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Zeitschrift des Kunst-Gewerbe-Vereins zu München — 1886

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Heft 3/4
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Vereins-Chronik
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https://doi.org/10.11588/diglit.6901#0036

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Vereins-6hnonik.

X Die! erste diesjährige Wochenversammlung erösfnete am 3. Nov.
Ljerr Direktor L. Lange mit einer herzlichen Bewillkommnung der
zahlreich erschienenen Mitglieder, worauf Professor Or. Max Lsaus-
Hofer mit einer geistreichen Abhandlung über „Dilettantismus" den
Zyklus der programmmäßigen Wintervorträge begann. Der Redner
stellte zunächst den in Frage stehenden Begriff fest, der im Allgemeinen
dahin zu fassen sei, daß der Dilettantismus zu seinem Vergnügen eine
Thätigkeit betreibt, die von anderen als berufsmäßige Arbeit aus-
geübt wird. Darin beruhe auch weiterhin der Unterschied zwischen
ihm und dem Rünstler und Autodidakten. Der Dilettant wird zunächst
von dem allen Menschen innewohnenden Talente zur Nachahmung
gereizt und angezogen, weiterhin von dem ebenso tiefbegründeten
Verlangen angespornt, der Einseitigkeit des eigentlichen Berufslebens
auszuweichen, besonders in einer Zeit, welche strenge Arbeitstheilung
zum Prinzip erhoben. Denn je mannigfaltiger die Berufsthätigkeit
sich erweist, je weniger wird man Veranlassung finden, in einer
anderen Thätigkeit Zerstreuung zu suchen. Seien nun zwar auf die
Aachtheile des Dilettantismus, der vielfältigst dem Ernst der Sache
ausweicht und die Früchte ohne die Anstrengung hinnehmen möchte
— wie die Rinder lieber malen als zeichnen! — sozusagen hand-
greiflich, so geziemt es sich doch auch, seine Vorzüge gebührend zu
würdigen. Als der wichtigste ist hervorzuheben, daß dem Dilettanten
immer die Sache der Zweck ist und er aus wirklicher Liebe zu ihr
an die Ausübung von Runst und Wissenschaft gehe und somit
wenigstens idealen Bestrebungen den Boden bereite und ihnen in
einer materialistischen Zeitströmung Pflege angedeihen lasse; damit
aber rechtfertige er seine Existenzberechtigung mitten im Ernst des
Lebens hinreichend. Den anregenden Ausführungen wurde seitens
des dankbaren Auditoriums der verdiente Beifall zu Theil. —
Gediegene musikalische Vorträge bildeten den Beschluß des genuß-
reichen Abends. — Die Wochenausstellung brachte getriebene Rupfer-
arbeiten von Meister Heinrich Seitz nach Entwürfen von Rellner
mit Ziselirungen von Faustner und Fischer in Stücken von
auserlesenster Schönheit der Erfindung und Ausführung, dann reiche
und gefällige getriebene Metallgegenstände von F. X. Staeble,
gediegene Eisenlüster, Rassetten und Broschen von R. Lotze, sowie
originell erfundene Leuchter von T. Mack und endlich eine prächtige
Gravirung und Intarsia-Reparatur von S. Nürnberger, sämmt-
lich Münchner Arbeiten.

In der Wochenversammlung am 9. November gab Maler und
Schriftsteller Hans v. Berlepsch ein ebenso belehrendens wie über-
sichtliches Bild der im Sommer d. I. in Nürnberg abgehaltenen
internationalen Edelmetallausstellung, deren Hauptverdienst darin
bestand, daß sie in großartiger Weise uns den Standpunkt vergegen-
wärtigte, den die Technik der östlichen Völker, narnentlich Lhina's
und Iaxan's, einnimmt. Erzeugnisse Lhina's brachte nach Europa
zuerst die berüchtigte französisch-englische Expedition, bei welcher Gelegen-
heit General Palikao den Raiserpalast in Pecking ansraubte. Aber
selbst diese ausgezeichneten Arbeiten überbieten an künstlerischem Werthe
die Produkte Japans, die in Guß und Inkrustation das unglaublichste
und bewunderungswürdigstegeleistet. Näher als die östlichen Phantasmen
stehen unserer Anschauungsweise die Leistungen Indiens, deren ernstes
Formengefühl den Ucbergang zu den herrlichen Erzeugnissen des
griechischen und römischen Alterthums vermittelt, welch' letzteres
namentlich in den Raiserbüsten eine bis jetzt immer noch unerreichte
Vollendung der plastischen Form bei virtuoser Technik aufweist. Spärlich
war die romanische Periode vertreten, desto zahlreicher die Gothik, welche
die christlichen Rultusgeräthe vollständig, znm Theil in stilwidrigen
Gebilden, so u. A. ganze Rathedralen darstellende Weihrauchfässer,
andererseits wiederum in ausgezeichneten Exemplaren, wie in den
Schätzen der siebenbürgischen Landeskirche, anschaulich machte. Daß die
Renaissance gleichfalls schon hinsichtlich der Masse imposant wirkt,
leuchtet von selbst ein und waren das Offizhim beatae Virginis, jetzt
als deutsche Arbeit ermittelt, Werke von p. Vischer, Iamnitzer, Eisenhut
u. A. Glanzpunkte der Ausstellung. In der modernen Abtheilung
gebührte den bekannten Münchener Meistern unstreitig der erste Preis,
denen sich zunächst einige Berliner, sodann Wiener und Frankfurter

Firmen anreihen. Italien brachte ausgezeichnete Nachahmungen
antiker Werke. Frankreich blieb jedoch hinter seiner wirklichen
Leistungsfähigkeit zurück, ebenso Rußland, England, Spanien und
Ungarn. Zum Schluffe ging der anregende Vortrag des Näheren
auf die speziellen Vorzüge der Erzeugnisse Lhina's und Iapan's, wie
auf den Nutzen des Unternehmens selbst für alle vertretenen Nationen,
die sich gegenseitig zu messen Gelegenheit gefunden, ein, und ernteten die
Ausführungen des Redners verdiente Anerkennung. Die Wochenaus-
stellung brachte Rococo-Stühle von Pössenbacher und I. Steinmetz
in gleichem Stil gehaltene Sxiegelrahmen mit Lonsol von Gg. Schmid,
eine gleiche in italienischer Renaissance von I. A. Meyer, ein Büffet
von Schneller, ein altes Schränkchen, renovirt von Remmer,
Tisch und Taburet im maurischen Stil von Aichholz & Lomp.
in Fürth, sowie Gläser aus den Rheinischen Glashütten in Ehrenfeld.
Den Rest des Abends füllten musikalische und huinoristisch-dekla-
matorische mit reichem Beifall seitens der versanunlung aufgenommene
Vorträge.

Die Wochenversammlung am 2^. November eröffnete Direktor E.
Lange mit einem warm empfundenen Nachruf auf Geheimrath Or. v.
Bezold, wegen dessen Beerdigungsfeier der auf den \7. November an-
gesetzte „gesellige Abend" auf später verschoben wurde, den eifrigen und
opferwilligen Förderer aller künstlerischen Bestrebungen, dessen Andenken
die Versammlung durch Erheben von den Sitzen ehrte. Daraus sprach Prof.
Or. Ioh. Sepp in anregender Form über „den alten Münster zu
Wessobrnnn," den er als einen Rarolingerbau nachwies, der 7^3 von
Abt Ilsung I. als Marienkirche zu den drei gZuellen gegründet, binnen
zehn Jahren vollendet und von Bonifazius geweiht, als der älteste
christliche Tempel aus dem Boden Altbayerns gelten müsse. Die
völlige Vernichtung dieses wichtigen und ehrwürdigen Bauwerkes, das
übrigens schon 796 — 80q, Veränderungen durch Brand und Wieder-
aufbau erlitt, dem jo<55 dann noch die Peterskirche angefügt wurde
und welches man sich als romanische dreischiffige Basilika aus Haustein
darzustellen hat, ist sowohl von Seite der Runst wie der Geschichte
gleichmäßig zu beklagen. Der Baulust, welche im \7. und j8. Jahr-
hundert mit dem enormen Reichthum der Rlöster wuchs, mußten nach
\ooo jähr. Bestehen die alten Mauern weichen; an den Rarolingerbau
wurde am 8. November t707 Hand angelegt, um ihn dem Erdboden
gleich zu machen, wie prächtig auch immer die neuen Rococobauten
sein mögen,, den Verlust jener uralten Werke vermögen sie nicht zu
ersetzen. Zum Schluffe seiner Ausführungen, denen Seitens der
Zuhörer der dankbarste Beifall gespendet wurde, fordert der Redner
aus, gelegentlich die durch Sage und Geschichte geweihte Stätte auf-
zusuchen, welche Wallfahrt sich sowohl der künstlerischen wie der
landschaftlichen Genüsse wegen reichlich belohne. — Die überaus reiche
wie prächtige Wochenausstellung fremdländischer und einheimischer
Reramik erläuterte Direktor Lange, die trotz der Ronkurrenz, die
Lhina, Japan, Frankreich und Italien mit ihren alten Traditionen,
sodann England, Belgien, Schweden, Böhinen, Ungarn und die Schweiz,
welche alle hier in schönen Arbeiten vertreten waren, unserer noch
so jungen Industrie macht, diesem Zweige des Runstgewerbes in
Deutschland eine große und gedeihliche Zukunft versprechen konnte.
— Von deutschen Firmen hatten die Ausstellung beschickt: Utz-
schneider in Saargemünd, Villeroy & Bock in Metlach, L. W.
Fleischmann und Jos. Schwarz in Nürnberg, Prof. Reller-
Leuzinger und Tritschler & Lomx. in Stuttgart, Ed. Paniel
in Benrath, Gl atz in Villingen; außerdem noch von Münchener
Firmen u. a.: I. Lichtinger & Lomx., Max v. Heider, P.
Rnorr & W. Mayer, F. Hudemann. —• Zum Schluffe seiner
Erläuterungen gab der Sprecher einen kurzen Ueberblick über die
Runstpflege des Münchener Bürgerthums, das in dem nunmehr
fertigen Umbau des Wagner-Hauses an der Perusastraße wiederum
einen glänzenden Beweis seiner Hochherzigkeit und seines Geschmackes
abgelegt, für welches Werk, das der Besitzer mit großen persönlichen
Gpsern so opulent ausgestattet, ihm der Dank seiner Mitbürger,
besonders aber des Runstgewerbe-Vereins gebühre, dessen Bestrebungen
hier eine so ehrenvolle und großartige Bethätignng zu entfalten,
vergönnt gewesen.
 
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