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Zeitschrift des Kunst-Gewerbe-Vereins zu München — 1886

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Heft 9/10
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Regnet, Carl Albert: Die Münchener Malerei von der ältesten Zeit bis Cornelius: Kunstgeschichtliche Skizze
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Sepp, J.: Fund der Bildwerke des XII. Jahrhunderts: Nun im Wessobrunner-Saal des bayer. National-Museums
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https://doi.org/10.11588/diglit.6901#0078

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In diesen Worten verurtheilte Tornelius auch die
heutige Münchener Kunst, während hinwiederum ein heut
berühnrter Münchener Künstler öffentlich die Geburt des
Altmeisters als ein Unglück für die Kunst erklärte!

schließlich ist noch der Gründung des Kunstvcreines,
des ersten in Deutschland (1825) durch die Maler Dom.
Auaglio, K. Gtieler, pet. peß und den Architekten
Friedr. Gaertner zu gedenken. Dieselbe äußerte auf die

Thätigkeit jener Künstler, welche sich außerhalb des Ge-
bietes der Geschichte bewegen, einen sehr belebenden und
fördernden Ginfluß. Weder die Landschaft, noch das Genre,
weder die Thiermalerei, noch die Architekturmalerei, weder
Arabesken, noch Gtill-Leben blieben vernachlässigt; aber
alle diese Kunstzweige wären kaum zu ihrer nachmaligen
Blüthe gelangt, hätte nicht der strengere Geist der Historie
diesen Bestrebungen die Richtung vorgezeichnet.

Md m Mdimke tuö XII. ÄüMMM. f§^

(Nun im IDeffobrunnersSaal des basier. National-Museums.)

von Prof. Lepp.

r Boden von Altbayern birgt noch ungeahnte
Gchätze, aber sie zu heben bedarf es der
Wünfchelruthe oder man muß, wie ich, ein
Sonntagskind fein. Im Kloster Wessobrunn,
so geht die Gage, sei ein goldenes Kegel-
spiel begraben, wer aber meinen Altbayerischen Gagenschatz
kennt, lernt nur zu viele Burgen und Gchloßruinen mit der-
selben in's deutsche peidenthum hinaufreichenden Legende
kennen und kann die Nachforschung sparen, braucht also nicht
für den leeren Wahn Mühwaltung und Geld zu verschwenden.

Gbenso nannte man nur noch einen verstorbenen
Maurer, der bei der Klosteraufhebung mit verbundenen
Augen Nachts in ein geheimes Gewölbe geführt worden
fein soll, um eine eiserne Truhe mit den werthvollsten Gchätzen
zu bergen. Derlei Gerede kursirt ja bei allen alten Klöstern,
aber nicht das leiseste Gcho vernahm ich, wohin die Gtein-
bilder aus dem alten Münster gekommen, chatte doch
schon \ sO Jahre früher Leutner in seinen: Geschichtswerk zur
tausendjährigen Gründungsfeier nichts davon in Erfahrung
gebracht.

Ich lebte beim Ankäufe der Einbildung, das berühmte
Stift zum bleibenden Familiensitze wieder aufzurichten. Doch in
welchen: Zustande fand ich die klösterliche Domäne! von
meinen fünf oder sechs Vorgängern hatte die Mehrzahl ab-
gewirthschaftct, Alles rein ausgeplündert und nicht einmal, was
niet- und nagelfest war, belassen, die kupfernen Dachrinnen und
Rohre bis auf die Malzdörre herab waren ausgewechselt, ja
selbst die eisernen Gchlaudern, welche die gewölbetragenden
Außenmauern mit den: Innenbau verbanden, heraus-
geschlagen, Mühle und Zehentstadel abgetragen und, was
fortzuschaffen möglich, zu Geld gemacht. Da der neue
Eigenthüiner das historisch berühmte Stift schon deshalb
zu behaupten träumte, vergrößerte er Grund und Boden
um s vierfache bis zu l^OO Morgen, baute mit Findlings-
blöcken in der Fronte den punnenstein, und begann 1865
auch die Fontaine in: Klosterhof, gespeist von den drei
Quellen, wieder steigen zu lassen. Da kainen bei der
Räumung des Ablaufkanals die merkwürdigsten Reliefe
aus romanischer Zeit, mit tiefausgemeißelten Gteinblumen,
pickenden Vögeln u. s. w., wie wenn orientalische Miniatur

und Flächenskulptur Nachbildung gefunden, einfach als Rand-
steine verwendet, in Vorschein. Die Embleme aus drei
Geiten der Quader ließen verrathen, daß sie, nur mit der
nicht dekorirten Partie an die Wand gelehnt, freistehend zu
einem Portals gehörten.

Noch hatte ich vor, auf dem höchsten Punkte von
Wessobrunn, den: Kirchhofe, mit dem Prospekt aus weiter
Ferne eine gothische Kapelle zu errichten; ein Freund entwarf
hiezu den plan. Für den Altar und ein Glasgemälde
darüber, Lhristus in der Auferstehung, hatte ich vorgesorgt;
der Pfarrer war einverstanden, die in seinem Garten
hervorragenden Tuffquader von dem f8 f0, nach blos
hundertjährigem Bestai:de, abgebrochenen Konventgebäude
dazu zu verwenden und mit vereinten Kräften wurde aus-
gegraben. Welche Ueberraschung!

Nicht blos pau- und Bausteine, sondern ein Apostelbild
un:s andere wurden aus dem Boden gefördert, und zwar
an Paupt und Armen verstümmelt; doch fanden sich noch
fünf abgebrochene Köpfe außer den festsitzenden. Der Pfarrer
folgerte nicht übel: Das haben die heidnischen Ungarn
gethan, die als Mordbrenner die bayerischen Klöster ver-
wüsteten, also wie die sieben Mönche auch diese Gitzbilder
enthauptet und ihre Zerstärungslust an christlichem peilig-
thum gebüßt, paben doch auch die Gansculloten, die punnen
der Neuzeit, im Notre Dame,, der Kathedrale zu Rouen
u. a. ähnlich gewüthet. Aber wie sollten die Fragmente
bis aus jener Zeit sich erhalten haben? auch war schwer
zu glauben, daß man die f^7s zuerst erwähnten
Bilder in solchen: Zustande all die Jahrhunderte
im gottesdienstlichen Pause überkommen hätte!
Bei näherer Betrachtung gi::gen diese ehrwürdigen Bildwerke
nicht weit über das Zeitalter eines Nicola Pisano hinauf,
und entstanden frühestens zweihundert Jahre nach den letzten
punnenzügen. Wie, wenn die Geistlichen selber so geistlos
und frivol gewesen, und ohne Ahnung von dem hohen
Kunstwerth dieser Gkulpturen beim Abbruche des Münsters
ihre ältesten Heiligenbilder als Werksteine verwendet hätten?
Gie parodirten unwillkürlich die Bibel, Mffenb. XXI.
wo die Apostel die zwölf Grundsteine genannt sind,
indem sie dieselben in den Grund des Tonventbaues legten
 
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