, gewöhnliche ljausleinwand zum Grundstoffe, auf
dem dann die «Ornamente entweder ganz in Seide, wie es bei den
ältesten Nähwerken der Fall ist, oder theilweise mit Seide, theilweise
Mit Baumwolle oder auch ganz mit Baumwollgarnen, wie dies ins-
besondere in der letzten Zeit geschah, mit der Nadel gestickt sind; cs
>st also alles mit größeren oder kleineren Nadelstichen ausgeführt.

Das Nähwerk selbst ist in drei streifenartige Abthcilungen, von
denen jede unabhängig von der andern ist, getheilt; der mittlere, circa
9 ctm. breite Streifen ist der Träger des kjanptornamcnts und daher
der bjaupttheil des Nähwerkes; an diesen schließen sich nun oben und
unten je ein schmaler, zwei bis drei Eentimeter breiter Streifen an,
beide sind mit gleichem, fortlaufendem, meist von der Mitte aus
wachsendem Blumen- und Blätterornamcnt versehen; die untere Seite
des Nähwerkes endigt mit kleinen genähten Schlingen, während die
obere Seite mit klöxpelartig genähten, zwei bis drei Eentimeter breiten
Spitzen endigt.

Die meist verwendete Farbe der starken, perlartigen oder auch ge-
drehten Nähseide ist ein abgetöntes Lichtblau oder auch violetblau;

dann erscheint ein etwas strohgelb angehauchtes, antik ausschendes
und mitunter auch ein bläulich angehauchtes Weiß von Nähseide;
weniger findet man orange-gelbe Seide, ebenso wenig schwarze Seide —
die Nähwerke für Trauerfälle ausgenommen — verwendet; sehr selten
findet sich Roth und gar nie, wenigstens bei den älteren guten Näh-
werken, Grün in Verwendung. —

Der volksthümliche künstlerische Gedanke des Egerländer Näh-
werkes entwickelt sich von der Mitte desselben aus und zwar derart,
daß entweder ein bjerz oder ein vascnartiges Gefäß mit geschwungenen
kjenkeln, oder auch eine mit Blumen verzierte Schale oder ein Körbchen
das Mittel bilden; daraus wächst nun eine größere (Ornamentblume
inmitten gerade empor; an diese schließen sich links und rechts in der
Mitte der breiten Seiten dieselben Blumen in wagrechter Richtung an,
von denen ans wieder kleinere Blumen und Blätter gegen die Ränder
hin abschließen; die durch dieses Arrangement entstehenden leeren
Räume sind meist in so prächtiger Art, auch mit Blätterwerk oder
einfachen, kleinen Blumen ausgefüllt, daß der heutige, beste Muster-
zeichner dieser volksthümlichen verwerthungsweise des gegebenen Raumes
nicht besser entsprechen könnte. Die beiden schmalen Ränder oben und
unten enthalten meistens ein anderes selbstständiges Motiv, das auch
wie bei der bjauxtabtheilung von der Mitte aus wächst.

An die obere Seite schließen sich, wie wir schon erwähnt haben,
sechs bis sieben halbbogenartige, mit kleinen Zacken versehene Spitzen
an, die dem ganzen einen anmuthigen, lebendigen Abschluß verleihen.

Wir möchte» hier auf die prächtige Wirkung dieser, in Farben
mit der Nadel ausgeführten Spitzen aufmerksam machen und auf die
Einführung derselben Hinweisen. —

Wir finden die Ansicht, die kjering in seinem Werke über die
Mode — betreffs des Werthes der Produkte der Mode und jener der
Volkstracht ausgesprochen hat, bei den Egerländer Nähwerken auf das
Glänzendste bestätigt; er sagt: Das Rcbergewicht der Volkstracht gegen-
über der Mode in ästhetischer Beziehung liegt in der Dauerhaftigkeit
der Ersteren. Die Volkstracht hat Zeit, einen gewissen Typus der
Kleidung vollständig durchzubilden und etwas wirklich Schönes und
Eharakteristisches zu schaffen, während die Mode stets ihr eigenes Werk
zerstört und Ansätze zum Schönen nicht weiter verfolgt. — Das Ge-
sammtbild des Egerländer Nähwerkes ist in seiner, mit einfachen
Mitteln wirkenden Farbenpracht ein fremdartiges, es ähnelt dem
orientalischen Lharakter und überrascht jeden Sachverständigen, dem es
das erstemal zu Gesicht kommt. Ls ist daher auch leicht begreiflich,
daß diese Nähwerke bei der Damenwelt großen Beifall, große Ver-
wendung und Beliebtheit als kjalskragen und Manschetten gefunden
haben. Wir haben Gelegenheit gehabt, neu gestickte große Krägen
moderner Form und ebensolche Manschetten zu sehen, die in der Farben-
Wirkung und im Effekte überhaupt prächtig waren.

Es giebt im Egerlande nur noch ganz vereinzelt Bauersfrauen,
welche die Fertigung solcher Nähwerke hie und da betreiben.

Wir nehmen Veranlassung, die Bestrebungen, die auf Wieder-
belebung der Verwendung der Egerländer Nähwerke gerichtet sind,
freudigst zu begrüßen und denselben besten Erfolg zu wünschen, denn
es ist ja ein Stück volksthümlicher, echt deutscher Kunstfertigkeit, das
dadurch dem verfalle, ja dem gänzlichen verschwinden und der Ver-
gessenheit entrissen werden soll.

Josef Earl Errl.

Unsere kunstgewerblichen <I)usterblMer.

Tafel { & 2. Tafelaufsah von Silber. Ehrengeschenk
2r. Majestät König Ludwig II. von Bayern zur III. Säcularfeier der
Universität Würzburg. Entworfen und ausgeführt von Professor
Udolph Ljalbreiter (München).

Dieses Meisterwerk der Kleinkunst, welches in allen Fach- und
Künstlerkreisen die allseitigste Anerkennung gefunden hat, ist in An-
betracht seines Zweckes und in Anbetracht des außerordentlich feier-

lichen Anlasses, welchem dasselbe seine Entstehung verdankt, mit vollem
Rechte in monumentalem Aufbaue komponirt. Au der Stirnseite des
architektonischen Körpers prangt das Bildniß des Allerhöchsten Pro-
tektors und Donators; auf der über demselben angebrachten Inschriften-
tafel ist in gedrängter Kürze die Widmung zum Ausdrucke gebracht.
Dieselbe hat folgenden Wortlaut: »Uudovicus II Lavariae Rex Uni-
versität! Julio-Maximilianeae tertiis Saecularibus dedicavit.«
 
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