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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 8.1897

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Zur Statistik Schweizerischer Kunstdenkmäler
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https://doi.org/10.11588/diglit.5776#0225

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Zur Statistik schweizerischer Kunstdenkmäler.

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manische Kampanile erhalten. Häufig aher steht noch
die ganze Kirche. Ich hebe nur die Bauwerke in Biasca,
Giornico, Muralto hervor. Daneben überrascht der
Reichtum an Wandmalereien. Zwar stammen diese
überwiegend aus dem 15. und 16. Jahrhundert: etwa 50
verschiedene Bilder oder Cyklen verdanken dieser Zeit
den Ursprung. Aber es kommen auch ältere Eeste vor,
so aus dem 12.—13. Jahrhundert an einem Turm des
Schlosses Magliaso und in der Schlosskapelle von S.
Materno bei Ascona, weiter Eeste aus dem 13. Jahr-
hundert in S. Carlo zu Prugiasco, endlich einige nicht
näher bestimmte Überbleibsel aus „romanischer" Zeit.
Dass unter dieser Fülle mancherlei Wertvolles und
Interessantes ist, wissen wir ja schon aus des Verfassers
älteren Arbeiten.

Den Kanton Tessin hat Rahn allein bearbeitet.
Für den Kanton Solothurn standen ihm einige jüngere
Kräfte zur Seite. Der Anteil jedes Mitarbeiters ist
kenntlich gemacht. Von Herrn Dr. Durrer insbesondere
stammen die geschichtlichen Übersichten vor jedem ein-
zelnen Artikel.

Im Solothurn findet sich ein großer Reichtum an
Burganlagen. Darunter sind sehr umfangreiche, meist
sicher zu rekonstruirende Werke. Sehr dankenswert ist
hier die Veröffentlichung zahlreicher älterer Ansichten
jetzt zerstörter Bauten. Abgesehen von diesen Burgen
und etwa noch dem hübschen Kreuzgang zu Schönenwerth
fordert unser Interesse besonders die Stadt Solothurn
selbst. Auf 84 Seiten wird ausführlich über die alte
Stadt gehandelt. Nach einer Aufzählung der Litteratur,
der Prospekte, Pläne und Ansichten wird zunächst das
römische Solothurn geschildert. Rahn verzichtet dabei
auf alle Vermutungen und Hypothesen und giebt ledig-
lich eine sorgfältige Aufnahme des bis jetzt Gefundenen
und Festgestellten an der Hand eines guten Plans.
Damit ist eine gesunde Grundlage für weitere Arbeit
geschaffen. Sodann wird in zwei Abschnitten (bis zum
16. Jahrhundert und seit dem 16. Jahrhundert) die
geschichtliche Übersicht fortgeführt und vollendet, und
hierauf die Aufzählung und Beschreibung der Denkmäler
begonnen. Unter den Befestigungswerken fallen beson-
ders die niedrigen Turmkolosse des 16. Jahrhunderts
auf. Unter den Schätzen der alten, 1762 abgebrochenen
S. Ursus-Kirche finden wir Holbein's bekannte Madonna
von Solothurn, die erst 1864 entdeckt, von Eigner in
Augsburg restaurirt und erkannt wurde und jetzt im
Gemeindehaus untergebracht ist.

Sehr mannigfaltig ist die Ausbeute, die der Kanton
Thurgau bietet. Auch hier hat wieder Herr Dr. Durrer
den historischen Text geliefert. Der Band ist noch
nicht vollständig erschienen und wird wohl sehr statt-
lich werden. Hervorzuheben sind aus dem Reichtum des
Verzeichneten zunächst einige Burgen und Schlösser, so
Bürglen, Oher-Castel, Frauenfeld, Gottlieben und be-
sonders Arbon. Hier befindet sich der große Prunksaal,

der 1888 dem Schweizerischen Landesmuseum die (be-
sonders im dekorativen Teil guten) geschnitzten Decken-
medaillons geliefert hat. Sie sind wie erwähnt auf
einer klaren Lichtdrucktafel abgebildet. Eine zweite
Tafel bringt ähnliche, aber im Stil der Frührenaissance
gehaltene Medaillons, die wohl ebenfalls aus Räumen des
Schlosses Arbon stammen.

Nächst den Burgen und Schlössern verdienen sodann
einige, jetzt meist verschwundene Wandgemälde erwähnt
zu werden. So die am einstigen Lettner von Bischofs-
zell aus dem 14. Jahrhundert, die zum Teil noch 1892
zerstörten (!) Malereien profanen Inhalts von 1527 im
Oberhof zu Dießenhofen, die Wandmalereien im ehe-
maligen Cistercienserkloster Feldbach aus dem 14. Jahr-
hundert und die jüngeren Bilder in der Kapelle zu
Gerlikon.

Auch in diesem Band sind dankenswerter Weise
zahlreiche ältere Ansichten von Burgen, Schlössern,
Ortschaften wiedergegeben.

Die Statistik schweizerischer Kunstdenkmäler wird
in absehbarer Zeit vollendet vorliegen. Dann wird ein
Werk geschaffen sein, auf das neben der Wissenschaft
auch die Schweiz stolz sein kann. Denn es ist ein
Denkmal nicht nur gewissenhaftester Arbeit, sondern
auch echter Liebe zur Heimat. Wir spüren es wohl,
wenn der Zeichner Rahn die Skizze einer hochgelegenen
romanischen Kirche zum anziehenden Landschaftsbildchen
ausgestaltet, so ist gewiss die Freude an dem schönen
Vaterlande mit im Spiele. 1876 schloss er seine Vor-
rede zur Geschichte der bildenden Künste in der Schweiz
mit den Worten: „So ist denn das Werk beendet, die
Frucht so vieler Jahre, in denen die Arbeit Lust und
das Suchen ein frohes Entdecken war. Vaterlandsliebe
hat den Verfasser begeistert und ließ ihn wandern
über Berg und Thal und von Stadt zu Stadt.
Möge ein Funke dieser Begeisterung in einer Arbeit
fortglühen, die mit dem Schatze der allgemeinen Wissen-
schaft auch die Anhänglichkeit an die besser gekannte
Heimat mehren will!" Dieses Wort und dieser Wunsch
gelten gewiss auch von der Statistik der schweizerischen
Kunstdenkmäler, dem Lebenswerk des Verfassers, das er
nun nach 25jähriger Arbeit der Vollendung entgegen
gehen sieht.

Die Statistik schweizerischer Kunstdenkmäler wird
eine der Grundlagen werden für den Schulunterricht in
der Heimatkunde, der ja in der Schweiz lange schon die
gebührende Beachtung findet. Sie wird die Wandernden
auf manchen verborgenen Schatz heimischer Kunst auf-
merksam machen. Aus ihr mag der sesshaft gewordene
Bürger Belehrung über die Denkmäler seiner Heimat
gewinnen. So soll und wird die Statistik ihre Wir-
kungen auf die weitesten Kreise ausdehnen. Und erst
wenn dies geschieht, erst wenn Sinn und Verständnis
für die Denkmäler, als einen nationalen Besitz, sehr
weit verbreitet sind, wird auch das so oft zwecklose Zer-
 
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