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Zeitschrift des Kunst-Gewerbe-Vereins zu München — 1886

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Heft 7/8
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Bühlmann, Josef: Die Geschichtliche Entwicklung des Mobiliars: Vortrag, gehalten im Kunstgewerbe-Verein
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https://doi.org/10.11588/diglit.6901#0058

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ID ortrag, gehalten im Kunstgewerbe-Verein von Professor Aos. Düblmann.

Sie Ausstattung unserer Wohnungen mit Ge-
brauchsgegenständen ist reicher und mannig-
faltiger geworden, als dies in früheren
Zeiten der Fall war. Wir bestreben uns,
diesen Gebrauchsgegenständen nicht blos
zweckmäßige Form, sondern auch reichen Schmuck zu geben.
Am hierin Mannigfaltigkeit und Schönheit zu erreichen,
sehen wir uns veranlaßt, die entsprechenden Wobei und
Geräthe früherer Zeiten eingehend zu betrachten und zu
prüfen, dieselben auch theilweise zum Vorbilde zu nehmen.
Wir sammeln deßhalb die alten Ginrichtungsgegenstände
in Museen, wir benützen sie beim Unterricht als Modelle
für die peranbildung des künstlerischen Sinnes und des
technischen Könnens. Bei solcher Benützung der alten
Gegenstände müssen wir uns aber stets vergegenwärtigen,
daß die Bedingungen, unter welchen das Mobiliar früherer
Zeiten entstanden ist, von denjenigen der Gegenwart oft
gründlich verschieden waren. Andere Sitten und Gebräuche
als die unseren haben eine andere Einrichtung der Wohn-
ung, andere Gebrauchsgegenstände hervorgerufen. Deßhalb
ist es für das richtige Verständniß der alten kunstgewerb-
lichen Gegenstände und für deren maßvolle Verwendung
als Vorbilder nothwendig, daß wir die Bedingungen ihres
Entstehens prüfen und nach denselben den Gegenstand
würdigen. Wir sollen hiebei sowohl die technische Art der
Perstellung, als die Kunstbestrebungen des betreffenden
Zeitalters in Betracht ziehen und bedenken, daß die tech-
nischen und die künstlerischen Eigenschaften gewissermaßen
von einander abhängig sein und auf ungleicher pöhe stehen
können. Eine unscheinbare, ja rohe Art der Ausführung
kann eine trefflich gedachte Form wohl unscheinbar machen,
darf sie jedoch unserem Auge nicht verbergen, während
eine geschickte Ausführung, effektvolles Material und reicher
Schmuck uns nicht abhalten dürfen, den Gegenstand auf
die Richtigkeit und Schönheit seiner Grundform zu prüfen.

Ich habe mir nun die Aufgabe gestellt, die Mobiliar-
ausstattung der Wohnung in den hervorragendsten Kunst-
epochen einer kurzen Betrachtung zu unterziehen und eine
Würdigung derselben nach den vorhin angedeuteten Ge-
sichtspunkten zu versuchen. Dabei kann ich nicht umhin,
zur Erklärung der im Mobiliar auftretenden Kunstformen
flüchtige Seitenblicke auf die gesummten Kunstbestrebungen
und namentlich auf die Baukunst des betreffenden Zeit-
alters zu werfen.

Im frühesten Alterthum, an den Grenzen der mensch-
lichen Kultur, finden wir keine eigentliche Trennung zwi-
schen Ausstatten der Wohnung und baukünstlerischem
Schaffen; der in der Bearbeitung des Holzes kundige
Mann zimmerte die Wohnung und schnitzte auch die zum
täglichen Gebrauche in derselben nothwendigen Geräthe.
Teppiche und Bekleidungen aus getriebenen Metallblechen
bildeten die früheste und hauptsächlichste Ausstattung des

sonst rohen Bauwerkes. Solche Zustände lernen wir aus
den homerischen Schilderungen der Fürstenhäuser und ihrer
Einrichtung im vorgriechischen Zeitalter kennen. An den
Geräthen, Waffen und Kleidern hat sich zuerst der Sinn
für den Schmuck, das Schönheitsgefühl bekundet. Noch
jetzt sehen wir Völker, die auf niedriger Kulturstufe stehen,
ihre Geräthe und Waffen in zierlichen Formen schnitzen,
mit gemalten Ornamenten und verschiedenen Einlagen
schmücken und in das Flechtwerk ihrer Teppiche farbige
Streifen fügen. So suchte der Mensch zunächst an seinen
Gebrauchsgegenständen Etwas anzubringen, was das Auge
beschäftigte und erfreute, was den Sinn über das rohe
Bedürfniß erhob. Zn solcher Weise machen sich die An-
fänge des Kunsthandwerkes in gleichartigem Vorgänge bei
weit von einander entfernten Völkern und in verschiedenen
Zeitaltern bemerkbar.

An den ältesten Erzeugnissen handwerklicher Thätigkeit
entwickelten sich allmälig die Anfänge der höheren Kunst,
der Plastik und Malerei. Aus Geräthen und Gefäßen
suchte man zuerst die Gegenstände der Natur und nament-
lich die menschliche Gestalt nachzubilden. Fabelhafte Thiere,
fratzenhafte Gesichter, roh gezeichnete ganze Figuren finden
sich in gleicher Weise mit den einfachsten Ornamenten,
sowohl an den ältesten morgenländischen als auch an den
keltischen Gegenständen. Allmälig hat sich dann durch
Uebung die handwerkliche Geschicklichkeit wie auch der
Geschmack herangebildet. Inden: es dern Menschen von
jeher besondere Freude gewährte, die Gebilde der orga-
nischen Natur nachzuformen, so wurde dieses Schaffen sich
nach und nach selbst zum Zweck: Bildnerei und Malerei
machten sich von den Handwerken unabhängig und wur-
den zu selbstständigen Künsten.

Dieser Vorgang zeigt sich in klarer Weise beim Auf-
blühen der griechischen Kunst. Man hatte die Fähigkeit
erlangt, die volle Schönheit und den geistigen Eharakter
der menschlichen Figur darzustellen, und so schuf der
Bildner die erhabenen, für alle Zeiten mustergiltigen
Ideale der Götter und eines göttergleichen Menschen-
geschlechtes. An Gegenständen des täglichen Gebrauches
und dienstlichen Zweckes konnte und durfte dagegen die
menschliche Figur nicht in dieser hohen Vollendung auf-
treten, wenn nicht der Zweck des Gegenstandes dadurch
beeinträchtigt werden sollte; sie durfte hier nur als Orna-
ment angewendet werden, pierin liegt der Unterschied
zwischen bildender Kunst und Kunstgewerbe auch in allen
späteren Zeiten: die bildende Kunst hat zum Zwecke, die
Schönheit und den geistigen Eharakter der organischen
Natur und namentlich des Menschen darzustellen; das
Kunstgewerbe bedient sich der Formen der organischen
Natur nur soweit, als es dieselben als Ornament ver-
werthen kann.

Ein hervorstechender Lharakterzug ist dem griechischen,
 
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