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Das Appartamento Borgia im Vatikan.
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bescheidenen Inschrift auf den Thronstufen der Eettorica
genannt hat, nahm es augenscheinlich sehr ernst mit
der Schilderung der thronenden Allegorieen, um die er
sich die modernen und antiken Vertreter versammeln
lässt; er hat einige seiner besten Porträte hier gemalt
und z. B. in der die Violine spielenden Musika und ihren
Verehrern ein so reizendes Konzertbild geschaffen, wie
es in der Eenaissancekunst kein zweites giebt.
Und doch blieb die einheitlich künstlerische Wirkung
der leitende Gesichtspunkt. Man sehe nur, welch ein
Wunder natürlich-gefälliger Dekoration, harmonisch ab-
gestimmter Farbentöne dem Künstler in der Doppel-
lünette der Fensterwand gegenüber gelungen ist, welche
sich überdies einer besseren Erhaltung erfreut wie die
übrigen teilweise arg zerstörten Wandmalereien. Das
blasse Grün der Landschaft hebt sich wirkungsvoll vom
leicht punktirten Goldgrunde ab, und weil in diese
Farbenstimmung ein blauer Ton nicht passte, so hat
Pinturicchio kühn in dem mächtigen päpstlichen Wappen,
welches von Engelhänden getragen über den Lünetten
schwebt, das blaue Feld in ein grünes verwandelt
und das Ganze mit derselben flüchtigen Goldpunktirung
verziert.
Die unteren Wände schmücken heute wieder die
wohl restaurirten nach Art des „Opus Alexandrinum"
in Mäandern und konzentrischen Kreisen angelegten
Teppichmuster. Bei feierlichen Gelegenheiten aber, wenn
sich hier der Papst, wie später in der Stanza della
Segnatura, mit seinen Kardinälen zu Gerichtssitzungen
versammelte, hingen vom zierlichen Marmorfries die gold-
durchwirkten Tapeten herab, welche die ernste Pracht
des Ganzen unbeschreiblich erhöht haben müssen. Dann
mochte der Papst durch die kleine Seitenthür herein-
treten, die in seine Schlafgemächer führte und heute
zugemauert und mit den geringen Majolika-Eesten aus-
gelegt ist, welche man noch hier und da in den Pavimenten
entdeckt hat.
In der Ausstattung des Zimmers der sieben freien
Künste hat man den ersten Anfang eines Skulpturen-
Museums gemacht, zu welchem sich die Eäume des
Appartamento liorgia aufs Beste eignen würden. Gelänge
es einmal, die Domherrn von St. Peter zu bewegen, ihre
Schätze aus den vatikanischen Grotten herzugeben, die
dort nur selten bevorzugten Sterblichen sichtbar werden
und auch dann im Fackelschein wie Traumgebilde an
uns vorüber schweben, so würde die ganze Welt sich
keines herrlicheren Museums rühmen können. Der mit Orna-
mentik überladene Kamin, nach der Tradition ein Werk
des Florentiners Simone Mosca, welcher früher im Saal der
Päpste stand, wirkt fast zu mächtig für diesen Eaum, wo in
großen Schränken kostbare Teller und Vasen aufgestellt
sind und an den Wänden eine Menge kleinerer Terra-
kotten prangen, meist von geringem künstlerischen Wert.
Nur ein kunstvoll gearbeitetes Wappen Innocenz VIII.,
von breitem Fruchtkranz eingefasst und wunderschönen
Engeln gehalten, mag wohl als Arbeit des Andrea della
Eobbia gelten, und zwei Marmorengel, welche ursprüng-
lich die Grabinschrift eines Prälaten trugen, geben sich
deutlich als Arbeiten des Mino da Fiesole und seiner
Schule zu erkennen.
Das Pavimentum ist auch hier, wie in allen bisher
besuchten Sälen, vom Museo Industriale di Napoli ge-
wissenhaft, genau der Anlage und den Mustern ent-
sprechend ausgeführt, welche heute noch ein Stockwerk
tiefer in der Floreria, der alten Bibliothek Sixtus IV.,
teilweise in erträglichem Zustande erhalten sind.
Eine schmale Treppe führt zur Torre Borgia und
den beiden letzten Gemächern empor, deren Wieder-
herstellung Architekten und Maler die längste Zeit in
Anspruch genommen hat. Ein Spiegelgewölbe, dem in
der Sixtinischen Kapelle ähnlich, deckt den ersten läng-
lichen Eaum, den behaglichsten in der ganzen Zimmer-
reihe, welcher durch drei große Fensternischen, die sich
nach dem Hof des Belvedere und des Papagallo öffnen,
belebt wird. Nur die prächtige Dekoration der flachen
Wölbung und die 12 Apostel und Propheten in den
Bogenfeldern sind von der ursprünglichen Malerei er-
halten, die hohen Wände wurden ganz mit gemalten
Leinwandteppichen behängt, welche Professor Morani aufs
glücklichste, aus den Arabesken im Saal des Marien-
lebens und einem kleinen Ornamentrest, das man über
einem der Fenster entdeckte, die Motive nehmend, dem
Stil des Ganzen angepasst hat.
Es ist lange kein Geheimnis mehr, dass Pinturicchio's
Thätigkeit sich in der Torre Borgia auf allgemeine
Entwürfe beschränkt hat. Im Saal des Credo, der seinen
Namen den Glaubensartikeln verdankt, welche die zwölf
Apostel auf ihren Spruchbändern tragen, ist nach einer
sehr glaubwürdigen Vermutung Schmarsow's der Lehrer
Peruzzi's Piero d'Andrea aus Volterra thätig gewesen,
von dessen Kunstcharakter wir uns heute leider keinen
klaren Begriff mehr machen können. Die Ausführung
der Deckendekoration könnte auf Pietro Torrigiani, den
Gegner Michelangelo's zurück gehen, von welchem Vasari
erzählt, dass ihn Alexander VI. in der Torre Borgia —
und sicherlich wohl auch in den übrigen Bäumen —
viele Stuckarbeiten ausführen ließ. Die Zeichnung dieser
Decke allerdings verrät mancherlei Beziehungen zu den
ornamentalen Einfassungen in der Dombibliothek Sienas
und den Chormalereien von Santa Maria del Popolo und
darf deswegen im Entwurf immerhin als ein Juwel aus
dein unerschöpflich reichen Formenschatz Pinturicchio's
bewundert werden.
Alexander Borgia PP. fundavit — heißt es auf einer
Inschrifttafel mitten an der Decke, und nicht weit davon
lesen wir die Jahreszahl 1494. Nun war Alexander erst
am Ii. August 1492 als Papst aus dem Konklave
hervorgegangen. Wird man Architekten und Malern
nicht ein Heer von Gehilfen zugestehen müssen, um der
Fertigstellung eines so großen Werkes in so unendlich
Das Appartamento Borgia im Vatikan.
390
bescheidenen Inschrift auf den Thronstufen der Eettorica
genannt hat, nahm es augenscheinlich sehr ernst mit
der Schilderung der thronenden Allegorieen, um die er
sich die modernen und antiken Vertreter versammeln
lässt; er hat einige seiner besten Porträte hier gemalt
und z. B. in der die Violine spielenden Musika und ihren
Verehrern ein so reizendes Konzertbild geschaffen, wie
es in der Eenaissancekunst kein zweites giebt.
Und doch blieb die einheitlich künstlerische Wirkung
der leitende Gesichtspunkt. Man sehe nur, welch ein
Wunder natürlich-gefälliger Dekoration, harmonisch ab-
gestimmter Farbentöne dem Künstler in der Doppel-
lünette der Fensterwand gegenüber gelungen ist, welche
sich überdies einer besseren Erhaltung erfreut wie die
übrigen teilweise arg zerstörten Wandmalereien. Das
blasse Grün der Landschaft hebt sich wirkungsvoll vom
leicht punktirten Goldgrunde ab, und weil in diese
Farbenstimmung ein blauer Ton nicht passte, so hat
Pinturicchio kühn in dem mächtigen päpstlichen Wappen,
welches von Engelhänden getragen über den Lünetten
schwebt, das blaue Feld in ein grünes verwandelt
und das Ganze mit derselben flüchtigen Goldpunktirung
verziert.
Die unteren Wände schmücken heute wieder die
wohl restaurirten nach Art des „Opus Alexandrinum"
in Mäandern und konzentrischen Kreisen angelegten
Teppichmuster. Bei feierlichen Gelegenheiten aber, wenn
sich hier der Papst, wie später in der Stanza della
Segnatura, mit seinen Kardinälen zu Gerichtssitzungen
versammelte, hingen vom zierlichen Marmorfries die gold-
durchwirkten Tapeten herab, welche die ernste Pracht
des Ganzen unbeschreiblich erhöht haben müssen. Dann
mochte der Papst durch die kleine Seitenthür herein-
treten, die in seine Schlafgemächer führte und heute
zugemauert und mit den geringen Majolika-Eesten aus-
gelegt ist, welche man noch hier und da in den Pavimenten
entdeckt hat.
In der Ausstattung des Zimmers der sieben freien
Künste hat man den ersten Anfang eines Skulpturen-
Museums gemacht, zu welchem sich die Eäume des
Appartamento liorgia aufs Beste eignen würden. Gelänge
es einmal, die Domherrn von St. Peter zu bewegen, ihre
Schätze aus den vatikanischen Grotten herzugeben, die
dort nur selten bevorzugten Sterblichen sichtbar werden
und auch dann im Fackelschein wie Traumgebilde an
uns vorüber schweben, so würde die ganze Welt sich
keines herrlicheren Museums rühmen können. Der mit Orna-
mentik überladene Kamin, nach der Tradition ein Werk
des Florentiners Simone Mosca, welcher früher im Saal der
Päpste stand, wirkt fast zu mächtig für diesen Eaum, wo in
großen Schränken kostbare Teller und Vasen aufgestellt
sind und an den Wänden eine Menge kleinerer Terra-
kotten prangen, meist von geringem künstlerischen Wert.
Nur ein kunstvoll gearbeitetes Wappen Innocenz VIII.,
von breitem Fruchtkranz eingefasst und wunderschönen
Engeln gehalten, mag wohl als Arbeit des Andrea della
Eobbia gelten, und zwei Marmorengel, welche ursprüng-
lich die Grabinschrift eines Prälaten trugen, geben sich
deutlich als Arbeiten des Mino da Fiesole und seiner
Schule zu erkennen.
Das Pavimentum ist auch hier, wie in allen bisher
besuchten Sälen, vom Museo Industriale di Napoli ge-
wissenhaft, genau der Anlage und den Mustern ent-
sprechend ausgeführt, welche heute noch ein Stockwerk
tiefer in der Floreria, der alten Bibliothek Sixtus IV.,
teilweise in erträglichem Zustande erhalten sind.
Eine schmale Treppe führt zur Torre Borgia und
den beiden letzten Gemächern empor, deren Wieder-
herstellung Architekten und Maler die längste Zeit in
Anspruch genommen hat. Ein Spiegelgewölbe, dem in
der Sixtinischen Kapelle ähnlich, deckt den ersten läng-
lichen Eaum, den behaglichsten in der ganzen Zimmer-
reihe, welcher durch drei große Fensternischen, die sich
nach dem Hof des Belvedere und des Papagallo öffnen,
belebt wird. Nur die prächtige Dekoration der flachen
Wölbung und die 12 Apostel und Propheten in den
Bogenfeldern sind von der ursprünglichen Malerei er-
halten, die hohen Wände wurden ganz mit gemalten
Leinwandteppichen behängt, welche Professor Morani aufs
glücklichste, aus den Arabesken im Saal des Marien-
lebens und einem kleinen Ornamentrest, das man über
einem der Fenster entdeckte, die Motive nehmend, dem
Stil des Ganzen angepasst hat.
Es ist lange kein Geheimnis mehr, dass Pinturicchio's
Thätigkeit sich in der Torre Borgia auf allgemeine
Entwürfe beschränkt hat. Im Saal des Credo, der seinen
Namen den Glaubensartikeln verdankt, welche die zwölf
Apostel auf ihren Spruchbändern tragen, ist nach einer
sehr glaubwürdigen Vermutung Schmarsow's der Lehrer
Peruzzi's Piero d'Andrea aus Volterra thätig gewesen,
von dessen Kunstcharakter wir uns heute leider keinen
klaren Begriff mehr machen können. Die Ausführung
der Deckendekoration könnte auf Pietro Torrigiani, den
Gegner Michelangelo's zurück gehen, von welchem Vasari
erzählt, dass ihn Alexander VI. in der Torre Borgia —
und sicherlich wohl auch in den übrigen Bäumen —
viele Stuckarbeiten ausführen ließ. Die Zeichnung dieser
Decke allerdings verrät mancherlei Beziehungen zu den
ornamentalen Einfassungen in der Dombibliothek Sienas
und den Chormalereien von Santa Maria del Popolo und
darf deswegen im Entwurf immerhin als ein Juwel aus
dein unerschöpflich reichen Formenschatz Pinturicchio's
bewundert werden.
Alexander Borgia PP. fundavit — heißt es auf einer
Inschrifttafel mitten an der Decke, und nicht weit davon
lesen wir die Jahreszahl 1494. Nun war Alexander erst
am Ii. August 1492 als Papst aus dem Konklave
hervorgegangen. Wird man Architekten und Malern
nicht ein Heer von Gehilfen zugestehen müssen, um der
Fertigstellung eines so großen Werkes in so unendlich