Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift des Kunst-Gewerbe-Vereins zu München — 1886

DOI Heft:
Heft 3/4
DOI Artikel:
Vom Büchertisch
DOI Artikel:
Unsere kunstgewerblichen Musterblätter
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.6901#0040

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
/

4- 32 -#■


gegen der vorübergehende Siegeszug durch die Anbahnung der voll-
ständigen Umgestaltung des Lharakters der französischen Aunst in
Folge der Berührungen des französischen Machthabers und der bei
dem peere befindlichen Großen mit dem damaligen Aunstleben Italiens,
welches sich bereits feit mehr als einem Jahrhunderte auf einer von
jener der benachbarten Lulturvölker abweichenden neuen Bahn, jener
des Studiums des klassischen Alterthums und der Natur, so reich und
mannigfaltig entwickelt hatte.

Die Darlegung dieses Einflusses auf die französische Aunst nach
ihren verschiedenen Richtungen bildet den Gegenstand des in der
Ueberschrift angeführten Werkes.

Das Verdienst der Idee zu letzterem sowohl, wie der Ermöglich-
ung der Ausführung desselben gebührt dem leider bereits in einem
Alter von 29 Jahren seinen idealen Bestrebungen durch den Tod
entrissenen Sxrößlinge des berühmten Geschlechtes der Alberti von
Luhnes, in welchem die Pflege der Wissenschaften und Aunst seit mehr
als vier Jahrhunderten sich vererbten, den Ick. ?aul d’Alberti de Luynes
& de Chevreuse, Herzoge von Chaulnes.

Derselbe hatte, während sein älterer Bruder bei Patais fiel,
gleichfalls, wenn auch nickst für eine gerechte Sache so doch für sein
Vaterland, bei Loulmiers geblutet und, durch glänzende materielle
Verhältnisse unterstützt, nach Beendigung des deutsch-französischen
Arieges dem Studium der Aunst, insbesondere des ;5ten Jahrhunderts,
sich gewidmet, und in dem er das von ihm erworbene, früher dem
italienischen Zweige seiner Familie gehörige Palais Alberti in Florenz
zu einem Museum der Renaissance umwandelte, zugleich mit rastlosem
Eifer, dem feinsten Verhältniffe und hohen Vpfern die Werke der
französischen Aunst der gleichen Periode in den Areis seiner Forschung
und kunsthistorischen Verarbeitung gezogen.

Noch auf dem Todtenbette sicherte ?aul d'Albert de Luynes die
Veröffentlichung der Studien.

Das Werk vereinigt eine den Franzosen besonders eigene geist-
volle Auffassung mit einer germanischen Gründlichkeit.

Dasselbe beleuchtet zunächst unter eingehender Darstellung der
politischen, gesellschaftlichen, sittlichen und religiösen Zustände Italiens
im ;s. Jahrhundert die Entstehung und Ausbildung der sogenannten
Renaissance in der Aunst, als deren hervorragendsten Zug der Ver-
fasser die Vereinigung der christlichen Auffassungen mit den klassischen
Erinnerungen erkennt.

Das Bild zeigt in lebendigen Farben das Gesammtleben des
italienischen Volkes in den für die Pstege der Aunst und Wissenschaften
in Betracht kommenden Schriften, die materielle Lage derselben, die
finanziellen Verhältnisse der einzelnen italienischen Staaten und selbst-
ständigen Gemeinwesen; es gibt dasselbe eine für die Beurtheilung
der Zustände so wichtige Vergleichung der Werthverhältnisse mit jenen
der Jetztzeit, eine Darstellung der öffentlichen Einrichtungen für höhere

Bildung und Lrziehuug, des Einflusses der pumanisten auf die Aunst,
der sozialen und finanziellen Stellung der Aünstler, namentlich gegen-
über den Männern der Wissenschaft, dann der verhältnißmäßig späten
und langsamen pebung dieser Stellung der ersteren, endlich des hand-
werksmäßigen, damit aber auch eine hochgradige, technische Schulung
sichernden Ganges der Ausbildung derselben.

Nach einer besonders lichtvollen Aennzeichnung des Geistes, wie
sich derselbe im Allgemeinen der italienischen Aunst in ihren einzelnen
Pauptzweigen aufprägte, folgt weiter eine eingehende Darlegung der
unter persönlichen und örtlichen Einflüssen entstandenen einzelnen Schulen,
zunächst in Mailand, dann Piemont und Genua, Padua und Venedig,
Ferrara, Mantua und Bologna, Urbino, ferner Florenz mit Pisa,
Sienna und Lucca, Pistoza, Umbrien, Rom und Neapel. An diese
Darstellungen reiht sich die Schilderung des gleichzeitigen Standes der
französischen Aunst, welche ungeachtet des Vorhandenseins gleichmäßiger
Grundlagen für eine hohe Entwickelung, wie in Italien, abgesehen
von einzelnen Zweigen, wie die Miniaturmalerei, dieselben Ursachen
der Inferiorität zeigte, wie Wissenschaft, Poesie und Philosophie, indem
die in nicht minderer Zahl wie jenseits der Alpen vertretene Aünstler-
schaft mit näher liegenden Zielen sich begnügte und an einen Stil
sich band, der sich bereits überlebt hatte und der ihrem Aönnen und
ihrem Talente Schranken setzte.

Ls folgt sodann eine Alarlegung des innerlichen Durchdringens
Aarls VIll. und seiner Begleiter von den überwältigenden Eindrücken
des italienischen Aunstlcbens, insbesondere während des Aufenthaltes
in Neapel, der Wirksamkeit der von dem Regenten nach Frankreich
gezogenen italienischen Meister und der allmäligen bei den verschiedenen
Aunstzweigen nicht gleichzeitig und gleichmäßig, jedoch schließlich in
einer Allseitigkeit und Innerlichkeit sich vollziehenden Umgestaltung
der französischen Aunst, daß die Renaissance nach dem verfalle in
Italien in Frankreich in neuer jugendlicher Frische und Araft hervortrat.

Die Alage der Gegner der Aunstrichtuug, daß Frankreich durch
den Einfluß der italienischen Renaissance von der Bahn nationaler
Entwickelung abgedrängt worden sei, erwiedert der Verfasser mit dem
pinweis, daß das Vaterland lediglich damit wieder an die Ueber-
lieferungen der romanischen Race augekuüpft, und daß Dank derselben
Gallien neuerdings von den Lateinern erobert worden sei.

Wir können nach dem Dargestellten wohl mit der Versicherung
schließen, daß das Werk eine unvergleichliche Fülle von Ideen und für
jeden mit der Aunst des Mittelalters noch so sehr vertrauten eine
reiche Duelle der Belehrung bietet.

Durch die theils dem Texte eingeflochtenen, theils selbständig bei-
gegebenen Abbildungen, die, soweit nicht schon das benützte Verviel-
fältigungs-Verfahren größte Treue verbürgt, in hoher Vollendung
hergestellt sind, werden die hervorragenden Erzeugnisse aller behandelten
Aunstrichtungen veranschaulicht.


ÖCnfettü KmPgowonblichen <I)u^orblMor.

Tafel 7. Scheibe im Areuzgange des Alosters
Wettingen, datirt J522, gemalt von F. Grebelt in Bern. Aus-
genommen und gezeichnet von p. L. von Berlepsch. Näheres in
dessen Vortrag über „die Entwicklung der Glasmalerei in der Schweiz".
(Pest ; und 2 und 3 und dieses Jahrganges.)

Tafel 8. Rococo-Schränkchen, ausqeführt von Wenzl
Till, München.

Tafel 9. Zinnkrug (Ende ;s. Jahrhunderts) und Zinn-
becher (Mitte ; 6. Jahrhunderts). Beide außerordentlich hübschen Stücke
befinden sich im Besitze des perrn E. P r 0 bst, Antiquar in Stuttgart. Der
Zinnkrug wurde in Elsaß gefunden. Er trägt auf der Leibung 3 cartouche-
sörmig umrahmte Medaillons, welche je eine allegorische Figur und
zwar: „die Geduld", „das Genie" und „Friedfertigkeit" enthalten.
Der Zinnbecher, versehen mit dem Nürnberger Stempel, dürfte wohl eine
Arbeit des berühmten Zinngießers Aaspar Enderlein sein, welcher
Mitte des \6. Jahrhunderts in Nürnberg thätig war. Gefunden
wurde der Becher in Italien. Da Enderlein bekanntlich weitläufige
Geschäftsverbindungen und besonders auch mit Italien hatte, werden
dort immer noch hie und da Arbeiten von ihm gefunden.

Tafel ;o. Waschschränkchen, ausgeführt von I. Aeibl, München.

Tafel ;Schraubstock mit reicher geätzter Grnamentirung aus

der Zeit ;Z20— so. Nach vr. pirth's Formenschatz vermuthlich von dem
Meister G. G. (Näherer Name unbekannt.) Derselbe wurde höchst
wahrscheinlich im Aufträge eines fürftlidjen Amateurs für dessen
Aabinets-Werkstätte von dem betreffenden Meister angefertigt, da be-
kanntlich damals jeder Fürst ein pandwerk gelernt hatte. Interessant
sind die Liebe und Ausdauer, womit der Verfertiger dieses prächtige
Stück über und über mit Aetzung versah, denn nicht genug, daß er die
großen Flächen, Muttern, Schrauben, Federn und Anöpfe damit verzierte,
sogar Spindel und Gewindegänge, was auf der Abbildung leider nicht
mehr ersichtlich gemacht werden konnte, sind derartig ornamentirt. Dieses
Stück seltenster Art, welches man wohl als Unikum bezeichnen kann,
befindet sich zur Zeit im Besitze des Aunstschloffers Rudolph Lotze,
welcher dasselbe aus dem sogenannten Auer-Tändelmarkte gerade vor
Schluß desselben im alten Eisen fand und es dadurch vor dem Ein-
schmelzen oder dem pammerwerke rettete und der Zukunft erhielt.

Tafel \2. Gfen, entworfen von Profeffor L. Gmelin, München;
modellirt von Schülern der kgl. Aunstgewerbeschule in München
unter Leitung des kgl. Assistenten I. Bader; ausgeführt von der
Vfenfabrik Reiter in Landshut. Dieselbe erhielt vom Bayer.
Gewerbe-Museum in Nürnberg den Preis der Aönig-Ludwig-Stiftung
zuertheilt.

Verantwortlicher Redakteur: 2. von schmädel. — Verlag von ®. Birth in München und Leipzig. — Druck von Lnorr H Birth in München.

/
 
Annotationen