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Geschichte der Akustik berichtet uns, daß schon Pytha-
3e>ras die Abhängigkeit der vollkommenen Aonsonanzen
(der Gktav, ^uint und ^uart) von bestimmten, in kleinen
Lanzen Zahlen ausdrückbaren Verhältnissen der Längen der
tönenden Saiten, nämlich von den Verhältnissen (: 2, 2:3
Un^ 3: q, erkannt habe (vgl. Helmholz, Tonempfindungen,
a. Aust. S. 2). Helmholz bemerkt, daß man später an die
stelle der Saitenlängen die Schwingungszahlen der Töne
^tzte und zu den Verhältnissen der vollkommenen Aon-
sonanzen noch jene der minder vollkommenen hinzufügte
^ud insofern jene pythagoreische Entdeckung verallgemeinerte,
aber er fügt bei, daß kein Fortschritt geinacht wurde in der
Beantwortung der Frage, was die musikalischen Aon-
sonanzen mit den Verhältnissen der ersten sechs ganzen
-Zahlen zu thun haben. Diese Frage hat bekanntlich Helm-
H beantwortet, indem er die Entstehung der Aonsonanzen
und Dissonanzen physikalisch erklärte.
«Ziehen wir die Aonsequenz. Auch in der Akustik ging
^et Nachweis bestimmter Zahlen Verhältnisse voran, und die
Erklärung der Bedeutung dieser Verhältnisse vom physi-
kalischen oder, wenn man will, mechanischen Gesichtspunkt
folgte nach.
Aber gerade diese physikalische Erklärung des akustischen
Gesetzes, daß der Wohlklang von gewissen Verhältnissen der
bchwingungszahlen der Töne abhängt, hat der Rezensent
sich nicht zu Nutzen gemacht, denn er spricht in seiner
Rezension einen akustischen Irrthum aus, den er hätte ver-
meiden können, wenn er die physikalische Erklärung der
Konsonanzen und Dissonanzen berücksichtigt hätte. Die be-
rstende Stelle der Rezension bezieht sich auf die Partie
Meines Buches S. (86—(89 und lautet wörtlich: „(Venn
er (der Verfasser) sich schließlich Hinreißen läßt, in den
^andknochen dieselben Zahlenverhältnisse zu finden, wie in
musikalischen Intervallen des von der Hand erbauten
'Md gespielten Instrumentes, so scheint er ganz zu vergessen,
Mie sehr er früher das irrationale Verhältniß beim goldenen
Schnitt gepriesen hat, während die Schönheit der Inter-
Ualle gerade auf der Rationalität der Schwingungsver-
hältnisie beruht. Am Ende ließen sich wohl gar beim
^kephmckm die Intervalle Nachweisen, weil er die Alavier-
taften liefert."
Wir wollen doch sehen, auf welcher Seite der Fehler
^gangen wurde, zu unüberlegten Behauptungen sich hin-
^^ißen zu lassen.
Ist es wahr, was Rezensent behauptet, daß nämlich
Schönheit, oder was hier dasselbe ist, der (Vohlklang
^er Intervalle gerade auf der Rationalität der Verhältnisse
^er Schwingungszahlen beruhe? Ist jene Rationalität der
^rund der Schönheit oder des (Vohlklanges der Intervalle?
Auf diese Frage ist ganz entschieden mit Nein zu
m>tworten, was sich auch sehr leicht beweisen läßt. Jeder
Akustiker und theoretisch gebildete Musiker weiß, daß bei
6en schneidendsten Dissonanzen die Verhältnisse der Schwin-
Lungszahlen gerade so gut rational sind, wie in den voll-
ko>n,neusten Aonsonanzen. Tyndall bezeichnet die Ver-
bindung zweier Töne von dem Verhältnisse (5: (6 als
schneidende Dissonanz; aber das Verhältniß dieser Schwin-
ist ohne Zweifel rational. Es kann also die
der Verhältnisse der Schwingungszahlen bei
unmöglich der wahre Grund des (Vohlklangs
Sungszahlen
Nationalität
Intervallen
sein, weil sonst auch die ärgsten Dissonanzen wohlklingend
sein müßten. Es ist also ein evidenter akustischer Irrthum,
wenn Rezensent sagt, daß die Schönheit der Intervalle
gerade auf der Rationalität beruhe. (Velches der wahre
Grund des (Vohlklanges und Mißklanges sei, wird sich
bald zeigen, wenn wir den kritischen Irrthum der oben
citirten Stelle aufdecken. Rezensent spricht dort die Meinung
aus, daß der Verfasser des Buches in einen Widerspruch
oder eine Inkonsequenz verfallen sei, weil er einerseits das
irrationale Verhältniß des goldenen Schnittes und anderer-
seits wieder die rationalen Verhältnisse der konsonanten
Intervalle als schön preist. Ich könnte, um den Schein
des Widerspruches zu beseitigen, einfach bemerken, daß das
irrationale Verhältniß des goldenen Schnittes eine geo-
metrische, folglich optische, ein nmsikalisches Intervall aber
eine akustische Erscheinung ist, und es sei wegen der
totalen Verschiedenheit der optischen und akustischen Sinnes-
empfindungen wohl möglich und gar nicht widersprechend
anzunehmen, daß ini optischen Gebiete ein irrationales, im
akustischen aber ein rationales Verhältniß den Vorzug der
größeren Schönheit habe. Ich kann jedoch den Vorwurf
des Widerspruchs oder der Inkonsequenz noch auf eine
andere Weise und noch gründlicher beseitigen. Wenn man
etwas lobt, so muß der Grund des Lobes vom Gegenstand
unterschieden werden. Der Heiland lobt im Evangelium
den ungerechten Haushalter, nicht wegen seiner Ungerechtig-
keit, sondern wegen der Alugheit. Ich habe das irratio-
nale Verhältniß des goldenen Schnittes und auch das ratio-
nale der konsonanten Intervalle als schön gelobt, das ist
richtig. Aber wo ich diese verschiedenen Verhältnisse wegen
ihres ästhetischen Werthes lobe, da habe ich weder das
irrationale Verhältniß des goldenen Schnittes wegen der
Irrationalität, noch auch das rationale der Intervalle
wegen der Rationalität, sondern beide wegen einer Eigen-
schaft, worin sie übereinstimmen, gepriesen — diese Eigen-
schaft ist die Stetigkeit. Daß ich den ästhetischen Werth
und Effekt des goldenen Schnittes wesentlich der Stetigkeit
zuschreibe, ist S. 4( und 2\i\ meines Buches ausdrücklich
gesagt. Daß auch die konsonanten Intervalle ihre Wohl-
gefälligkeit einer gewissen Stetigkeit verdanken, ist zwar in
meinem Buche nicht ausdrücklich gesagt, läßt sich aber aus
der Natur der Sache und durch Zurückgehen auf den
wahren Grund der Dissonanzen und Aonsonanzen beweisen.
Nach den Erklärungen von Helmholz und Tyndall entstehen
die Dissonanzen durch jene Stöße oder Schläge, welche sich
einstellen, wenn die Schwingungszahlen zweier gleichzeitiger
Töne um eine bestinnnte Anzahl differiren. Nach Helmholz
erzeugen 33 solcher Stöße in einer Sekunde eine fast uner-
trägliche Dissonanz. Nach der Schilderung von Tyndall sind
solche dissonante Akkorde durch eine „abgerissene Inter-
mittcnz" charakterisirt.
„Abgerissene Intermittenz" ist offenbar das Gegentheil
von Stetigkeit und ist nach Tyndall Ursache des unan-
genehmen Eindruckes starker Dissonanzen. Da nun die
konsonanten Intervalle durch eine entgegengesetzte Wohl-
gefälligkeit sich auszeichnen, so muß diesen, im Gegensatz
zur Unstetigkeit der dissonanten Intervalle, eine gewisse
akustische Stetigkeit zukommen, was auch das musikalische
Gehör bezeugt. Wir sehen also, daß zwischen der Wohl-
gesälligkeit im optischen und akustischen Gebiete, wenn man
Geschichte der Akustik berichtet uns, daß schon Pytha-
3e>ras die Abhängigkeit der vollkommenen Aonsonanzen
(der Gktav, ^uint und ^uart) von bestimmten, in kleinen
Lanzen Zahlen ausdrückbaren Verhältnissen der Längen der
tönenden Saiten, nämlich von den Verhältnissen (: 2, 2:3
Un^ 3: q, erkannt habe (vgl. Helmholz, Tonempfindungen,
a. Aust. S. 2). Helmholz bemerkt, daß man später an die
stelle der Saitenlängen die Schwingungszahlen der Töne
^tzte und zu den Verhältnissen der vollkommenen Aon-
sonanzen noch jene der minder vollkommenen hinzufügte
^ud insofern jene pythagoreische Entdeckung verallgemeinerte,
aber er fügt bei, daß kein Fortschritt geinacht wurde in der
Beantwortung der Frage, was die musikalischen Aon-
sonanzen mit den Verhältnissen der ersten sechs ganzen
-Zahlen zu thun haben. Diese Frage hat bekanntlich Helm-
H beantwortet, indem er die Entstehung der Aonsonanzen
und Dissonanzen physikalisch erklärte.
«Ziehen wir die Aonsequenz. Auch in der Akustik ging
^et Nachweis bestimmter Zahlen Verhältnisse voran, und die
Erklärung der Bedeutung dieser Verhältnisse vom physi-
kalischen oder, wenn man will, mechanischen Gesichtspunkt
folgte nach.
Aber gerade diese physikalische Erklärung des akustischen
Gesetzes, daß der Wohlklang von gewissen Verhältnissen der
bchwingungszahlen der Töne abhängt, hat der Rezensent
sich nicht zu Nutzen gemacht, denn er spricht in seiner
Rezension einen akustischen Irrthum aus, den er hätte ver-
meiden können, wenn er die physikalische Erklärung der
Konsonanzen und Dissonanzen berücksichtigt hätte. Die be-
rstende Stelle der Rezension bezieht sich auf die Partie
Meines Buches S. (86—(89 und lautet wörtlich: „(Venn
er (der Verfasser) sich schließlich Hinreißen läßt, in den
^andknochen dieselben Zahlenverhältnisse zu finden, wie in
musikalischen Intervallen des von der Hand erbauten
'Md gespielten Instrumentes, so scheint er ganz zu vergessen,
Mie sehr er früher das irrationale Verhältniß beim goldenen
Schnitt gepriesen hat, während die Schönheit der Inter-
Ualle gerade auf der Rationalität der Schwingungsver-
hältnisie beruht. Am Ende ließen sich wohl gar beim
^kephmckm die Intervalle Nachweisen, weil er die Alavier-
taften liefert."
Wir wollen doch sehen, auf welcher Seite der Fehler
^gangen wurde, zu unüberlegten Behauptungen sich hin-
^^ißen zu lassen.
Ist es wahr, was Rezensent behauptet, daß nämlich
Schönheit, oder was hier dasselbe ist, der (Vohlklang
^er Intervalle gerade auf der Rationalität der Verhältnisse
^er Schwingungszahlen beruhe? Ist jene Rationalität der
^rund der Schönheit oder des (Vohlklanges der Intervalle?
Auf diese Frage ist ganz entschieden mit Nein zu
m>tworten, was sich auch sehr leicht beweisen läßt. Jeder
Akustiker und theoretisch gebildete Musiker weiß, daß bei
6en schneidendsten Dissonanzen die Verhältnisse der Schwin-
Lungszahlen gerade so gut rational sind, wie in den voll-
ko>n,neusten Aonsonanzen. Tyndall bezeichnet die Ver-
bindung zweier Töne von dem Verhältnisse (5: (6 als
schneidende Dissonanz; aber das Verhältniß dieser Schwin-
ist ohne Zweifel rational. Es kann also die
der Verhältnisse der Schwingungszahlen bei
unmöglich der wahre Grund des (Vohlklangs
Sungszahlen
Nationalität
Intervallen
sein, weil sonst auch die ärgsten Dissonanzen wohlklingend
sein müßten. Es ist also ein evidenter akustischer Irrthum,
wenn Rezensent sagt, daß die Schönheit der Intervalle
gerade auf der Rationalität beruhe. (Velches der wahre
Grund des (Vohlklanges und Mißklanges sei, wird sich
bald zeigen, wenn wir den kritischen Irrthum der oben
citirten Stelle aufdecken. Rezensent spricht dort die Meinung
aus, daß der Verfasser des Buches in einen Widerspruch
oder eine Inkonsequenz verfallen sei, weil er einerseits das
irrationale Verhältniß des goldenen Schnittes und anderer-
seits wieder die rationalen Verhältnisse der konsonanten
Intervalle als schön preist. Ich könnte, um den Schein
des Widerspruches zu beseitigen, einfach bemerken, daß das
irrationale Verhältniß des goldenen Schnittes eine geo-
metrische, folglich optische, ein nmsikalisches Intervall aber
eine akustische Erscheinung ist, und es sei wegen der
totalen Verschiedenheit der optischen und akustischen Sinnes-
empfindungen wohl möglich und gar nicht widersprechend
anzunehmen, daß ini optischen Gebiete ein irrationales, im
akustischen aber ein rationales Verhältniß den Vorzug der
größeren Schönheit habe. Ich kann jedoch den Vorwurf
des Widerspruchs oder der Inkonsequenz noch auf eine
andere Weise und noch gründlicher beseitigen. Wenn man
etwas lobt, so muß der Grund des Lobes vom Gegenstand
unterschieden werden. Der Heiland lobt im Evangelium
den ungerechten Haushalter, nicht wegen seiner Ungerechtig-
keit, sondern wegen der Alugheit. Ich habe das irratio-
nale Verhältniß des goldenen Schnittes und auch das ratio-
nale der konsonanten Intervalle als schön gelobt, das ist
richtig. Aber wo ich diese verschiedenen Verhältnisse wegen
ihres ästhetischen Werthes lobe, da habe ich weder das
irrationale Verhältniß des goldenen Schnittes wegen der
Irrationalität, noch auch das rationale der Intervalle
wegen der Rationalität, sondern beide wegen einer Eigen-
schaft, worin sie übereinstimmen, gepriesen — diese Eigen-
schaft ist die Stetigkeit. Daß ich den ästhetischen Werth
und Effekt des goldenen Schnittes wesentlich der Stetigkeit
zuschreibe, ist S. 4( und 2\i\ meines Buches ausdrücklich
gesagt. Daß auch die konsonanten Intervalle ihre Wohl-
gefälligkeit einer gewissen Stetigkeit verdanken, ist zwar in
meinem Buche nicht ausdrücklich gesagt, läßt sich aber aus
der Natur der Sache und durch Zurückgehen auf den
wahren Grund der Dissonanzen und Aonsonanzen beweisen.
Nach den Erklärungen von Helmholz und Tyndall entstehen
die Dissonanzen durch jene Stöße oder Schläge, welche sich
einstellen, wenn die Schwingungszahlen zweier gleichzeitiger
Töne um eine bestinnnte Anzahl differiren. Nach Helmholz
erzeugen 33 solcher Stöße in einer Sekunde eine fast uner-
trägliche Dissonanz. Nach der Schilderung von Tyndall sind
solche dissonante Akkorde durch eine „abgerissene Inter-
mittcnz" charakterisirt.
„Abgerissene Intermittenz" ist offenbar das Gegentheil
von Stetigkeit und ist nach Tyndall Ursache des unan-
genehmen Eindruckes starker Dissonanzen. Da nun die
konsonanten Intervalle durch eine entgegengesetzte Wohl-
gefälligkeit sich auszeichnen, so muß diesen, im Gegensatz
zur Unstetigkeit der dissonanten Intervalle, eine gewisse
akustische Stetigkeit zukommen, was auch das musikalische
Gehör bezeugt. Wir sehen also, daß zwischen der Wohl-
gesälligkeit im optischen und akustischen Gebiete, wenn man