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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 20.1909

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Pazaurek, Gustav E.: Der breite Rand bei Kunstdrucken
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https://doi.org/10.11588/diglit.4598#0039

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DER BREITE RAND BEI KUNSTDRUCKEN







Carl Beyer

Abendmahlkelch in Kupfer getrieben

DER BREITE RAND BEI KUNSTDRUCKEN

o Die Preise wertvoller Kunstblätter bestimmt nicht so
sehr die künstlerische Qualität, als vielmehr das seltene
Vorkommen irgend eines »Etats«, sowie die Erhaltung des
betreffenden Druckes. »Mit breitem Rand« gilt als die
schönste Empfehlung, dagegen kann der Zusatz »bis an
den Plattenrand beschnitten« oder gar »am Schriftrand be-
schnitten« ein sonst gesuchtes Blatt beinahe ganz entwerten.
Daß sämtliche Kupferstichkabinette und Sammler diesen
Standpunkt einnehmen und immer einnehmen werden, daß
sie sich stets bemühen werden, den Originalzustand eines
Kunstblattes zu besitzen, ist selbstverständlich. Es wäre
ein Ideal, wenn wir alle Kunstdrucke in genau der Verfassung
erhalten hätten, wie sie seinerzeit die Hand ihres Meisters
verließen. Eine andere Frage aber ist es, ob unsere heutigen
Qraphiker nicht bestrebt sein sollten, den Papierrand und
Schriftenrand auf ein Minimum zu beschränken, beziehungs-
weise den letzteren ganz wegzulassen. o
a Ein Kunstdruck hat doch nicht die einzige, vielleicht
nicht einmal die nächstliegende Bestimmung, in der Sammel-
mappe eines Liebhabers oft auf unendlich lange Zeiten zu
verschwinden; er soll vielmehr auch als gediegener Zimmer-
schmuck den weniger Wohlhabenden das Oemälde nach

Tunlichkeit ersetzen, d. h. er soll hinter Glas1) und Rahmen
einen geeigneten Platz an der Wand erhalten. Für diesen
Zweck aber bildet ein breiter Papierrand geradezu ein
Hindernis. Derzeit ist zwar Weiß die Modefarbe, und auf
einer weißen Wand in einem weißen Rahmen wäre auch
gegen einen breiten weißen Papierrand nichts einzuwenden.
Aber zum Glück prangen doch noch nicht alle Wände in
der Unschuldfarbe, und auf jedem anderen Untergrund,
selbst auf den zartesten, hellen Farbentönen bildet ein auf-
dringlicher weißer Rand, sofern die weiße Farbe im selben
Räume nicht sonst zur Geltung kommt, eine unangenehme
Unterbrechung; ja er kann die ganze architektonische
Gliederung einer Wandfläche sehr störend durchschneiden.
□ Sollen wir nun den Rand eines Kunstblattes deshalb
wegschneiden? — Wenn es sich um ein kostbares oder
altes Blatt handelt, dann wäre das geradezu barbarisch.
Es bleibt uns also nichts anderes übrig, als ein Passepartout
von derselben Breite, die der Rand hat, aber von einer,
zur Umgebung besser passenden Farbenabtönung zu
nehmen. Aber ein Passepartout ist nichts anderes als
eine, mitunter übermäßige Verbreiterung des Rahmens,
und wir kommen zu einem schreienden Mißverhältnis
zwischen Bild und Rahmen. Das Bild soll doch stets die
Hauptsache bleiben, und der Rahmen hat sich dagegen
als etwas Nebensächliches bescheiden zurückzuhalten. a
a Es wird daher wohl nicht überflüssig erscheinen, an
alle Kupferstecher und Kunstdruckanstalten einen Aufruf zu
richten, bei neuen Erzeugnissen die Papierränder auf das
äußerste Mindestmaß zu beschränken. Daß der Papierrand
über den Plattenrand herausragen muß, ist aus technischen
Gründen selbstverständlich. Wenn man ihn aber über-
mäßig ausdehnt, dann kann die Veranlassung einerseits
die Furcht vor Fingerabdrücken sein (die aber gerade auf
dem weißen Rande gewöhnlich noch störender wirken),
oder es ist eine Art Sicherheitskoeffizient gegen Rißwunden,
die nicht gleich das wertvolle Innere treffen sollen. So
löblich auch solche Prohibitivabsichten an sich sein mögen,
so verfehlen sie doch gewöhnlich ihr Ziel; wer mit Kunst-
drucken nicht sorgfältig umzugehen versteht, wird in der
Regel nicht nur die Ränder, sondern In der kürzesten Zeit
auch die Darstellungen selbst beschädigen. Der etwa er-
hobene Einwand, daß ein Kunstdruck nur als Blatt in der
Hand recht genossen werden könne und dazu unbedingt
auf weißen Hintergrund gesetzt werden solle, könnte nur
von konservativen Kupferstich-Enthusiasten stammen, die
das seit Generationen so gewöhnt sind und sich zu einer
Änderung selbst dann nicht bequemen, wenn durch diese
der ganzen Schwarz-Weiß-Kunst neue Absatzmöglichkeiten,
daher eine neue Blüte verschafft werden würden. o

o Daß die Schriftränder den weißen Rahmen noch stören-
der vergrößern, hat man zum guten Teile bereits eingesehen;
die langen Erklärungen, Widmungen, Wappen oder gar
Bezugsquellen und dergleichen — wie bei älteren Kunst-
vereinsprämien, die in einzelnen Fällen den Wortlaut gar
in mehreren Sprachen bringen mußten — werden jetzt mit
feinerem Kunstgefühl lieber ganz weggelassen. Die ganz
unauffällig, innerhalb der Platte verzeichneten Namen des
Malers und des Stechers genügen vollauf; auf Ölgemälden
ist doch auch nicht unten die ganze Biographie einer por-
trätierten Persönlichkeit oder die Beschreibung einer Haupt-

1) Wenn Künstler früherer Jahrhunderte darauf nicht
Rücksicht nahmen, so ist das eben in der Unvollkommen-
heit des alten Tafelglases begründet. Heute dagegen hat
man genug guter Deckscheiben zu wohlfeilen Preisen; man
braucht also nur die gerahmten Kunstblätter nicht gerade
ins Gegenlicht zu hängen oder sonst störenden Reflexen
auszusetzen.
 
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