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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 63.1912-1913

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Chronik des Bayer. Kunsgewerbevereins
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https://doi.org/10.11588/diglit.7141#0359

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Lhronik des Bayer. Kunstgewerbevereins.

Altersspuren so sehr versteckt oder verschwunden, daß man
dazu neigt, diesen vornehmsten Stadtteil auch für den jüngsten
zu halten, was nur von seiner nordwestlichen Hälfte gilt.
Der Vortragende schilderte an kjand von Lichtbildern nach
alten Stichen und photographischen Aufnahmen das frühere
Aussehen und manche jetzt schwer auffindbaren Intimitäten; er
gab nach alten Urkunden eine humorvolle Lharakterisierung der
alten Schwabinger, — wie ein Eberhard von Schwabing seinen
schwer verschuldeten Ejof dem Kloster Schäftlarn schenkte, uin sich
dadurch vor Schliinmerem zu bewahren, — wie die Schwabinger
sich gegen den Bischof von Freising auflehnten, — wie sie den
Föhringern das Fischrecht in der Isar durch Steinwürfe ver-
leideten rc. Erstmals wird Schwabing 782 genannt. Unter
den älteren Bauten Schwabings erwähnte der Vortragende —
teils mit, teils ohne Lichtbilder — das Nikolaikirchlein, das
;8°>8 fiel, — die Bergwirtschaft am Englischen Garten mit dem
kleinen Moritzhäusel, wo Moritz Saphir so manchen Abend zu-
gebracht und die Sonntagsbummler ihren Kaffe genommen, —
den Rittersitz Neufelden (Gohrenschlößchen), — das Biedersteiner
Schloß rc- Ls ist sehr erfreulich, daß der Redner seit Jahren
Material über das alte Schwabing gesammelt hat und dieses
demnächst in einem kleinen Werk der (Öffentlichkeit übergeben
wird. Der lebhafte Beifall, den seine Ausführungen fanden,
hatte wohl in dieser erfreulichen Aussicht seinen Ursprung; möge
dann wenigstens im Bilde erhalten bleiben, was die Zeitver-
hältnisse dem verschwinden geweiht haben!

Fünfzehnter Abend — den ;. April ;gi3 — Vortrag von
Prof. vr. Halm über „Michael Pacher als Maler und Bild-
hauer". Der Redner knüpfte in seinem sehr eingehenden, durch
eine große Zahl von Lichtbildern erläuterten Vortrag an die
Tatsache an, daß Michael Pacher schon seit vielen Jahren
im Mittelpunkt der künstlerischen Forschungen steht und daß er
von Abstammung als einer der Unfern — Altbayern iin alten
Sinn genominen, vom Fichtelberg bis zur Etsch und vom Lech
bis Kärnthen — anzusehen ist. Für dieses altbayrische Stammes-
gebiet war ursprünglich Salzburg der Hauptsitz kirchlicher Kunst,
später(;2.—;q.Iahrh.) Regensburg, welchem dann (im (5-Iahrh.)
— wenigstens für Bildhauerei und Malerei — Tirol folgte.
Als Spezialität ragte die Altarkunst hervor, der Holzschnitzerei
und Malerei in gleicher weise dienstbar waren, und an sie kann
inan nicht denken, ohne daß zugleich der Name Michael Pacher
sich meldet. Er wird zuerst ;465 als Brunecker Bürger, Maler
Michel erwähnt, dann — im Zusammenhang mit dem Altar für
die Stadtpfarrkirche in Gries bei Bozen — am 27- Mai (47 (, den
er gegen 400 m. in Meraner Münz in 4 Jahren fertig zu machen
und aufzustellen hatte. Leider ist er nicht vollständig erhalten. Ihm
folgte (;4?9—8;) der große Altar für St. Wolfgang im Salz-
kammergut. von weiteren größeren Arbeiten (Altar für die
Stadtpfarrkirche in Bozen, einein anderen für die Franziskaner-
kirche in Salzburg) haben sich kaum nennenswerte Reste er-
halten. Bei all seinen Arbeiten hatte Michael Pacher — wie
es der damaligen Zunftordnung entsprach — sowohl Malerei
als Bildschnitzerei zu handhaben. Im weiteren Verlauf des
Vortrags brachte der Redner die genannten Altäre aus Gries
und St. Wolfgang in allen Gesamt- und zahlreichen Einzel-
ansichten zur Vorführung, wobei er in besonderer Ausführlich-
keit dem St. wolfganger Altar gerecht wurde, den Meister Pacher
im Auftrag des Abtes Benedikt von Kloster Mondsee, zu welchem
St. Wolfgang an dem idyllischen See gleicheil Namens im Salz-
kammergut gehörte, anfertigte. Vollendet (48(, ist er „der be-
deutendste Altar seiner Zeit und Art und verdient schon in seinem

Reichtum an Schnitzwerk und Gemälden, die in ihrer künstlerischen
(Dualität und manuellen Tüchtigkeit miteinander wetteifern —
von der fortschrittlichen Gesinnung des Meisters ganz zu
schweigen — schlechterdings als eine Wunderschöpfung bezeichnet
zu werden". Als einer der Helfer kommt ein Friedrich Pacher
in Betracht, der auch aus Bruneck war, ^vielleicht ein älterer
Bruder Michaels; Kaiser Maximilian zog ihn (Z04 zu Rate
wegen der teilweise zerstörten alten Fresken in Schloß Runkelstein.

von Friedrich Pachers Altarwerken, kommt eines aus dem
Jöchelstnrm in Sterzing in Betracht, dessen Hauptbild sich jetzt
auf Schloß Tratzberg bei Jenbach befindet, während die beiden
Flügel, deren Herkunft iiian erst später erkannte, schon in den
70er Jahren von ff Prof. vr. I. Sepp an das Tiberiaskloster (Pa-
lästina) verschenkt wurden. Ist Friedrich Pacher auch weniger be-
deutend als Michael, so darf ihm doch das verdienst zugeschrieben
werden, der Kunst Norditaliens, besonders Paduas, den Eingang
nach Tirol geöffnet zu haben. — Mit dem jetzt in der alten
Pinakothek wieder vereinigten Kirchenväteraltar schloß die Reihe
der werke Michael Pachers des Malers. Ebenbürtig^ aber mit
den Altargemälden sind Michaels Holzschnitzwerke, die die Ge-
mälde einfassen und krönen. Die beiden Künste gehen völlig
ineinander auf; von Arbeitsteilung kann da keine Rede sein,
wenn auch Michael Pacher im Grund seines Herzens Bildhauer
war. — Den Schluß der Bilderreihe machte der aus vulpmes
stammende, jetzt iin Breslauer Dom hängende Kruzifixus. Nach
einem nicht mißzuverstehenden Hinweis auf den nachhaltigen Ein-
fluß, den Michael Pachers Kunst noch lange auf Tirol aus-
übte und auf den so ganz deutschen Charakter dieser Kunst
schloß der Redner unter aufrichtigste>n Beifall feilten Vortrag
mit dem Spruch:

was deutsch und echt wüßt keiner mehr,

Lebts nicht in deutscher Meister Ehr.

Sechzehnter Abend — den 8. April ;°>;z — ein geselliger
Abend. Die Losung „Salvator" hatte die Vereinsmitglieder in die
wohlbekannten Räume geführt, wo zahlreicheBilder- aus früheren
Jahrzehnten bis zur Gegenwart — das Salvatorleben auf
dem Nockherberg schilderten und so den Hintergrund zu einem
feuchtfröhlichen Vortrag Th. Heidens bildeten. Gesangs- und
deklamatorische Vorträge belebten die Unterhaltung und ließen
den Wunsch reifen, daß auch künftighin eine solche Unterbrechung
des Vortragsabends ermöglicht werden sollte.

Siebzehnter Abend — den (5. April (y(z — Vortrag
von Alexander Heilmeyer über Karl S x i tz w e g, den Maler-
Romantiker, der — geboren am 8. Februar (806 •— mit der
Axothekerlaufbahn begann, im 28. Lebensjahr aber zur Malerei
überging und als reiner Autodidakt es zu einer Meisterschaft
brachte, die ihn zum charakter- und humorvollsten Schilderer
menschlicher Torheiten, altstädtischer Idyllen, poesievoller Land-
schaften, stimmungsvoller Nachtbilder, altväterischer Zopfigkeit
werden ließ. Der Vortragende verstand es vorzüglich, unter-
stützt durch ein Lichtbildmaterial von mehr als einem halben
hundert Platten — darunter manche, ganz unbekannte Bleistift-
skizzen von unvergleichlichem Humor — den seltenen Menschen
und Künstler zu schildern, der als Einsamer ein unendlich reiches
Innenleben führte, im einsamen Dachstübchen hauste, sich an
dem Blick über das Dächermeer der Altstadt freute oder hinaus-
wanderte und die schöne Gotteswelt im Bilde heimtrug, bis
der Tod den 77 jährigen am 23. September (885 in seiner
Behausung am Heumarkt von der Staffelei holte.

verantw. Red. — ausgenommen Anzeigeteil—: Prof. £. G m eli n. — Herausgegeben vom Bayer. Aunstgewerbeverein. — Druck und Verlag von

R. Dldenbourg, München.
 
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