Rousseau oder die Matrosenkunst
723
liehen Bildtafel, eines
lustigen Firmenschil-
des, eines traurigen
Marterl, einer dilettan-
tischen Gebrauchs-
kunst auf—immer wie-
der findet sich Nicht-
gekonntes , Nichtge-
wolltes, Nichtgemuß-
tes — Matrosenkunst.
Der Geist seinerTech-
nik, die ohne Hand-
werk, unökonomisch,
systemlos ist, sagt
mehr aus als Reporter
und Biographen. Das
ist ein Meister der Ma-
trosenkunst. Schein-
bar ein großer Meister.
Scheinbar. Es gib t Kin-
derzeichnungen, Bau-
ernmalereien, Irren-
aquarelle, die schein-
bar alle Vorzüge, alle
Kräfte wahrer Kunst-
werke haben. Ich er-
innere wieder an Tho-
mas erste Ölbildchen
von Bernau und St.
Blasien, die besten Bildern Rousseaus ebenbürtig sind. Ich sagte scheinbar
— weil sie ohne das künstlerische Bewußtsein als künstlerische Urtriebe erlebt,
nicht verdient,gefunden, nicht gekonnt wie die visionären Leistungen der Geistes-
kranken die psychophysische Wurzel der Kunst offenbaren. Allen diesen im
Unterbewußten 'entstandenen Kunstembryonen mangelt das eine, das jeder
aus einer Kunstnot gemachten Kunsttugend mangelt: der Lebenswert, der den
Kunstwerten eingeboren das Kunstwerk dem Zufälligen enthebt in das geistes-
klare Licht einer sich selbst bewußten Schau. Man hat in Rousseau das alte
Kind, das Infantil-senile, die schreckliche Repetition nicht erkannt, die Epochen
wie Menschen erleiden können, und die man mit dem goetheschen Begriff
»Spiegelungen :< zu gütig umschreiben könnte. Es ist das Ei — ei — da — da —
Henri Rousseau, Eva. (Smlg. Mendelssohn-Bartholdy.)
Mit Genehmigung der Galerie Flechtheim
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liehen Bildtafel, eines
lustigen Firmenschil-
des, eines traurigen
Marterl, einer dilettan-
tischen Gebrauchs-
kunst auf—immer wie-
der findet sich Nicht-
gekonntes , Nichtge-
wolltes, Nichtgemuß-
tes — Matrosenkunst.
Der Geist seinerTech-
nik, die ohne Hand-
werk, unökonomisch,
systemlos ist, sagt
mehr aus als Reporter
und Biographen. Das
ist ein Meister der Ma-
trosenkunst. Schein-
bar ein großer Meister.
Scheinbar. Es gib t Kin-
derzeichnungen, Bau-
ernmalereien, Irren-
aquarelle, die schein-
bar alle Vorzüge, alle
Kräfte wahrer Kunst-
werke haben. Ich er-
innere wieder an Tho-
mas erste Ölbildchen
von Bernau und St.
Blasien, die besten Bildern Rousseaus ebenbürtig sind. Ich sagte scheinbar
— weil sie ohne das künstlerische Bewußtsein als künstlerische Urtriebe erlebt,
nicht verdient,gefunden, nicht gekonnt wie die visionären Leistungen der Geistes-
kranken die psychophysische Wurzel der Kunst offenbaren. Allen diesen im
Unterbewußten 'entstandenen Kunstembryonen mangelt das eine, das jeder
aus einer Kunstnot gemachten Kunsttugend mangelt: der Lebenswert, der den
Kunstwerten eingeboren das Kunstwerk dem Zufälligen enthebt in das geistes-
klare Licht einer sich selbst bewußten Schau. Man hat in Rousseau das alte
Kind, das Infantil-senile, die schreckliche Repetition nicht erkannt, die Epochen
wie Menschen erleiden können, und die man mit dem goetheschen Begriff
»Spiegelungen :< zu gütig umschreiben könnte. Es ist das Ei — ei — da — da —
Henri Rousseau, Eva. (Smlg. Mendelssohn-Bartholdy.)
Mit Genehmigung der Galerie Flechtheim