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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 63.1912-1913

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Wais, Joseph: Ludwig Mühlbauer
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https://doi.org/10.11588/diglit.7141#0210

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Ludwig Mühlbauer.

Z8H u. I8S. „Iller" und „Lech", am Erkerkorb des Gberpostdirektionsgebäude iu Augsburg. Bildhauerarbeiten von
Ludwig Mühlbauer. Architektur von Ministerialrat Micklein.

Methode ist für die Aunst und für das publikuni
um so eher Gewinn zu erhoffen, als sie bei ihren
doktrinären Erörterungen von der Wurzel ausgeht
und außer einem offenen Auge und klaren Sinn
auf jede andere Voraussetzung verzichtet. Aus dieser
Wurzel, den: seelischen Erleben, entsprießt jede künst-
lerische Tätigkeit, mag sie in Form und Ausdruck
noch so verschieden sein, und aus dem Stärkegrad
dieses inneren Erlebens basiert hauptsächlich die
Größe eines Aünstlers und der Wert seines Werkes.
Die technische Ausdruckssähigkeit ist von wichtiger,
aber nicht grundlegender Bedeutung. So beruht
z. B. die Wertschätzung der Bilder von Domenico
Theotocopuli, genannt el Greco, in erster Linie auf
der feurigen Aussprache eines intensiven künstlerischen
inneren Erlebens, das sich über die Aorrektheit von
Form und Zeichnung rücksichtslos hinwegsetzt. Die
Bilder haben das größte Aufsehen erregt, noch be-
vor die neue Forschung von einer Augenanomalie
Grecos sprach. Ähnlich verhält es sich mit der Aunst
der alten deutschen Meister. Dieses künstlerische seelische
Erleben ist abhängig von der Intelligenz, von der
Bildung, vom ästhetischen Gefühl und Empfinden, vom
Gemüt und vom Temperament des Aünstlers, und es
äußert sich entsprechend den verschiedenen Aunst-
zweigen und auch entsprechend der verschiedenartigen
individuellen Veranlagung aus mannigfache Weise.
Beim Architekten ist es vornehmlich r a um gestaltender,
beim Bildhauer sormbildender Natur, doch läßt
sich gerade bei diesen beiden künstlerischen Berufs-
arten eine strenge Scheidung nicht wahrnehmen. Wie
sich Architektur und Plastik rein äußerlich ergänzen,
so müssen sie auch, sollen sie sich harmonisch zu-
sammenfügen, als Einheit erlebt werden. Der Bild-
hauer muß fein Werk in Verbindung mit der Archi-
tektur seelisch schauen, wenn er eine einheitliche

Schöpfung erzeugen will; er muß sein Merk nicht
nur als Form, sondern auch als Raunigebilde und
im besonderen Falle als Architekturteil erleben. Wie
ein Aünstler diesen Forderungen in schöner Weise
gerecht wird, sehen wir an den Arbeiten des Mün-
chener Bildhauers Ludwig Mühlbauer.

Der plastische Schmuck am Gberpostdirektions-
gebäude in Augsburg, welches von den Architekten
Ministerialrat Wicklern in München und Direktionsrat
Vogt in Ludwigshafen erbaut wurde, ist als organischer
Teil des Gebäudekomplexes empfunden (Abb. 382
bis 385). Er ordnet sich bei aller Selbständigkeit in
der Modellierung der Architektur unter und ist mit
ihr infolge seiner durchaus logischen Verwendung aufs
engste verwachsen. Uber der Portalwölbung ver-
sinnbildlicht ein geschmackvoll angebrachter Frauen-
kopf die Augusta Vindelicorum. Leicht stilisierte ge-
flügelte Räder schmücken unauffällig in Reliefform
die Felder rechts und links davon. Die das Portal
flankierenden palbsäulen strahlen über dem Gesims,
das sie tragen, in Aonsolen aus, welche in Gestalt
zweier athletisch gebauterjunger Männer einen orginell
verzierten Balkon stützen. Auf dem mittleren Feld
des dreigeteilten Balkons fährt mit Trari und Trara
eine alte Postkutsche aus der Biedermeierzeit auf der
init Bäumen und Girlanden geschmückten Landstraße
dahin. Eine liebenswürdige, frohe Aomposition.
Das linke Feld zeigt uns zu Roß den in früheren
Jahrhunderten zwischen Augsburg und Nürnberg
verkehrenden Aurier, dessen Gegenstück ebenfalls ein
mittelalterlicher Eilbote bildet. Die sinnige Deko-
ration hat trotz der biedermeierlichen Anklänge oder
vielleicht eben wegen derselben durchaus modernen
Tharakter, und die ganze Lösung der Portalumrah-
mung nebst ihrer Endigung im Balkon kann bei
ihrer wohlabgewogenen Verwendung dekorativen
 
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