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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 8.1897

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https://doi.org/10.11588/diglit.5776#0165

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Reiches am 18. Januar 1890 im weißen Saale des kgl. Schlosses
darstellend, zur Jahrhundertfeier vollendet worden ist. Der
Schwerpunkt des 2'l2 Meter hohen und 3V2 Meter breiten
Bildes liegt in der geschichtlichen Treue und in der Porträt-
ähnlichkeit der dargestellten Personen, deren Zahl sich auf
130 beläuft. Unter diesem Gesichtspunkte darf das Werk
des Künstlers, der sich bisher nur als Genremaler, als Maler
von Dioramen und als Illustrator bekannt gemacht hatte,
als eine wohlgelungene Leistung bezeichnet werden. Den
künstlerischen Mittelpunkt der Darstellung bildet die Gestalt
des Kaisers, der das Haupt mit dem Gardes du Corps-Helm be-
deckt und den roten Mantel des Ordens vom Schwarzen
Adler mit der Kette dieses Ordens und den Wilhelmsorden
angelegt hat. Auf der obersten Stufe der Thron-Estrade
stehend, stützt der Kaiser die linke Hand auf den Pallasch,
während die rechte sich zum Schwur auf die Fahnenstange der
niedergesenkten Fahne des 1. Garde-Regiment legt. Der ernste
Blick ist mit dem festen Ausdruck energischen Wollens nach
oben gerichtet. Uber der Figur des Kaisers wölbt sich der
Thronbaldachin in rotem Sammet mit reicher Bronzeorna-
mentirung und vier Büscheln von je drei Straußenfedern in
den Farben des Deutschen Reiches an den Ecken. Von dem
Baldachin wallen, in der Mitte aufgeschürzt, schwere Dra-
perieen in sattgelber Farbe herab. Auf den Stufen des Thrones
sieht man zu beiden Seiten die Kroninsignieen, Krone, Reichs-
apfel, Insiegel und Scepter, und das aufgerichtete Reichs-
panier. Die Träger der Kroninsignieen und des Reichspaniers
haben ihnen zur Seite Aufstellung genommen. Über dem
Hintergrund lagern duftige blaue Töne, die durch die Reflexe
des durch die rechts befindlichen mächtigen Fenster in den
von Kerzen erleuchteten Saal einflutenden Tageslichtes er-
zeugt werden. Aber man erkennt doch deutlich die Logen,
in denen man die Gestalten der Kaiserin, der Kaiserin
Friedrich, sowie die der drei ältesten Kaiserlichen Prinzen
unterscheiden kann. Längs der Fensterwand sind die Fahnen
der Regimenter aufgestellt, die bei der Kaiserproklamation
in Versailles zugegen waren. Im Hintergrunde über dem
Thron hängt unter dem Baldachin die Standarte des Regi-
ments der Gardes du Corps. Ganz rechts im Vordergrunde
befindet sich neben dem Thron die figurenreiche Gruppe der
Minister und Mitglieder des Bundesrates. In etwas abge-
sonderter Stellung von ihr ist der Reichskanzler, Fürst von
Hohenlohe, dargestellt. Zur anderen Seite des Thrones reihen
sich in der Mitte des Bildes und übergehend in den Hinter-
grund die Fürstlichkeiten und die Ritter des hohen Ordens
vom Schwarzen Adler an. Dem Throne gegenüber, also im
Bilde links, ist die Gruppe der Abgeordneten sichtbar. Sie
erstreckt sich, vom Vordergrunde beginnend, ebenfalls bis in
den Hintergrund.

E. B. Über Künstleraufzeichnungen. Die Chronique des
arts, das bekannte Beiblatt der „Gazette des beaux-arts"
bringt in ihrer Nr. 34 vom 7. November 1890 als Leitartikel
(Propos du jour) eine interessante Auseinandersetzung mit
L. Mabilleau, der in der Revue de Paris vom 1. November
1896 über die Aufzeichnungen Ingres' in seltsam absprechen-
der Weise berichtete. Gerade von Mabilleau, der die Hand-
zeichnungen des Meisters, welche im Museum seiner kleinen
Vaterstadt Montauban aufbewahrt werden, studirt und in
der „Gazette des beaux-arts" besprochen hat, ist ein der-
artiges Urteil doppelt schmerzlich. Uns Deutschen ist ja

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Ingres besonders durch Muther's treffende und vollendete
Schilderung eine sympathische und vollwertige künstlerische
Erscheinung. Nun ist es ja sicher, dass die Tagebücher und
Aufzeichnungen der Maler nicht für die Öffentlichkeit be-
rechnet sind, dass in ihnen viel Spreu zu finden ist, es ist
aber auch darum eine Ungerechtigkeit, eine willkürliche
Verzerrung der Züge des Künstlers, dieselben für seine Per-
sönlichkeit, sein künstlerisches Schaffen als vollwichtige
Dokumente beizuziehen. So würde man z. B. aus dem
„Journal d'Eugöne Delacroix, das „recettes pour peindre les
arbres" und romantische Schwärmereien enthält, ein ganz
falsches Bild des Delacroix bekommen, eines Meisters, der an
Begabung, äußerer und innerer Anlage stark an Franz Stuck
erinnert. Aber, und darin wendet sich die Chronique des arts
mit Recht gegen Mabilleau, es gab nie eine Zeit, wo geistige
Stagnation, allgemeine Verflachung intensiver war, wo jede
Freiheit unterdrückt war, wie gerade in der Hauptperiode von
Ingres' Schaffen. Und dieser Biedermeierei, diesem süßlichen
Dogmatimus entzog sich auch der Schriftsteller Ingres nicht
Wenn er auch von der antiken Mythologie die ungenaueste,
auf tertiäre Quellen basirte Kenntnis besaß, so ist es den-
noch zweifelhaft, „ob Max Müller's Zuhörer besser malten"
als Ingres. Wozu noch alle die kleinen menschlichen
Schwächen aufs neue aus den flüchtigen Notizen wie per-
sönlichen herauslesen, die wir längst kennen und sogar
manchmal lieb haben, wenn wie viele seiner Porträts sehen
und bewundern. Er war eben, wie Muther treffend sagt,
der „prächtige Bourgeois der Kunst".

* München. Einen neuen und vielleicht recht aussichts-
vollen Modus zum intimeren Verkehr zwischen Kunst und
Volk hat die Bildhauerin Frau Weber-Petsche in höchst
uneigennütziger und deshalb doppelt wertvoller Weise in
der Blüthenstraße 3 in München ins Leben gerufen, indem
sie ein Atelier mit einer kleinen Anzahl gewählter Kunst-
werke von Künstlerinnen ausstattete und dadurch das
Publikum, dem der Raum stets kostenlos zum Besuche frei-
steht, zu zahlreicheren, kleineren Käufen anregen will. Es
wird heute auf so mannigfaltige Weise versucht, das that-
kräftige Interesse des Publikums auf die bildende Kunst
zu lenken, dass dieses auf wirklich künstlerischen und nicht
kommerziellen Prinzipien ruhende Unternehmen, welches
vermeiden will, den Käufer mit hohen Preisen zurückzu-
schrecken, der Unterstützung wert erscheint.

ZEITSCHRIFTEN.
Anzeiger des germanischen Nationalnniseiinis. 1807. Nr.l.

Wissenschaftliche Instrumente im germanischen Museum. Von
G. von Bezold. — Richard von England. Von Dr. R. Schmidt.
— Ganerben I. Von Dr. R. Schmidt. — Katalog der Gewebe-
sammlung des Germanischen Museums. Bogen IC—13.

Wie Kunst für Alle. 1896/97. Heft 13.

Albert Keller. Von H. E. v. Berlepsch.

Repertoriuni der Kunstwissenschaft. 1897. Heft 1.

Die Randreliefe an Filarete's Bronzethür von St. Peter. Von B.
Sauer. — Zu den Künstlerviten des Giovanni Battista Gelli.
Von G. Gronau. — Planetendarstellungen aus dem Jahre 1445.
Von R. Kautzsch. — Zu Dürer. Von Zucker.

Zeitschrift für christliche Kunst. 189G/97. Heft 12.

Ein Wandteppich des XVI. Jahrhunderts in St. Maria Lyskirchen
zu Köln. Von 0. v. Falke. — Verwendung edeler Metalle zum
Schmuck der römischen Kirchen vom V. bis zum IX. Jahrhundert.
(Schlags.) Von St. Beissel. — Die neue frühgotische St. Josephs-
kirche in Essen. Von A. Menken.

Zeitschriften.
 
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