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Zeitschrift des Kunst-Gewerbe-Vereins zu München — 1886

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Heft 11/12
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Schmädel, Josef von: Einiges aus der Geschichte der Drechslerkunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.6901#0096

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Von Jos. rUtter von Schmädel.

ieht man sich in den wenigen, wirklich guten
^ Werken, welche über Drechslerkunst geschrieben
worden sind, um, so findet man überall den
Nachweis geliefert, daß die Kunst, zu drehen,
in die graueste Vorzeit zurückreicht.

Jedenfalls ist es mehr als wahrscheinlich, daß schon
in jenen vorgeschichtlichen Zeiten, in welchen die Nkenschen
aus der Töpferscheibe Gefäße formten, die nahe liegende
Kunst des Drechselns in primitiver Weise betrieben worden
ist. Die alten Drechsler und Geschichtsschreiber der Drechsler-
kunst greifen gewöhnlich noch viel weiter zurück und nennen
unseren Herrgott selbst den ersten Drechsler, so z. B. steht
in Johann Martin Teubers Traktätlein über die Dreh-
kunst, welches (730 zu Regensburg erschien, Folgendes ge-
schrieben: „Leicht wie alle gute und vollkommene Gaben
von oben herab, von dem Vater des Lichts, bei welchem
keine Veränderung des Lichts noch Finsterniß ist, kommen,
also nehmen auch alle gute Künste und Wissenschaften von
ihme, als der Quelle alles Lichtes und selbständigen Weis-
heit ihren allerersten Anfang und Ursprung. Denn da
Himmel und Erde seiner Hände Arbeit, und er dem ersten
Menschen den lebendigen Gdem eingeblasen, auch eine
vernünftige Seele gegeben: so haben auch alle Würck-
ungen der menschlichen Vernunfft, alle guten Gedanken
und Erfindungen, Künste und Wissenschaften ihren Ursprung
von ihm. — haben demnach alle guten Künste und Wissen-
schaften, insofern sie das Ingenium hervor und den Ver-
stand in gehörige Ordnung bringen, welches beydes Kräffte
der Seelen, die Gott allein giebet, ihren allerersten Ursprung
von Gott, so muß auch die Drehkunst, von der wir hier
reden wollen, ursprünglich von ihm herrühren. Denn diese
ist vornehmlich mit der Rundung beschäfftiget, welche Figur,
nach aller lVlatllemLticorum Geständniß, die aller voll-
kommenste unter allen, und daher von Gott selbst in dem
Werke der Schöpfung, als die zur Bewegung geschickteste,
vor andern beliebet worden.

Niemand, der den Himmel betrachtet, wird läugncn,
daß derselbe rund, und unsere Erde wie ein Lircul seinen
Mittelpunkt, nach Tychonis (Brahe) Meynung, um-
giebet. Die vortrefflichsten Astronomi haben schon vor
vielen Seculis mit unumstößlichen Gründen dargethan, daß
unsere Erde eine Kugel, deren äußere Fläche von ihrem
Mittelpunkt überall gleich weit abstehe, und daß auch die
allerhöchsten Berge eine schlechte oder gar keine Proportion
oder Verhältniß gegen ihren Durchmesser haben, mithin
ihrer runden Figur nicht die geringste Veränderung oder
hindernüß geben. Nun aber sind beydes Himmel und
Erde, keines Menschen Werk, sondern am Anfang schuff
Gott Himmel und Erden, Er, Er hat den Himmel fein
rund gemacht (spricht Sy rach) und seine Hände haben
ihn ausgebreitet (im t{5. Tap. Vers (3) also daß beyde
sowohl der Himmel als die Erde, nach Aussage eines der

ältesten Scribenten, nicht anders anzusehen, als ein Spiegel,
in welchem da leuchtet des höchsten Werkmeisters Meister-
Stücke.

Daß aber niemand anders als Gott, der erste Erfinder
der runden Figur sey, erhellet daraus, weil Gott, da er
dieses unermeßliche Welt-Gebäude aus dem sogenannten
Ehaos, d. i. aus einem Erden-Klose, rucki incki§estLhue
male, wie es die Lateiner nennen, oder solchen Materie,
die an und vor sich selbsten zu einer so ordentlich fest- und
fort dauernden Maschine nicht geschickt gewesen wäre, ge-
schaffen, gleich in allem Anfänge, da niemand sein Rath-
geber oder handlanger gewesen, dem Himmel sowohl als
der Erde diese Figur auf eine von ihm selbst beliebige Art
gegeben und mitgetheilet hat.

Recht schöne Gedanken find es, die eine gewisse ansehn-
liche Gesellschaft bey dieser Gott selbst beliebten Art in Ver-
fertigung des Weltgebäudes, in einem Gemählde an den
Tag geleget, indem sie den Schöpfer gantz allein mit der
Erd-Kugel an einer Drehbank vorgestellet, und oben drüber
die Worte geschrieben:

»»loruLl et Ornat«

„„Das erste Meister-Stück, der Lreaturen Haus

Dreht selbst des Schöpfers Hand und ziert es künstlich aus.""

womit sie also durch diese ingenieuse Vorbildung dem Ver-
stände gar begreiflich machet, daß niemand als Gott selbsten
der Urheber der edlen Dreh-Kunst und allererster Drechsler
sey."

In der That eine Beweisführung, gegen die sich eigent-
lich nichts einwenden läßt, dis ich aber hauptsächlich deß-
halb vorgeführt habe, weil sie charakteristisch für jene Zeit
ist, wo alle derartigen Schriften in ähnlicher Weise das Be-
streben zeigen, die Abstammung ihres bearbeiteten Stoffes
bis auf die Schöpfungstage zurückzuführen.

Sieht man sich aber etwas ernsthafter in den Nach-
richten über vergangene Zeiten um, so finden wir, daß
nicht nur die hoch entwickelte, egyptische Kultur schon die
Drehbank als eines der menschlichen Hilfswerkzeuge aufzu-
weisen hat, sondern wir finden auch in den Büchern des
alten Testamentes eine Reihe von Andeutungen, welche be-
weisen, daß bei den Israeliten dieses Werkzeug nicht minder
bekannt und gebraucht gewesen ist. Die Griechen schrieben
die Erfindung der Drehbank dem Baumeister Dädalus,
welcher zur Zeit der Zerstörung Trojas gelebt haben soll,
zu. Von phydias (500 vor Thristus) haben wir eben-
falls die Nachricht, daß derselbe die Drechslerkunst auf Holz
und Elfenbein angewendet habe. Gleicherweise geht von
Alexander dem Großen (356 v. Ehr.) die Sage, er sei so
geschickt im Drechseln gewesen, daß es ihm dazumal keiner
darin zuvorgethan habe. Von Artaxerxes, dem Könige
der Perser (^65 v. Ehr.), wird berichtet, derselbe habe fast
nrehr Zeit auf das Drechseln als auf andere Dinge ge-
wendet. Daß die Römer, wie so vieles, auch die Kunst
 
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