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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 76.1926

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Bachhofer, Ludwig: Zur Neuaufstellung des Museums für Völkerkunde in München
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https://doi.org/10.11588/diglit.7093#0180

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sonders vorteilhaft in jenen Fällen, wo man es mit
bildender Kunst oder hochstehendem Kunstgewerbe
zu tun hat; bei rein ethnographischen Dingen, wie in
Afrika, Amerika und Hinterindien, griff man mit
gutem Erfolg zu einer mehr „malerischen" Art des
Aufstellens, wo das Einzelobjekt strenger in den Rhyth-
mus des Ensembles eingebunden ist.

Damit ist im Grunde nichts Neues vollbracht; denn
als im Jahre 19 21 Professor Scherman dem Schreiber
dieser Zeilen die Neuordnung des Chinasaales (und
später des Japansaales) im alten Bau auftrug, erhielten
die Wände eine kräftige und satte Farbe, während die
Schränke nach den eben erläuterten Prinzipien gefüllt
wurden. Diese Prinzipien waren wohl schon längst in
modernen kunstgewerblichen Ausstellungen befolgt,
damals aber wurden sie zum erstenmal auf eine ethno-
graphische Sammlung übertragen. Nichts zeigt deut-
licher den wachen und fortschrittlichen Sinn Scher-
mans, der von jeher die beste Nutzbarmachung seines
Museums im Auge hatte, als daß er das Experiment —
denn mehr war es damals nicht — ungestört zu Ende
fuhren ließ. Als seine Richtigkeit sich erwiesen hatte,
wurde nach der erprobten Methode noch im Sommer
192z eine Sonderausstellung „Kunst im Handwerk ab-
seits der Hochkulturen" im Studiengebäude des Na-
tionalmuseums veranstaltet. Nach den gleichen Grund-
sätzen wurde dann 1924 das Museum für ostasiatische
Kunst in Berlin und heuer das Berliner Völkerkunde-
museum aufgemacht. Trotzdem wäre es verfehlt hier
einen Prioritätsstreit zu entfachen: die Dinge lagen in
der Luft, eine jüngere Generation mußte sich mit Not-
wendigkeit von dem „wohlgeordneten Chaos" ab-
und einer neuen Ordnung zuwenden.

Scherman ist ein eifriger Verfechter der Theorie,
daß die Kunst der außereuropäischen Völker nicht von
der Ethnographie getrennt werden dürfe, weil erst aus
der Bekanntschaft mit den allgemeinen kulturellen Be-
dingungen und Bedingtheiten dieser Völker das rechte
Maß für ihre künstlerische Betätigung gefunden wer-
den könne. Es kommt hinzu, daß gerade bei den Hoch-
kulturen, z. B. in Ostasien, eine eindeutige Grenze
zwischen hoher und angewandter Kunst nicht ausge-
macht werden kann, während andrerseits fast jeder
Gegenstand des täglichen Gebrauchs derart durchge-
formt ist, daß er ohne weiteres als kunstgewerbliches
Erzeugnis — hier sieht man recht deutlich, daß dieser
Begriff modern-abendländischen Ursprungs ist — ge-
wertet werden darf.

Immerhin ist die Kunst die höchste und feinste
Blüte einer Kultur, ihre Werke sprechen viel unmittel-
barer und verständlicher zum Beschauer als irgend ein
zweckgebundener Gegenstand. Aus dieser Überlegung

heraus wurden die einzelnen Abteilungen so aufgebaut,
daß der Besucher zuerst vor die ethnographischen
Dinge gestellt und erst in allmählicher Steigerung vor
Werke der bildenden Kunst geführt wird. Wo diese
fehlen, treten an ihre Stelle die Produkte eines hoch-
entwickelten Kunstgewerbes, wie etwa in Alt-Peru.
Aus einer guten Lokaltradition heraus wurde auf die
bildende und angewandte Kunst in weitgehendem
Maße Rücksicht genommen, sowohl in der Einteilung
des Materials als auch in der Art der Aufstellung; diese
Dinge nehmen den besten Platz ein und durchgängig
kann der Besucher sich darauf verlassen, daß ein Ob-
jekt an einer ausgezeichneten, in die Augen fallenden
Stelle auch einen prominenten Platz innerhalb seiner
Kategorie einnimmt.

Der Besucher läßt beim Betreten des Hauses die
Räume für wechselnde Sonderausstellungen rechts
liegen und begibt sich über die breite Treppe in den
ersten Stock. Dort betritt er zuerst links die japanische
Abteilung, die sich über vier Säle erstreckt.

Der erste Raum enthält das volkskundliche Mate-
rial; der Beschauer sieht sich gleich zwei Schränken
mit Kleidung und Gerät der Aino gegenüber, der aus-
sterbenden Ureinwohner Japans. Wie in der Rasse, so
unterscheiden sie sich auch in der Ornamentik grund-
sätzlich von allem Japanischen, sie gehören dem paläo-
asiatischen Kreise an.

Bei den übrigen, den japanischen Dingen bewahr-
heitet sich das oben Gesagte, daß nämlich in Ostasien
der künstlerische Trieb sich des gewöhnlichsten Ge-
brauchsgegenstandes bemächtigt und ihn zu einem
formvollendeten Werk durchgebildet hat. Gleichgül-
tig, ob es sich um ein Etui für ein ärztliches Akupunk-
turbesteck handelt, um einen Kamm, eine Tabakspfeife
oder eine Speiseschüssel: stets hat das Bedürfnis nach
ästhetischer Verfeinerung ein vollendetes Kunstwerk
daraus gemacht. Besonders sei hier auf die Schwert-
zieraten aufmerksam gemacht, die, in einem Ziehpult
am zweiten Fenster, zu müheloser Betrachtung aus
nächster Nähe aufgestellt sind; es sind wahre Wunder-
werke der Metallbearbeitung darunter, die Künstler
wissen das kräftig robuste Eisen, die glatte Bronze auf
tausenderlei Art mit dem zarten Silber, dem glän-
zenden Gold, dem kalten Messing und dem warmen
Kupfer zu kombinieren und mit diesen Zusammen-
stellungen unerwartet schöne Wirkungen zu erzielen.

Der lichte zweite Raum ist ganz der Keramik und
den Lacken gewidmet, jenen Zweigen des Kunsthand-
werks also, in denen der Japaner der unübertroffene
Meister ist. Ein Wandschrank zwischen Tür und Fen-
ster ist dem Porzellan zugewiesen, das ja innerhalb der

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