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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 20.1909

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Pazaurek, Gustav E.: Der breite Rand bei Kunstdrucken
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Westheim, Paul: Paul Scheurich
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https://doi.org/10.11588/diglit.4598#0040

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ARBEITEN VON PAUL SCHEURICH



33





und Staatsaktion, die geographische Situation einer Land-
schaft oder gar bei einem Stilleben die Versicherung ent-
halten, daß die abgebildeten Objekte Zitronen, Zwiebeln
und dergleichen sein sollen. °

a Mit dem Wegfall des Papierrandes, beziehungsweise
mit der Beschränkung der Platte auf das eigentliche Bild
wird allerdings auch jenen kleinen Spielereien der Boden
entzogen, die unter dem Namen »Einfälle* bekannt sind.
Aber alle diese, mitunter — für sich betrachtet — überaus
reizvollen oder humoristischen Figürchen, die die Platten-
ränder bevölkerten, waren doch ursprünglich nur neben-
sächliche Versuche des Künstlers, die dieser selbst entfernte,
bevor er die Verkaufsabzüge von der Platte machen ließ.
Für den Sammler waren derartige Zutaten zunächst die
Bürgschaft dafür, daß er einen der allerersten, vom Meister
selbst besorgten Abdruck vor sich hatte; bald aber lenkte
sich seine Aufmerksamkeit gerade solchen — vom ästhe-
tischen Standpunkt entschieden störenden und illusions-
raubenden — Momenten zu. Die Folge davon war, daß
einzelne Künstler mit derartigen, schönheitspflästerchen-
artigen Zutaten geradezu kokettierten. Aber solche Dinge
mögen zu den Raritäten und Kuriositäten alter »Kunst-
kammern« passen; mit der Kunst selbst haben sie nicht
viel zu tun. □

□ Wenn nun auch alle Sammler von Kunstblättern gegen
den Wegfall des weißen Randes protestieren werden, so
sollten es die graphischen Künstler doch einmal versuchen,
sich auch an andere Interessentenkreise zu wenden. Den
Sammlern wird zum Schlüsse doch nichts übrig bleiben,
als sich zu fügen; und sie werden sich gewiß bald daran
gewöhnen, auch Blätter ohne breiten weißen Rand zu
kaufen, wenn von der betreffenden Platte eben gar keine
anderen Abzüge1) vorhanden sind. Schließlich wäre es
doch auch nur ein Vorteil für die Kunstblättersammlungen,
wenn die nicht selten so überaus unhandlichen Formate
eben dadurch eine entsprechende Reduktion erfahren könnten.
Mancher Riß, mancher Bruch ist ja nur dadurch verschuldet
worden, daß überflüssig ausgedehnte Größen die Hand-
habung und den Genuß der Kunstdrucke so sehr erschwerten,
o Daß sich Kunstblätter gerade ohne Papierrand rasch
und gut einbürgern, hat man in den letzten Jahren an den
Künstlerlithographien von Teubner oder Voigtländer überall
beobachten können. Für den Holzschnitt, speziell für den
Mehrfarbenholzschnitt und für alle Hochdruckverfahren
gelten aber dieselben Gesetze, wie für den Flachdruck;
selbst der Tiefdruck braucht jedoch mit der Papiergröße
über die Plattengröße nicht mehr hinauszugehen, als es
unbedingt notwendig ist. Also fort mit den störenden,
breiten, weißen Papierrändern! a. e. PAZAUREK-stuttgart.

1) Das bleibt die Hauptsache. Denn wenn auch nur
in beschränkter Zahl Abdrücke mit breitem Rande herge-
stellt werden, dann werden sich die Sammler doch wieder
auf diese stürzen, und der Zweck ist nicht erreicht, da so-
fort alle anderen Abdrücke als minderwertig klassifiziert
werden würden. °

PAUL SCHEURICH

o Der gesunde Zug nach einfachster und zweckmäßigster
Sachlichkeit, der heute unsere gesamten kunstgewerblichen
Bestrebungen durchweht, heischt scheinbar als Opfer eines
der vorzüglichsten Elemente alles künstlerischen Gestaltens:
die Phantasie. In dem Ringen um die Schönheit der Ma-
terialgeheimnisse scheint die Lust zum Fabulieren, zum
Spintisieren und Phantasieren entschwunden zu sein. Der
Drang zum Beleben, Geheimnisse hervorzuzaubern, schauer-

liche Grotesken zu ersinnen oder im neckischen Übermut
mit spukhaften Drollerien zu spielen, versteckt sich scheu
wie ein ungezogener Knabe vor dem Intellekt mit seiner
ordentlichen, unbestreitbaren Einsicht. Seitdem alles kunst-
gewerbliche Bilden eine so kulturernste Sache geworden
ist, erscheinen alle Spaziergänge außerhalb dem Kartoffel-
acker der Zweckmäßigkeiten in grünende Haine, wo sich
mit dem Rauschen der Wipfel die Töne der Zauberflöten
mischen, verdächtig. □

d Aber Künstlerblut muß schäumen und wallen. Bald
hier, bald dort wird gebastelt, gefeilt, gehämmert und ge-
punzt. Der Spieltrieb zuckt in den Fingern. Das Unglaub-
liche erhält Gestalt. Visionen und buntscheckige Bilder
tollen vor den Sinnen. Gestalten, umweht von der zarten
Tragik einer legendären Existenz, schwirren durch die
Dämmerungen. Und die bitterbösen Gnomen oder der
arglistig lustige Kobold murmeln Dumpfes, Seltsames, Un-
heimliches, Märchenhaftes ... o
o Die Deutung kennen nur dieSonntagskinder desLebens:
die Künstler. Ihre Sinne lauschen und künden. Das Über-
sinnliche sprudelt sich aus im sinnlichen Gestalten. o
o Paul Schcurich gehört zu jenen, denen sich zwischen
rauchenden Fabrikschloten und engbrüstigen Mietskasernen,
zwischen dem nervenabstumpfenden Geratter der Elektri-
schen, der Autos, der Lastfuhrwerke und den nervenkitzeln-
den Erregungen des mondainen Großstadtgetriebes noch
ein Stück Romantik offenbart. Nicht die blaßblaue aus
dem Großvatergärtchen. Nicht der Johannisstraußdusel
mit den Herzchen, den Schmerzchen, dem Feechen und

PlaKoJe

Hollerbeoim
fVchmidi

BeriirvN-65

lyJhcurirh

Paul Scheurich

Plakat für Hollerbaum & Schmidt
 
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