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Zeitschrift des Kunst-Gewerbe-Vereins zu München — 1886

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Heft 5/6
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Haushofer, Max: Ueber das Gold
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https://doi.org/10.11588/diglit.6901#0042

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4- 54 -§■

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von vr. IRarl

S® Xc die Entwicklung des Menschengeschlechtes
M von den dunklen Zeiten seiner ersten Aultur-
i| ansänge bis auf die ruhelose Hast unserer
" Tage verweben sich gewisse Naturstoffe und
Kräfte so innig, daß auch sie ihre Geschichte haben —
auftauchen, mächtig in die Schicksale des Einzelnen und
ganzer Völker eingreifen, Fluch und Segen bringen, manch-
mal plötzlich wieder in die Vergessenheit versinken oder
durch andere Gebilde langsam verdrängt werden. Einzelne
solche Dinge stehen wie Marksäulen an den Wendepunkten
der Kulturgeschichte, andere hasten in ihrer Wirksamkeit
unablässig an den Geschicken des Menschen und verketten
sich mit allen feinen Bedürfnissen, seinen Leidenschaften,
feinen Triumphen und feinen Niederlagen.

Unter diesen Trägern und Werkzeugen des menschlichen
Fortschrittes spielen die Metalle wegen ihrer ausgezeichneten
Bildsamkeit und Dauer eine bedeutsame Rolle und viele
von ihnen wurden deßhalb schon in grauer Vorzeit zu
Werthmesser. Keines aber kam in seinem Einflüsse der
dämonischen Macht gleich, welche das Gold zu allen Zeiten
auf die Völker der Erde ausübte. Der gleiche fieberhafte
Drang nach dem gelben Edelmetalle, welcher die Phönizier
durch unbekannte Meere an die wüsten Gestade vonOphir
getrieben, hetzt den Digger unserer Zeit in die Veden der
kalifornischen und australischen Goldfelder. Wie eine ver-
sengende Flamme züngelt das Gold durch die Geschichte
aller Jahrhunderte und erzählt von dem Untergang, den
es über gewaltige Königspaläste, über stolze Städte und
blühende Nationen gebracht, von dem Fall Ninive's,
Babylons und Ktesiphons bis zu dem Todeskampf, in dein
das edle Volk der Inka's der Goldgier weißer Konquistatoren
erbarmungslos aufgeopfert wurde. Es ist wohl möglich,
daß der Segen und das Unheil, welche sich an das Gold
knüpften, im Ganzen sich die Waage halten, gewiß aber
auch, daß, wenn das Blut, das um das gelbe Metall
geflossen ist, unvertilgbar an ihm haften geblieben wäre,
alles Gold in unheimlicher Purpurfarbe leuchten müßte.

Solch ein zaubergewaltiger Stoff mag eine gedrängte
Betrachtung der Verhältnisse, in welchen er zunr Haushalte
der Natur und des Menschen steht, rechtfertigen, selbst
wenn dabei wesentlich neue Beziehungen sich nicht ergeben.

Der Begriff der Edelmetalle, zu welchen das Gold in
erster Linie gehört, beruht nicht blos auf einer Werth-
fchätzung derselben, sondern läßt sich auch wissenschaftlich
ziemlich scharf abgrenzen. Er schließt alle jene Metalle
ein, welche unter gewöhnlichen Verhältnissen weder an
feuchter Luft noch in der Glühhitze oxydirt werden oder
rosten, deren Vxyde sogar in der Glühhitze ohne weiteres
wieder zu Metall werden. Außer dem Gold und dem
Silber ist noch das Platin und einige seltenere, dem Platin
ähnliche und gewöhnlich in Gesellschaft mit demselben vor-
kommende Metalle: das Palladium, Iridium und Rhodium
dem Kreise der Edelmetalle zuzuzählen. Die nächste
Anwartschaft, eine Art von Halbadel müßte man dem
Quecksilber zuerkennen, welches sich auch unter gewöhnlichen
Verhältnissen an der Luft nicht oxydirt und beim Glühen

Dausboker.

aus einem Vxyd wieder hergestellt wird. Sein niedrig
liegender Schmelzpunkt, vermöge dessen es bei gewöhnlicher
Temperatur flüssig erscheint, läßt es in die Reihe der
münzbaren Metalle nicht eintreten; in mancher anderen
Hinsicht ist es dem Silber und Gold sehr nahe verwandt.
Unter den verschiedenartigen Beziehungen, welche man
zwischen der Beschaffenheit der Metalle in chemischer und
physikalischer Hinsicht einerseits und ihren Werthverhältnissen
andererseits auffinden zu können glaubte, bleibt jedenfalls
eine Thatfache bemerkenswerth. Es ist diejenige, daß die
Edelmetalle zu den schwersten Körpern gehören, die man
kennt. An der Spitze derselben steht das Iridium, welches
22 mal so schwer ist als ein gleich großer Wasserkörper;
dann folgt das Platin, dessen Eigenschwere 2l,5 beträgt,
hierauf das Gold mit einer Eigenschwere von ca. jfl.
Zwischen dem Gold und dem Silber besteht in dieser
Hinsicht ein großer Abstand, denn das Eigengewicht des
Silbers mit fO,fl ist wenig mehr als halb so groß wie das
des Goldes. In der Lücke steht jedoch das Quecksilber
mit \3,6r das Palladium mit p,8 und ein Plebejer —
das Blei mit \ f,5.

Es drängt sich hier die Frage auf, ob zwischen dem
hohen Eigengewicht besonders der drei erstgenannten Metalle
und der Seltenheit ihres Vorkommens auf der Erdoberfläche
ein gewisser ursächlicher Zusaminenhang zu suchen und zu
finden sei.

Mit unbedingter Sicherheit läßt sich freilich auf diese
Frage eine Antwort nicht geben, schon aus dem einfachen
Grunde, weil wir von der Beschaffenheit des Erdkörpers
nur sehr wenig kennen —, eine dünne Kruste, die sich zum
Ganzen verhält wie etwa die Haut eines Apfels zu feinem
Inhalte. Glücklicherweise gibt cs Thatsachen, welche uns
zu berechtigten Folgerungen über die Beschaffenheit des
Erdinnern führen, ohne daß wir nöthig hätten, allzugewagte
Hypothesen aufzubauen.

Durch eine ganze Reihe von sehr genauen und müh-
samen Arbeiten ist es festgestellt worden, daß die Eigen-
schwere der Erde ungefähr 5,5 ist, d. h., daß die ganze
Erdkugel 5'/-mal so viel wiegt als eine gleich große Kugel
von Wasser wiegen würde. Die Eigenschwere der uns
bekannten Gesteine der Erdrinde ist aber durchschnittlich nur
halb so groß; manche Gesteine, wie die Granite und
Trachyte sind etwas leichter, andere, wie gewisse basal-
tische Laven, etwas schwerer; man wird kaum einen
Fehler von Belang begehen, wenn man die Zahl 2,7 als
die mittlere Eigenschwere der uns bekannten festen Kruste
des Erdkörpers annimmt. Im Innern der Erde müssen
also viel schwerere Stoffe vorhanden sein als an der Vber-
fläche, um dem Ganzen die Eigenschwere von 5,5 zu geben
und nach mehrfachen Berechnungen, welche in dieser Richt-
ung angestellt wurden, muß der Erdkern mindestens eine
Eigenschwere von sO besitzen. Wenn wir diesen kaum
anzuzweifelnden Schluß berücksichtigen, müssen wir als den
hauptsächlichen Sitz der schweren Metalle eher die großen
Erdtiesen als die Oberfläche und das Vorkommen derselben
in der äußeren Hülle der Erde als das Resultat von
 
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