CAR L JÄGER - HA
US IN M Ü N C Fi E N
stimmte, bildhafte Form zu geben. In München, der
Malerstadt, ist man gewöhnt, auf die gute Bildwirkung
der Häuser zu achten und man hat auch immer ein be-
sonderes Geschick dafür besessen, Bauten so hinzu-
stellen, daß sie sich mit ihrer Umgebung zu einer
„malerischen", d.h. wie gemalten Einheit verbinden
und ein ansprechendes Motiv im Blickfeld der Straßen
ergeben. Hier setzt denn die eigentliche künstleri-
sche Aufgabe des Architekten ein, daß das einfache,
aus Fläche und Linie konstruierte Haus in Farbe, Ton
und Erscheinung den guten Sitz erhält und mit einem
Blick in seinemWesen erfaßt werden kann. Dasi«?. Jahr-
hundert hatte alles Empfinden für den Zusammenklang
der einzelnen Häuser im Stadt- und Landschaftsbild
verloren, aber unsere Gegenwart hat diese höhere Ein-
heit des Bauschaffens in einer Stadt wieder zum ober-
sten Kriterium erhoben und fordert darum zur An-
spruchslosigkeit im Einzelnen die schöne, starke Bild-
wirkung im Ganzen. München darf in diesem Punkte
als eine der modernsten Städte gelten.
Das Bedeutungsvolle der neuen Wohnbaukunst ist
etwas scheinbar Negatives: ihre Bescheidenheit. Man
vermeidet im Gegensatz zu den prunkvollen Phanta-
siebauten des ip. Jahrhunderts, insbesondere der Grün-
derperiode allen falschen Schein und alle auffallenden
Motive wie die berüchtigten Türmchen und Erker und
die blechernen Renaissanceornamente und stellt das
Haus in nackter Sachlichkeit an seinen richtigen Platz.
Die einzige Prätension des neuen Wohnbaus besteht
darin, daß er gar nicht als neu erkannt sein will, son-
dern sich so seiner Nachbarschaft einfügt, als ob er
immer dagestanden hätte. Anpassung und Zurückhal-
tung sind die besonderen Anlagen des heutigen archi-
tektonischen Vermögens und sie beruhen auf einem
neuerwachten künstlerischen Takt. Dieser künstleri-
sche Takt, diese Wiedererarbeitung der eigentlichen
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stimmte, bildhafte Form zu geben. In München, der
Malerstadt, ist man gewöhnt, auf die gute Bildwirkung
der Häuser zu achten und man hat auch immer ein be-
sonderes Geschick dafür besessen, Bauten so hinzu-
stellen, daß sie sich mit ihrer Umgebung zu einer
„malerischen", d.h. wie gemalten Einheit verbinden
und ein ansprechendes Motiv im Blickfeld der Straßen
ergeben. Hier setzt denn die eigentliche künstleri-
sche Aufgabe des Architekten ein, daß das einfache,
aus Fläche und Linie konstruierte Haus in Farbe, Ton
und Erscheinung den guten Sitz erhält und mit einem
Blick in seinemWesen erfaßt werden kann. Dasi«?. Jahr-
hundert hatte alles Empfinden für den Zusammenklang
der einzelnen Häuser im Stadt- und Landschaftsbild
verloren, aber unsere Gegenwart hat diese höhere Ein-
heit des Bauschaffens in einer Stadt wieder zum ober-
sten Kriterium erhoben und fordert darum zur An-
spruchslosigkeit im Einzelnen die schöne, starke Bild-
wirkung im Ganzen. München darf in diesem Punkte
als eine der modernsten Städte gelten.
Das Bedeutungsvolle der neuen Wohnbaukunst ist
etwas scheinbar Negatives: ihre Bescheidenheit. Man
vermeidet im Gegensatz zu den prunkvollen Phanta-
siebauten des ip. Jahrhunderts, insbesondere der Grün-
derperiode allen falschen Schein und alle auffallenden
Motive wie die berüchtigten Türmchen und Erker und
die blechernen Renaissanceornamente und stellt das
Haus in nackter Sachlichkeit an seinen richtigen Platz.
Die einzige Prätension des neuen Wohnbaus besteht
darin, daß er gar nicht als neu erkannt sein will, son-
dern sich so seiner Nachbarschaft einfügt, als ob er
immer dagestanden hätte. Anpassung und Zurückhal-
tung sind die besonderen Anlagen des heutigen archi-
tektonischen Vermögens und sie beruhen auf einem
neuerwachten künstlerischen Takt. Dieser künstleri-
sche Takt, diese Wiedererarbeitung der eigentlichen
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