MATERIALBEHANDLUNG IM KUNSTGEWERBE
9
durch die glatte Oberfläche des Körpers, auf der sich
das Licht spiegelt, wirkt. Deshalb ist die einfache,
aus dem Material sich gleichsam von selbst ergebende
Behandlung des Messings die richtige. Für Materiale
wieMessing, Messingbronze, auch KupferundSchmiede-
eisen ist die durchbrochene Arbeit am naheliegendsten.
Schmiedeeisen verträgt sehr gut eine dekorative model-
lierende Behandlung, nicht aber Messing. Hierin
besteht der grundlegende Unterschied in der Behandlung
zwischen gegossenem Material auf der einen und
geschmiedetem und gehämmertem Material auf der
anderen Seite.
Wir haben alles durchgestöbert, was die größten
deutschen Bronze-Kronleuchterfabriken erzeugen. Wir
haben die Kataloge durchgearbeitet, die Ausstellungen
besucht und in den Lagern und Werkstätten Umschau
gehalten — und wir haben erdrückend viel Stilloses
oder gewissermaßen »Materialloses« und sehr, sehr
wenig Befriedigendes gefunden. Es gibt sogar ein-
zelne große Fabriken, deren sämtliche Erzeugnisse
auf diesem Gebiete nicht wert sind, dem Lichte zu
dienen. Einige wenige freilich leisten dafür Hervor-
ragendes.
2. Silber.
Das Silber büßt seine Wirkung ein, wenn es, wie
heute leider Mode ist, poliert wird. Es wirkt alsdann
ordinär, falsifikat-ähnlich, nicht wie Silber, sondern
wie minderwertiges Material, das, um zu glänzen,
nötig hat, poliert zu werden, während Silber in sich
den Glanz hat und gehämmert zur vollen Wirkung
kommt. Ebenso ordinär daher poliertes Gold wirkt,
ebenso vornehm wirkt Mattsilber oder oxidiertes Silber.
Bei letzterem scheint sich das Silber zu kristallisieren,
bei ersterem scheint es den Adel seines Materials
verhüllt zu zeigen.
Es geht heute noch durch das ganze Kunstgewerbe
eine beklagenswerte Strömung, das Material zu ent-
stellen, anstatt es zur Geltung zu bringen. Der Möbel-
tischler versucht der Eiche den Eindruck des Ahorns
zu verleihen, der Glaskünstler ist bestrebt, das Glas
als Marmor und Edelstein erscheinen zu lassen und
der Silberschmied behandelt sein Material so, als ob
es nicht gehämmert, sondern gegossen sei. Deshalb
poliert er es. Aber eine der ersten Regeln des Kunst-
gewerbes ist die Material-Wahrheit. Keine Material-
Lügen! Mit Recht sagt W. A. Benson: »Ein ver-
heerendes Verfahren wird angewendet, um jedes Zeichen
von Einprägungen der Werkzeuge zu entfernen. Die
höchst bedeutsame Oberfläche wird auf diese Weise
ausgelöscht.« Man irrt, wenn man meint, das Urteil
über Kunst hänge in allen Teilen vom Geschmack
ab. Das Gesetz der Material-Wahrheit und der Material-
behandlungs-Wahrheit ist ein logisches, das in sich
selbst gewiß ist. Und nur ein verbildeter Geschmack
kann derartige Materriallügen und Materialfalsifikate
schön finden. Dr. HEINRICH PUDOR.
(Fortsetzung folgt.)
KÜNSTLERTHEATER, BLICK ZUR BÜHNE
Kunslgewerbeblatl. N. F. XX. H. l
M. LITTMANN (HEILMANN & LITTMANN)
2