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Zeitschrift des Kunst-Gewerbe-Vereins zu München — 1886

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Heft 7/8
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Sepp, J.: Der "Alte Münster" in Wessobrunn ein Karolingerbau (743-753) und die Kunst des Steingusses
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https://doi.org/10.11588/diglit.6901#0064

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M .Ilte Muster" in Äestobruun ein KarolingerSau (74Z-7ZZ)

und die Kunst des Zteingusses.

von Professor A. Sepp.

a r l d e r f} a m m e r überwand die Bajovaren unter
ihrem Herzoge Grimoald zuerst im Feilen-
forste bei Geisenfeld; sein Sohn Pipin der
kleine setzte auf der Römerbrücke bei Epfach,
von der sich noch Spuren im Wasser zeigen, 7^3 über den Lech
und siegte in einer Reiterschlacht auf dem noch sog. Franken-
feld bei St. Vigilien über Herzog Gdilo. Wan ackerte da
nicht selten Hufeisen, aber vor zwei Jahrzehnten auch das metal-
lene Standartenbild einer vindelicifchen Diana (Devona?) aus,
restaurirt mit silbernen Augen, die in's bayer. Antiquarium
wanderte.*) Es ist derselbe Pipin, der nach der Sage aus der
Jagd in's Würmthal kam und auf der Reismühle die ihm
vorbestimmte Braut Bertha kennen lernte. Die Bayern ertrugen
nämlich die fremde Unterwürfigkeit so schwer, daß sie sich
mit dem Gedanken trösteten, Rarl der Große sei einer
ihres Volkes, wie die alten Weder den Perser Tyrus
aus eigener Witte entstammen ließen. In pael soll er
seine Erziehung erhalten und sein Schwert unter einer
heiligen Eiche vergraben haben, um es dereinst wieder
zu erheben, sobald er mit seinen zwölf Paladinen zur sieg-
reichen Erneuerung der Herrlichkeit des Reiches deutscher
Nation erscheinen wird. Soll doch vom Untersberge bis
zum heiligen Berge Andechs ein geheimer Gang herführen.
Es war altdeutsches Rechtssymbol, zum Zeichen der An-
eignung von Grund und Boden, das Schwert in die Erde
zu stoßen; so thaten die eingewanderten Sachsen bei der
Besitznahme von Siebenbürgen, pael ist eine unterge-
gangene Stadt mit dem einst rätischen Namen Urusa, wo-
gegen Epfach, Abudiacum, als keltische Anlage sich er-
weist. Das Hochschloß mit seinem dreifachen Burg-
graben, seit ein paar Jahren mit einem prächtigen neuen
Palas durch den Architekten Schmidt gekrönt, war das
römische Rapitol; zugleich erinnert an die castra der heutige
hohe Rirchhof und die nordwärts jüngst aufgedeckten Römer-
gräber. Der Sonnenhügel zu oberst heißt noch Spielberg
oder Spiegelberg, d. i. specula, die Warte; daß aber die
Hochburg feindlichen Angriffen trotzte, beweisen die jüngst
am Abhang ausgegrabenen, durch einander gelegenen Ge-
rippe, worunter ein paar Schädel mongolischer Race,
vielleicht vom Hnnnenzuge Attilas <{52. pael, Paal, die
Rönigspfalz, behauptete sich noch im achtzehnten Jahr-
hundert als der ursprüngliche Gerichtssitz der Gegend, dem
bis (320 Starnberg, bis (529 Weilheim einverleibt war.
Rirchlich war es von Wessobrunn abhängig und steuerte
unter dem ersten Abte Ilsung 758 zu diesem Stifte (lVlonum.
boicaVII, 337). Hierhin führte auf gut zweistündige Ent-
fernung die Römerstraße durch den Eichgrund Spaderich
nach der Woenburg (ad moenia, „Mauern") bei Stillern
(stellaria Schwaige, Viehhof) und erreichte unter dein Namen
Hochstraße den „Heidenthurm" bei den drei heiligen Brunnen.

Raffer Napoleon I. erkundigte sich bei seiner An-
wesenheit in Wünchen (805 ernstlich um den wenn gleich

*) Abgebildet in Felix Dahn: Könige der Germanen, Bd. II.

historisch nicht nachweisbaren Geburtsort Rarls des Großen
im Wühlthale. Ludwig der Deutsche, der sich auch
von Bayern nannte und meist in Regensburg Hof hielt,
hinterließ das Rönigreich seinem Sohne Rarlmann, der
in Altätting begraben liegt. Ihm folgte Arnulf, welcher
in Aibling residirte und mit der Bajuvarin Holenrada
den Rathold gewann, welcher von den einheimischen Ge-
schichtschreibern vor wie nach Aventin für den Stammvater
der Andechser erklärt wird: sie bilden also die überlebende
Seitenlinie der Rarolinger. Ratholds Sohn ist der berühmte
Ungarheld, der in Graf Rath feine Ruhestätte fand, 954.
Arnulf starb in Oetting und ward in St. Emeran zu
Regensburg beigesetzt. Sein legitimer Sohn von Utta,
Ludwig das Rind, ist in Oetting geboren, hielt in
Holzkirchen einen Landtag und befaß vöring nebst andern
königlichen Gütern bei Wünchen. Diese Vorliebe der Raro-
linger für Altbayern geht nach der Volkssage bis auf die
Zeit der Eroberung zurück, wo Pipin auf dem in Urkunden
dutzendmal genannten Frankenfeld siegte und Bonifaz, der
für ihn von Papst Zacharias die Rönigskrone ermittelte,
Rloster Buron und Wessobrunn einweihte. Der Ruhin der
Andechser wirft noch lange seinen Glanz auf die Gegend.
Berchtold III. von Weran oder Berchtung tritt in der deutschen
Heldensage als Erzieher Wolf Dietrichs auf. Seine eine Tochter,
Agnes, vermählt sich ((96 mit Rönig Philipp August von
Frankreich, die andere, Gertrud, mit Andreas von Ungarn
und ist die Wutter der hl. E lisabeth von Th üringen, des
Ideals deutscher Weiblichkeit, die dritte, St. Hedwig, reicht
Heinrich dem Schwarzen von Schlesien ihre Hand, welcher
(2q( in der Schlacht bei Liegnitz gegen die Mongolen fiel. Ja!
Adelheid von Andechs und Wolfratshausen, deren Vater Vtto
der Größere \ \22 in Dießen begraben liegt, tritt als Stamm-
mutter in das Haus Sulzbach und gewinnt vom Grafen Beren-
gar eine ältere Gertrud, welche Barbarossas Mheim Ron-
r a d III. als Raiserin zu sich auf den Thron erhebt, während
Wanuel Tomnenos ihrer Schwester Bertha unter dem
griechischen Namen Irene die Rrone von Byzanz aufsetzte.

Rein gleichzeitiges Dynastengeschlecht hat es zu höheren
Ehren und Würden gebracht. Ihrer Herkunft eingedenk traten
die ersten Regentenhäuser Europas mit ihnen in Verwandt-
schaft; Patriarchenstühle und Bischofssitze nahmen sie der
Reihe nach ein. Ihre Besitzungen erstreckten sich in die
Mberpfalz bis Bamberg, und die Herrschaft über Bayern
schien ihnen von vornherein nicht entgehen zu können; sie
wurden aber mit dem Herzogthum Dalmatien und Istrien
abgefunden, ja nachdem pfalzgras Otto von Wittelsbach
(208 den edlen Raifer Philipp ermordet hatte, erklärte man
sich den Zornmuth, womit Ludwig der Relheinier, der bald
selber als Opfer des Meuchelmordes fiel, die erlauchte Fa-
milie in den Raisermord verwickelte und (209 die Burg
Andechs bis auf den Grund zerstörte, aus der Eifersucht
gegen dieses altberühmte, vor anderen zum Diadem in Bayern
berechtigte, hochedle Fürstenhaus.
 
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