Die Bayerische Gewerbeschau München (9;2.
33. Schmuckkästchen; von L. F. Schmedding, Augsburg.
Silber, mit Elfenbeinschnitzerei von Ernst Geiger, lvolfrats-
hausen. (Ungefähr Vs d. wirkl. Größe.)
samen Mutwillen, sie wölben die Hälse und bäumen
sich mit einem Feuer, das die Grenzen der Schick-
lichkeit niemals überschreitet, und das Leuchten
ihrer Glotzaugen ist stets durch sehnsüchtige Blicke
gemildert, die sie voll Bewunderung auf ihre Herren
werfen.
Wenn man den Blick von der von Reynolds
und Gainsborough geführten Schule zu den Schulen
wendet, die von Rembrandt, Velasquez und Titian
geleitet wurden, oder das Auge auf die Werke der
großen Florentiner richtet, nimmt man unbedingt
die große Ginbuße an Wahrheit und Wirklichkeit
wahr, die die englische Schule durch ihre Dienstbe-
flissenheit für den englischen Adel erlitten hat. Rem-
brandt, Titian und Velasquez gaben uns nicht
nur nlehr Leben als Reynolds und Gainsborough,
sondern sie stellen die Dinge auch tiefer und wahrer,
so wie sie sind, dar. Sie geben uns die Eindrücke,
die ein Aünstler empfängt, wenn er das Leben vom
rein menschlichen Standpunkte beobachtet, während
die englischen Maler des (8. Jahrhunderts schein-
bar nie anders als aus den kleintäfeligen Fenstern
eines adeligen Hauses in das Lebens geblickt haben.
Auch die französische Aunst dieses Zeitabschnittes
stand ganz und vielleicht noch mehr unter dem Ein-
flüsse des Adels.
Dieses gänzliche Nichtbeachten aller Dinge, die
außerhalb einer Alaffe lagen oder ihr nicht ange-
nehm waren, ist aber nicht nur von geschichtlichen,
Interesse, sondern hat auch mit dem Wesen der
Aunst sehr viel zu tun. welchen Wechsel in der
Gemütsstimmung, welche andersgeartete Auffassung
von der Aunst nehmen wir denn augenblicklich wahr,
wenn wir von den anmutigen und lieblichen Ge-
mälden der Schule Reynolds auf die ernsten und über-
schwänglichen 'Kompositionen einer Verkündigung,
Heimsuchung, Areuzigung u. dgl. schauen, die sich
wie festliche, erhebende und befreiende Gedanken
durch die Entwicklung der italienischen Renaissance
ziehen? wir sehen da einmal einen Wechsel, der
durch den verschiedenen Vorwurf bedingt ist; aber
das ist bei weitem nicht alles. Es ist auch eine
große Verschiedenheit in der Güte der Malerei vor-
handen. Die großen geistigen Vorwürfe der Volks-
kunst haben sich selbst und ungezwungen in Aom-
positionen von einer Größe und Würde geäußert,
die wir in der Aunst des Adels nicht ein einziges
Mal finden. Die Typen der Gesichter und Aöpfe,
die einzelnen Figuren und Gruppen sind von einer
monumentalen Einfachheit und Bedeutung, die mit
der geläufigen Anmutigkeit eines Gainsborough oder
Romney nichts gemein hat.
wir scheinen heutzutage die einfache Wahrheit,
vergessen zu haben, daß, je größer die Aufgabe ist,
desto gewaltiger ihre rein ästhetische Wirkung wird.
Alle ästhetischen Grundsätze, die auf die Einheit der
Wirkung abzielen, werden durch ein Motiv betätigt,
das groß genug ist, alle kleineren, widerstreitenden
Motive zu überragen. Es ist die Wirkung und der
Einfluß des Hauptmotivs, die wir anerkennen, wenn
wir von der Harmonie einer Aomposition und von
der Unterordnung ihrer Teile zu dem Ganzen reden.
Die Aomposition wird von Gedanken beherrscht und
3H u. 35. Dosen; von Karl Johann Bauer.
Links: rot gebeiztes Holz, Deckel aus getriebenem Silberblech,
Perlschale, Silberstifte; - rechts: grau gebeiztes Holz, getriebenes
Silberblech mit grünen Steinen. (Vs d. wirkl. Größe.)
33. Schmuckkästchen; von L. F. Schmedding, Augsburg.
Silber, mit Elfenbeinschnitzerei von Ernst Geiger, lvolfrats-
hausen. (Ungefähr Vs d. wirkl. Größe.)
samen Mutwillen, sie wölben die Hälse und bäumen
sich mit einem Feuer, das die Grenzen der Schick-
lichkeit niemals überschreitet, und das Leuchten
ihrer Glotzaugen ist stets durch sehnsüchtige Blicke
gemildert, die sie voll Bewunderung auf ihre Herren
werfen.
Wenn man den Blick von der von Reynolds
und Gainsborough geführten Schule zu den Schulen
wendet, die von Rembrandt, Velasquez und Titian
geleitet wurden, oder das Auge auf die Werke der
großen Florentiner richtet, nimmt man unbedingt
die große Ginbuße an Wahrheit und Wirklichkeit
wahr, die die englische Schule durch ihre Dienstbe-
flissenheit für den englischen Adel erlitten hat. Rem-
brandt, Titian und Velasquez gaben uns nicht
nur nlehr Leben als Reynolds und Gainsborough,
sondern sie stellen die Dinge auch tiefer und wahrer,
so wie sie sind, dar. Sie geben uns die Eindrücke,
die ein Aünstler empfängt, wenn er das Leben vom
rein menschlichen Standpunkte beobachtet, während
die englischen Maler des (8. Jahrhunderts schein-
bar nie anders als aus den kleintäfeligen Fenstern
eines adeligen Hauses in das Lebens geblickt haben.
Auch die französische Aunst dieses Zeitabschnittes
stand ganz und vielleicht noch mehr unter dem Ein-
flüsse des Adels.
Dieses gänzliche Nichtbeachten aller Dinge, die
außerhalb einer Alaffe lagen oder ihr nicht ange-
nehm waren, ist aber nicht nur von geschichtlichen,
Interesse, sondern hat auch mit dem Wesen der
Aunst sehr viel zu tun. welchen Wechsel in der
Gemütsstimmung, welche andersgeartete Auffassung
von der Aunst nehmen wir denn augenblicklich wahr,
wenn wir von den anmutigen und lieblichen Ge-
mälden der Schule Reynolds auf die ernsten und über-
schwänglichen 'Kompositionen einer Verkündigung,
Heimsuchung, Areuzigung u. dgl. schauen, die sich
wie festliche, erhebende und befreiende Gedanken
durch die Entwicklung der italienischen Renaissance
ziehen? wir sehen da einmal einen Wechsel, der
durch den verschiedenen Vorwurf bedingt ist; aber
das ist bei weitem nicht alles. Es ist auch eine
große Verschiedenheit in der Güte der Malerei vor-
handen. Die großen geistigen Vorwürfe der Volks-
kunst haben sich selbst und ungezwungen in Aom-
positionen von einer Größe und Würde geäußert,
die wir in der Aunst des Adels nicht ein einziges
Mal finden. Die Typen der Gesichter und Aöpfe,
die einzelnen Figuren und Gruppen sind von einer
monumentalen Einfachheit und Bedeutung, die mit
der geläufigen Anmutigkeit eines Gainsborough oder
Romney nichts gemein hat.
wir scheinen heutzutage die einfache Wahrheit,
vergessen zu haben, daß, je größer die Aufgabe ist,
desto gewaltiger ihre rein ästhetische Wirkung wird.
Alle ästhetischen Grundsätze, die auf die Einheit der
Wirkung abzielen, werden durch ein Motiv betätigt,
das groß genug ist, alle kleineren, widerstreitenden
Motive zu überragen. Es ist die Wirkung und der
Einfluß des Hauptmotivs, die wir anerkennen, wenn
wir von der Harmonie einer Aomposition und von
der Unterordnung ihrer Teile zu dem Ganzen reden.
Die Aomposition wird von Gedanken beherrscht und
3H u. 35. Dosen; von Karl Johann Bauer.
Links: rot gebeiztes Holz, Deckel aus getriebenem Silberblech,
Perlschale, Silberstifte; - rechts: grau gebeiztes Holz, getriebenes
Silberblech mit grünen Steinen. (Vs d. wirkl. Größe.)