Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 76.1926

DOI Artikel:
Kiener, Hans: Das Gasthaus "Zur Burg" in Memmingen von Karl Baessler
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.7093#0033

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
KARL BAESSLER

Gasthaus „Zur Burg", Theatersaal

keiten ihrer Wölbeflächen außerordentlich lebendig
wirkenden Kreuzgewölbes hängt still und schlicht
eine Laterne nieder. Sie ist an diesem Ort gefordert
aus praktischen Gründen, künstlerisch bedeutsam aber
wird sie dadurch, daß sie im Spiel spitzbogiger Kurven
diskret die reine Vertikale anklingen läßt. Wäre an
dieser Stelle die kurze aber eindringliche Vertikale der
Laterne nicht, vermöchte die Krümmung der Gewölbe
nicht so energisch zu wirken, vermöchte der räumliche
Gehalt der Wölbung nicht so klar in Erscheinung zu
treten. Der Kämpfer der Türe liegt über dem Kämpfer
der Arkadenöffnung, wodurch der einzelne Bogen
seiner Selbständigkeit stärker entkleidet wird, beide
Bogen in ein viel engeres Verhältnis zu einander^
gebracht werden. Die Folge ist ein wärmerer, weicherer
Stimmungston.

Es steckt in dem ganzen Bau viel reifes Können,
viel lebendige, höchst untheoretische, anschauliche
Schaffensfreude, gepaart mit echter Vornehmheit und
schlichter Naturnähe, daß man den Bau von vielen
Seiten beleuchten könnte und immer wieder von den
eigentlichen baulichen Belangen der räumlich = körper-

liehen Gestaltung die Rede wäre, ohne daß das Wort
„Form" überhaupt fallen müßte. So sehr herrscht und
fesselt das Wesentliche architektonischer Gestaltung.

So gewiß die grundlegenden Gesichtspunkte, nach
denen der Bau organisiert ist, sich nicht wesentlich
ändern können, so lange sich die Bauaufgabe nicht
wesentlich ändert, so treffsicher sind Einzelheiten
modern gestaltet. Fenster von den Proportionen, der
Fenster des Obergeschosses gerade in diesem Rhyth-
mus in die Fläche gesetzt, werden den Bau später
mit Sicherheit in unsere Zeit datieren lassen. Frei-
lich fühlte der Architekt keine Verpflichtung, die Sol-
bänke der Fenster zu unterdrücken oder dieFenster-
Hügel bis in die Ebene der Wand vorzuschieben. Den
gleichen Charakter guter Moderne trägt das streng
stilisierte schmiedeeiserne Wirtshausschild. Die stili—
sierte ,,Burg" ist von Bergmann entworfen.

Die behagliche, schlichte, aber doch gut fundierte, die
gut bürgerliche Stimmung, die der Bau von außen in uns
erweckt, findet ihre Erfüllung im Innern. DasTreppen-
haus <Abb. S. 27>: Eine bequeme, dunkle Holztreppe,
dunkle Türen in rein weiß verputzten Wänden, flach-

31
 
Annotationen