ZWEI RELIEFS VON RICHARD KLEIN
Sie sind aus Muschelkalk gefertigt und in den Ver-
putz der Mauer des Privathauses im Bayerischen Wald,
für das sie bestellt waren, eingelassen. Daß sie in ihrer
völlig klaren, übersichtlichen, flächigen, reliefmäßigen
Schaubarkeit, in ihrer Einstellung auf die entschei-
dende Hauptansicht und in ihrer eindringlichen Be-
schränkung auf die wesentlichsten, formschaffenden
Elemente sämtlichen Anforderungen des strengen Re-
liefstils völlig entsprechen, ist wohl ohne weiteres er-
sichtlich. Hildebrandsche Schulung ist deutlich. Hilde-
brands „Problem der Form" ist künstlerisch verstanden
und gemeistert. Alle rein malerischen Mittel, alle den
großen Gang und die erhabene Wucht der Erzählung
aufhaltenden oder gar hemmenden Episoden mußten
ferngehalten werden. Nur die großen, zusammen-
hängenden, oder hintereinander sich schichtenden Flä-
chen sprechen. Sie allein sind Träger des plastischen
Ausdrucks. Gehobene Augenblicke des irdischen Le-
bens in Mühe, Arbeit und Ernte, in Erholung und
häuslichem Elternglück sind einfach und eindringlich
veranschaulicht. Mann und Frau schneiden das reife
Korn und binden es in Garben, wobei dem Mann die
schwerere Arbeit zufällt. Die Sonnenscheibe mit einem
gezackten Strahlenkreis, eine feierlich ihre Zweige brei-
tende Fichte müssen ausreichen, um die Höhe des
Sommers und die Weite der Äcker, an die der Hoch-
wald grenzt, symbolisch anzudeuten. Der Teil tritt an
die Stelle des Ganzen, versinnlicht das Ganze, wie in
aller klassischen Kunst. Zur Stunde aber des Feier-
abends, zurzeit der sinkenden Dämmerung, die Abend-
stern und erstes Mondviertel charakterisieren, scherzen
und spielen Mann und Frau mit ihrem glückselig auf-
jauchzenden Kinde. Eine einzige Blüte mit schon müden
Blättern weist auf die poesievolle Lyrik dieser stillen
Stunde. Auch jene unnennbare, leise Melancholie, der
man sich kaum bewußt wird, die man aber in allen
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Sie sind aus Muschelkalk gefertigt und in den Ver-
putz der Mauer des Privathauses im Bayerischen Wald,
für das sie bestellt waren, eingelassen. Daß sie in ihrer
völlig klaren, übersichtlichen, flächigen, reliefmäßigen
Schaubarkeit, in ihrer Einstellung auf die entschei-
dende Hauptansicht und in ihrer eindringlichen Be-
schränkung auf die wesentlichsten, formschaffenden
Elemente sämtlichen Anforderungen des strengen Re-
liefstils völlig entsprechen, ist wohl ohne weiteres er-
sichtlich. Hildebrandsche Schulung ist deutlich. Hilde-
brands „Problem der Form" ist künstlerisch verstanden
und gemeistert. Alle rein malerischen Mittel, alle den
großen Gang und die erhabene Wucht der Erzählung
aufhaltenden oder gar hemmenden Episoden mußten
ferngehalten werden. Nur die großen, zusammen-
hängenden, oder hintereinander sich schichtenden Flä-
chen sprechen. Sie allein sind Träger des plastischen
Ausdrucks. Gehobene Augenblicke des irdischen Le-
bens in Mühe, Arbeit und Ernte, in Erholung und
häuslichem Elternglück sind einfach und eindringlich
veranschaulicht. Mann und Frau schneiden das reife
Korn und binden es in Garben, wobei dem Mann die
schwerere Arbeit zufällt. Die Sonnenscheibe mit einem
gezackten Strahlenkreis, eine feierlich ihre Zweige brei-
tende Fichte müssen ausreichen, um die Höhe des
Sommers und die Weite der Äcker, an die der Hoch-
wald grenzt, symbolisch anzudeuten. Der Teil tritt an
die Stelle des Ganzen, versinnlicht das Ganze, wie in
aller klassischen Kunst. Zur Stunde aber des Feier-
abends, zurzeit der sinkenden Dämmerung, die Abend-
stern und erstes Mondviertel charakterisieren, scherzen
und spielen Mann und Frau mit ihrem glückselig auf-
jauchzenden Kinde. Eine einzige Blüte mit schon müden
Blättern weist auf die poesievolle Lyrik dieser stillen
Stunde. Auch jene unnennbare, leise Melancholie, der
man sich kaum bewußt wird, die man aber in allen
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