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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 20.1909

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Kunstgewerbliche Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.4598#0023

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KUNSTGEWERBLICHE RUNDSCHAU







GOLDENE POKALE

HANS EGERSDORFER, KARL WEISHAUPT, ADOLF VON MAYRHOFER

den Verhältnissen, wie sie sich aus der Entwickelung von
selbst ergeben haben, sowohl in bezug auf die Schulen,
als auch auf die kunstgewerbliche Praxis. Sie wünschen
eine fortschrittliche Weiterbildung derselben durch die
enge Anpassung der Lehranstalten an die zeitgemäßen
Forderungen einer höheren, modern-ästhetischen Kultur
und an die wirtschaftliche Entwickelung unserer Zeit.

Diese bewegt sich aber in der Richtung einer fort-
gesetzten weiteren Ausdehnung des Maschinengroßbetriebes.

Es ist also eine wahrhaft moderne Aufgabe, Wirt-
schaft, Technik und Ästhetik in ein harmonisches Verhältnis
zueinander zu bringen. Durch eine ausgesprochene Gegner-
schaft gegen die moderne Produktionsform kann sie aber
nicht gelöst werden, sondern nur durch ein einsichtsvolles
Anpassen an diese und in einer zähen Erziehungsarbeit.
Es ist naiv, zu glauben, daß durch rein erzieherische Maß-
nahmen die wirtschaftliche Entwickelung aufgehalten wer-
den könnte. Wohl aber liegt es im Zuge der Zeit, daß
sich der heutige Großbetrieb den Forderungen der ästhe-
tischen Kultur anpassen muß. — Die Eisenbahnen, die
mechanischen Webstühle, die Sägemaschinen, die wunder-
baren Präzisionswerkzeuge — das sind Dinge, ohne die
wir uns das heutige Leben nicht mehr denken können.
Noch steht allerdings trotz der Großartigkeit der Technik
ein großes Manko an ästhetischen Werten zu Buch. Aber
wie sich im Mittelalter und später die handwerkliche Pro-
duktion im Ringen mit dem Stoff und durch die Tradition
unterstutzt, von selbst ästhetisch verfeinerte, so wird auch
aus der modernen Betriebsweise, wenn sie souverän Stoff

und Produktionsmittel beherrscht, eine neue, moderne
Schönheit herauswachsen. Alle bisherigen Verirrungen
sind nur die Kinderkrankheiten eines riesigen Organismus.

So wie wir, fast wie im Spielen, die Naturkräfte immer
mehr beherrschen lernen und mit Hilfe herrlicher Ma-
schinengebilde die Arbeit der Hand und der lebendigen
Kraft durch motorische Kraft und Bewegungen ersetzen,
so werden wir dabei auch die natürlichen Grenzen der
maschinellen Tätigkeit kennen lernen. Dann muß sich
der Sinn für das Organische wieder entwickeln und wir
werden mit Hilfe der Maschinen ebenso organische Werke
erzeugen, wie der Handwerker.

Dabei kann die Industrie freilich niemals auf die wich-
tigste Grundlage der Rentabilität -- die weitgehendste
Arbeitsteilung — verzichten. Ohne sie ist der moderne
Betrieb unmöglich. Sie ist das moderne, belebende Ele-
ment in der Produktion, mit dem sich die Kunst im Ge-
werbe abfinden muß. — Das kann sie auch. — Denn die
Arbeitsteilung wird paralysiert durch ein wichtiges Er-
fordernis erfolgreicher Arbeit. So wie am menschlichen
Organismus die einzelnen Zellen und die einzelnen Glieder
eingestellt sind auf den Gesamtorganismus, wie in der
Maschine ein Rad in das andere eingreift, so ist auch der
heutige Großbetrieb zusammengefügt aus lauter Einzel-
zellen und Rädern, die ebenfalls alle aufeinander eingestellt
sein müssen.

Im modernen Großbetrieb ist es also undenkbar, daß
der Tischler- oder Schlossergeselle oder der Weber die
notwendigen Entwürfe und Zeichnungen selbst macht.
 
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