Adel und Volk in der Kunst.
30- Anhänger;
von Philipp Bissinger, Nörd-
lingen. Silber mit Perlschale und
12 Türkisen.
innerhalb sehr enger Grenzen
bewegte. Gin Lord, eine Her-
zogin, ein Pferderennen, eine
Gräfin, eine Marquise mit
ihren Kindern, eine Parforce-
jagd usw. sind die Gegenstände
der Bilder dieser Meister. So
klein ist der Ausschnitt des
Lebens, aus dem sich die eng-
lische Kunst des f8. Jahrhun-
derts ihre Inspiration holte.
Und wenn sie einmal weiter
griff, geschah es nicht unge-
straft. Diese Kunst hat nicht
ein einziges religiöses oder
geschichtliches Ereignis oder
sonst eine Begebenheit von all-
gemeiner, großer Bedeutung
vollendet dargestellt. Sir
Joshua Reynolds, der von
der italienischen Renaissance
viel mehr als feine engern
Zeitgenossen wußte, versuchte
wiederholt, es den Italienern
gleichzutun, doch in dem Maße, als er sich von
dem aristokratischen Gesichtspunkt für die Kunst
entfernte, verlor sein Ausdrucksvermögen die Kraft
und Lebendigkeit. Die Anschauungen und Mut-
maßungen, die Vorstellungen der klassischen Ge-
dankenwelt, sie vermochten ihn nicht zu erreichen,
obgleich er ein Künstler und sie voll Menschlich-
keit waren. Aber wenn er eine Lady Mary oder
Lady Betty als eins Diana oder als eine Dryade
darstellte, da wurde das Gemälde in dem Maße
mehr begeisternd und erhebend, als er den patri-
zischen Reiz, der damals als der Prüfstein für alles
3;. Anhänger;
von ffeinr. Schmitt, Nördlingen.
Gold mit 4 Almandinen.
Schöne galt, mehr und mehr
zum Ausdrucke brachte. Der
gleiche pang und die gleiche
Auffassung wiegen bei der
Darstellung der gewöhnlich-
sten Dinge des alltäglichen
Lebens vor. Die Dörfler
und Bauern, das Innere
der Landhäuser und die länd-
lichen Szenen von George
Morland, Erome und den
meisten übrigen englischen
und französischen Malern des
j8. Jahrhunderts sind ohne
die Mühe entstanden, das
Leben zu erfassen, wie es wirk-
lich ist. Das ist nicht die
Bauernschaft, wie sie damals
zur Zeit ihrer tiefsten Ernied-
rigung war, diese Bilder sind
eine Darstellung des länd-
lichen Lebens, wie der Adel
wünschte, daß es sei, oder glaubte, es wäre wirk-
lich so. Und wie den Menschen, erging es auch
der Natur in dieser Kunst. Die Wiesen und Wälder,
die Bäche und pügel, die knorrige Eiche mit den
buckligen Gliedern und dem büschligen Blätterwerk,
die Felsen und Flüsse, sie alle haben das gleiche
unbestimmte, glatte und gelehrige Aussehen. Sie
scheinen bloß einen Teil der Annehmlichkeiten
eines feudalen Herrensitzes der Vorzeit zu bilden.
Alles ist malerisch zugeschnitten. Selbst die Hunde
und Pferde auf diesen Bildern sind von der gleichen
Art; sie Hüpfen und tändeln mit einem gehor-
52. Brustschmuck; von ksans Perchermeier;
Silber, in der Mitte perlschale.
lZ
30- Anhänger;
von Philipp Bissinger, Nörd-
lingen. Silber mit Perlschale und
12 Türkisen.
innerhalb sehr enger Grenzen
bewegte. Gin Lord, eine Her-
zogin, ein Pferderennen, eine
Gräfin, eine Marquise mit
ihren Kindern, eine Parforce-
jagd usw. sind die Gegenstände
der Bilder dieser Meister. So
klein ist der Ausschnitt des
Lebens, aus dem sich die eng-
lische Kunst des f8. Jahrhun-
derts ihre Inspiration holte.
Und wenn sie einmal weiter
griff, geschah es nicht unge-
straft. Diese Kunst hat nicht
ein einziges religiöses oder
geschichtliches Ereignis oder
sonst eine Begebenheit von all-
gemeiner, großer Bedeutung
vollendet dargestellt. Sir
Joshua Reynolds, der von
der italienischen Renaissance
viel mehr als feine engern
Zeitgenossen wußte, versuchte
wiederholt, es den Italienern
gleichzutun, doch in dem Maße, als er sich von
dem aristokratischen Gesichtspunkt für die Kunst
entfernte, verlor sein Ausdrucksvermögen die Kraft
und Lebendigkeit. Die Anschauungen und Mut-
maßungen, die Vorstellungen der klassischen Ge-
dankenwelt, sie vermochten ihn nicht zu erreichen,
obgleich er ein Künstler und sie voll Menschlich-
keit waren. Aber wenn er eine Lady Mary oder
Lady Betty als eins Diana oder als eine Dryade
darstellte, da wurde das Gemälde in dem Maße
mehr begeisternd und erhebend, als er den patri-
zischen Reiz, der damals als der Prüfstein für alles
3;. Anhänger;
von ffeinr. Schmitt, Nördlingen.
Gold mit 4 Almandinen.
Schöne galt, mehr und mehr
zum Ausdrucke brachte. Der
gleiche pang und die gleiche
Auffassung wiegen bei der
Darstellung der gewöhnlich-
sten Dinge des alltäglichen
Lebens vor. Die Dörfler
und Bauern, das Innere
der Landhäuser und die länd-
lichen Szenen von George
Morland, Erome und den
meisten übrigen englischen
und französischen Malern des
j8. Jahrhunderts sind ohne
die Mühe entstanden, das
Leben zu erfassen, wie es wirk-
lich ist. Das ist nicht die
Bauernschaft, wie sie damals
zur Zeit ihrer tiefsten Ernied-
rigung war, diese Bilder sind
eine Darstellung des länd-
lichen Lebens, wie der Adel
wünschte, daß es sei, oder glaubte, es wäre wirk-
lich so. Und wie den Menschen, erging es auch
der Natur in dieser Kunst. Die Wiesen und Wälder,
die Bäche und pügel, die knorrige Eiche mit den
buckligen Gliedern und dem büschligen Blätterwerk,
die Felsen und Flüsse, sie alle haben das gleiche
unbestimmte, glatte und gelehrige Aussehen. Sie
scheinen bloß einen Teil der Annehmlichkeiten
eines feudalen Herrensitzes der Vorzeit zu bilden.
Alles ist malerisch zugeschnitten. Selbst die Hunde
und Pferde auf diesen Bildern sind von der gleichen
Art; sie Hüpfen und tändeln mit einem gehor-
52. Brustschmuck; von ksans Perchermeier;
Silber, in der Mitte perlschale.
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