Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 63.1912-1913

DOI Artikel:
Braun, Irene: Textilkünste auf der Gewerbeschau
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.7141#0163

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Textilkünste auf der Gewerbeschau.

TeMkßünske aufder SewerKeschau.

(Von (srene lKraun.

^as Motto der Gewerbeschau: „Gin-
fach und gediegen", konnte für
die Stickerei und die ihr ver-
wandten Künste nicht durchweg
gelten; sie waren mehr als Gäste
geladen, und für solche gibt es
bekanntlich Ausnahmen von der Hausordnung. Sie
dienen ihrer Natur nach dem Luxus, sie dürfen mit
all den reichen Ausdrucksmitteln spielen, die ihnen
die moderne Industrie in die pand gibt. Wirkt
ja doch in einem ruhig und feingestimmten Raum
manchmal ein leuchtend buntesSeidekissen oderDeckchen
wie ein eingesetztes Juwel.

Der Eindruck im ganzen war sehr erfreulich,
wenn auch besondere Überraschungen fehlten. Aber
es wird ja Gott sei Dank nicht für jede Ausstellung
ein neuer Stil erfunden.

„farbig" ist Mode. Einige Arbeiten haben
freilich die Grenzen überschritten, die immerhin noch
gelten dürften. Manchmal erschienen bunte Woll-
blumen willkürlich zu grellen Sträußen geordnet,
während gerade bei starken Kontrasten ein besonderes
Feingefühl walten sollte. Manchmal war der Kultus
des Harbfleckes etwas weit getrieben, manchmal ein
Stillebeneffekt angestrebt, den die Stickkunst nicht
recht zu leisten vermag. Aber im allgemeinen ist
die zweite Horderung: „Qualitätsarbeit" auch von
den Textilkünsten redlich erfüllt worden.

Ihr Reich lag etwas abseits, hinter den großen
Sälen, in welchen die Webstühle unaufhörlich raffelten;
wer dort eine feine Bemerkung machen wollte, mußte

243. Tischdecke; von G. Do dt; grau Leinen, Rand schwarz
mit rot und grün.

(7,5 d. wirkt. Größe.) vgl. Abb. 244.

244. tttittelstück einer Tischdecke (s. Abb. 243); von G. Dodt.
Graues Leinen; Stickerei: Mitte goldgelb, erster Ring weiß
und rot bestickt, grün eingefaßt. Achtechtsstäche schwarz mit
Grnameut in violett, grün und wenig granatrot. (7s d. w. Gr.)

sie den andern in die Ohren schreien. Die Auf-
stellung in den kleinen lichtgetönten, von Hrau
lh.ienl-Merre zierlich ausgestalteten Räumen war
dagegen sehr günstig, ebenso der Mnstand, daß jede
der Künstlerinnen ihre Vitrine für sich hatte und nach
Belieben aufbauen konnte, ohne von einem auf-
dringlichen Nachbar,, totgeschlagen" zu werden. Die
Schattenseite dieser Einrichtung, die sehr erheblichen
Kosten, wurde z. T. durch Zuwendungen aus der
Prinzregentenstiftung gemildert. Vielleicht darf schon
jetzt der Wunsch ausgesprochen werden, es möchten
bei künftigen Veranstaltungen für diejenigen, welche
einzelne künstlerische Landarbeit liefern, andere Be-
dingungen gemacht werden als für die Aussteller
von Habrikerzeugnissen, die jederzeit aus ihren Vor-
räten nachliefern können.

Unsere Bilder geben eine beschränkte Auswahl
von charakteristischen Arbeiten wieder, und wie immer
bei solchen Dingen, muß die Erinnerung oder die
Phantasie des Beschauers das Bild ergänzen, dessen
bester Reiz meist im Harbenakkord und der Behand-
lung des Materials liegt. So gut und kräftig die
Vorhangborte von G. Dodt z. B. als Zeichnung er-
scheint (Abb. 24.5 u. 246), — ihren eigentümlichen
Charakter erhielt sie durch den Zusammenklang des
stumpfen Blaugrün der Kurbelstickerei mit dem
kühlen Dunkelrot des groben Leinenstoffs. Auch das
Mittelstück der Tischdecke (Abb. 243 u. 244) mit seinen
 
Annotationen