M o n z a
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Unerfreulich ist der von Roeßner ausgemalte Rokokosaal der Porzellane.
Er fällt aus dem Rahmen der sonst in ihrer einheitlichen Durchbildung straff
zusammengefaßten deutschen Ausstellung heraus, aber er entspricht durchaus
seinem ebenso unerfreulichen Inhalt. Mag sich ein oder das andere Stück
gegenüber dem Ausland behaupten, gemessen an dem Können der jungen
Bildhauer im Lande, die wahrhaftig gezeigt haben, daß sie mit Material
umzugehen vermögen, und die nach Aufgaben hungern, sind diese Modelle
nicht diskutabel. Ein so kostspieliger Herstellungsprozeß und die kulturelle
Bedeutung dieses in allen Schichten und Ländern verbreiteten Materials
sollten der Porzellanindustrie endlich Anlaß geben, mit höheren Anforde-
rungen, aber auch mit mehr Mut und gutem Willen an diese Frage heran-
zugehen. Man möge das nächste Mal auch den großmächtigen Manufak-
turen gegenüber, wenn sie nichts Besseres zu zeigen haben, sein sachge-
mäßes Veto einlegen. Die Porzellanfabrik Volkstedt, die Karlsruher Majo-
likamanufaktur, ein Ofen der (ungleichen) LIeinsteinwerke, die großen Schalen
der Töpferei Grootenburg und das vergnügte Geschirr von Velten-Vordamm
sind jedenfalls auf dem richtigen Wege und haben Charakter.
Daß unsere kunstgewerbliche Produktion sich auf dem Weltmarkt durch-
aus behaupten kann, war bekannt. Der besonders gute Erfolg in Monza
darf aber bei dem Ausbleiben wesentlicher Konkurrenten nicht zu hoch
eingeschätzt werden, sondern wir müssen uns klar sein, daß wir uns von
anderen hochqualifizierten Ländern nur durch einen anders entwickelten
Geschmack unterscheiden, ohne sie zu überragen. Das alles weiß man ohne
Ausstellungen. Viel wichtiger ist es, selbst erst im eigenen Hause zu Re-
sultaten zu kommen, ehe man den internationalen Wettbewerb offiziell auf-
nimmt. Und darum ist im Grunde genommen das Ausbleiben in Paris
wohl mehr eine taktische Angelegenheit des Prestiges und des Exports als
eine der Sache selbst. Der ganze Begriff »Kunstgewerbe« paßt nicht mehr
in unsere Zeit. Was nutzen tausend Spielarten, wenn nicht eine einzige
darunter ist, die in wirklich absoluter Gestaltung den Sinn des Objekts aus-
schöpft! Die Gegenstände des täglichen Gebrauchs müssen erst einmal zu
Standardformen durchgebildet werden, und ihre Herstellung wird dann nicht
Sache der Kleinbetriebe sein, sondern industriell geschehen müssen. Die
Spezial Werkstätten brauchen auch nicht auf Vorrat ins Ungewisse zu arbeiten,
wobei immer nur eine Menge Energie für nebensächliche Äußerlichkeiten
verpufft wird, wenn man ihnen lieber alle diejenigen Aufträge zuführt, die
für bestimmte Zwecke jeweils eine besondere Lösung erheischen.
Die Werkkunst muß hier denselben Weg gehen wie die moderne Archi-
tektur. Es liegen neue Aufgaben in unserer Zeit, und alle geschmäcklerische
Vielgewandtheit, alle Formbegabung und Tüchtigkeit ändern nichts daran.
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Unerfreulich ist der von Roeßner ausgemalte Rokokosaal der Porzellane.
Er fällt aus dem Rahmen der sonst in ihrer einheitlichen Durchbildung straff
zusammengefaßten deutschen Ausstellung heraus, aber er entspricht durchaus
seinem ebenso unerfreulichen Inhalt. Mag sich ein oder das andere Stück
gegenüber dem Ausland behaupten, gemessen an dem Können der jungen
Bildhauer im Lande, die wahrhaftig gezeigt haben, daß sie mit Material
umzugehen vermögen, und die nach Aufgaben hungern, sind diese Modelle
nicht diskutabel. Ein so kostspieliger Herstellungsprozeß und die kulturelle
Bedeutung dieses in allen Schichten und Ländern verbreiteten Materials
sollten der Porzellanindustrie endlich Anlaß geben, mit höheren Anforde-
rungen, aber auch mit mehr Mut und gutem Willen an diese Frage heran-
zugehen. Man möge das nächste Mal auch den großmächtigen Manufak-
turen gegenüber, wenn sie nichts Besseres zu zeigen haben, sein sachge-
mäßes Veto einlegen. Die Porzellanfabrik Volkstedt, die Karlsruher Majo-
likamanufaktur, ein Ofen der (ungleichen) LIeinsteinwerke, die großen Schalen
der Töpferei Grootenburg und das vergnügte Geschirr von Velten-Vordamm
sind jedenfalls auf dem richtigen Wege und haben Charakter.
Daß unsere kunstgewerbliche Produktion sich auf dem Weltmarkt durch-
aus behaupten kann, war bekannt. Der besonders gute Erfolg in Monza
darf aber bei dem Ausbleiben wesentlicher Konkurrenten nicht zu hoch
eingeschätzt werden, sondern wir müssen uns klar sein, daß wir uns von
anderen hochqualifizierten Ländern nur durch einen anders entwickelten
Geschmack unterscheiden, ohne sie zu überragen. Das alles weiß man ohne
Ausstellungen. Viel wichtiger ist es, selbst erst im eigenen Hause zu Re-
sultaten zu kommen, ehe man den internationalen Wettbewerb offiziell auf-
nimmt. Und darum ist im Grunde genommen das Ausbleiben in Paris
wohl mehr eine taktische Angelegenheit des Prestiges und des Exports als
eine der Sache selbst. Der ganze Begriff »Kunstgewerbe« paßt nicht mehr
in unsere Zeit. Was nutzen tausend Spielarten, wenn nicht eine einzige
darunter ist, die in wirklich absoluter Gestaltung den Sinn des Objekts aus-
schöpft! Die Gegenstände des täglichen Gebrauchs müssen erst einmal zu
Standardformen durchgebildet werden, und ihre Herstellung wird dann nicht
Sache der Kleinbetriebe sein, sondern industriell geschehen müssen. Die
Spezial Werkstätten brauchen auch nicht auf Vorrat ins Ungewisse zu arbeiten,
wobei immer nur eine Menge Energie für nebensächliche Äußerlichkeiten
verpufft wird, wenn man ihnen lieber alle diejenigen Aufträge zuführt, die
für bestimmte Zwecke jeweils eine besondere Lösung erheischen.
Die Werkkunst muß hier denselben Weg gehen wie die moderne Archi-
tektur. Es liegen neue Aufgaben in unserer Zeit, und alle geschmäcklerische
Vielgewandtheit, alle Formbegabung und Tüchtigkeit ändern nichts daran.