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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 20.1909

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Gross, Karl: Gestaltungsunterricht und Volkserziehung
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https://doi.org/10.11588/diglit.4598#0072

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WETTBEWERBE DES DRESDENER KUNSTGEWERBEVEREINS



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□ Der Zeichenunterricht muß charaktervolles Beobachten wecken und besonders befähigte Schüler in
Sammelklassen weiterbilden, wie es in München bereits geschieht und in Dresden eben versucht wird. °
n Eine sehr wichtige Sache ist weiterhin eine sinngemäße Fortführung des Gestaltungsunterrichts in den
Mittelschulen, denn hier werden die zukünftigen gebildeten Abnehmer erzogen für Handel und Industrie, für
Handwerk und Kunsthandwerk. Besitzt diese Schicht unserer Nation eine solide Geschmacksgesinnung und
eigenes Empfinden für bescheidene Schönheit und charaktervolle Arbeit, dann beginnt für den tüchtigen
Gewerbetreibenden erst die Möglichkeit, sein Talent ausnützen zu können. □
a Auf dem Fragebogen der sächsischen Landesstelle für Kunstgewerbe stand an erster Stelle: »Was be-
klagen Sie beim kaufenden Publikum?« Mit seltener Einmütigkeit wurde diese Frage von allen Produzierenden
dahin beantwortet: »Das Publikum, auch der besten Kreise, verlangt nur Billigkeit«. Ein Qualitätsverlangen
in bezug auf Technik und Geschmack liegt gar nicht in der Natur der heutigen »Bildung«. Diesen nationalen
und volkswirtschaftlichen Übelstand zu ändern, liegt in den Händen des allgemeinbildenden Gestaltungs-
unterrichts, daher: Gestaltungsunterricht und Volkserziehung. 0
d Nur wer den Reiz solider Handarbeit selbst empfunden hat, wird sie lieben und unterstützen. o
D Erst durch die Erziehung hierzu wird es auch wieder möglich sein, dem Handwerk talentvolle Lehr-
linge auch aus besseren Kreisen zuzuführen. D
d Wie steht es nun mit dem Gestaltungsunterricht in den Lehrlingsfachschulen? (Das rein Technische
soll hier außer acht bleiben.) Ich kann mich hier nicht auf den Streit einlassen, ob Schulwerkstätten nötig
sind oder nicht. Aber das eine ist sicher, daß die Geschmackserziehung der Lehrlinge ebenfalls aus der
Matenalarbeit herauswachsen muß und der Zeichenunierricht nur Ergänzung sein soll, in engster Fühlung
mit den praktischen Forderungen. □
n Der Unterricht an diesen Schulen ist heute besonders schwierig. Es wird geklagt über das oft minder-
wertige Schülermaterial, die kurze Unterrichtszeit und den großen Lehrstoff, über Mangel an geeigneten
Lehrern und großem Wechsel darin und über die Geschmacksverwirrung unserer Zeit, die auch den Lehrer
unsicher macht. In der Werkstätte ist letzteres nicht besser. Über diesen wichtigen Punkt möchte ich noch
einiges ausführen. □

□ Vor allem meine ich: Hinaus mit dem sogenannten Entwerfen aus der Lehrlingserziehung! Gerade
so gut könnte man verlangen, daß die Lehrlinge dichten müssen; ob sie nun dazu Talent haben oder nicht.
Nicht von jedem kann man verlangen, die Höhen zu erreichen, die besonderem Talent vorbehalten sind —
aber das Höchste, was das eigene Talent und das eigene Empfinden vermag, soll errungen werden. Der
Unterricht soll daher nicht falschen Ehrgeiz fördern, sondern auch das bescheidene Talent innerlich zufrieden-
stellen und festigen. Was der Lehrling braucht, ist das sichere Gefühl für das, was technisch und ge-
schmacklich gut ist. Dieses Ziel ist nur zu erreichen, wenn Werkstatt und Schule darin selbst sicher sind.

Kelch in Silber

Entwurf: Adolf Sonnenschein

Ausführung: W. Matusch-Dresden

Urne, Bronze

Entwurf: K. Orofi

Ausführung: W. Matusch-Dresden

Aschenurne, Bronze

Entwurf: Adolf Sonnenschein

Ausführung: W. Matusch-Dresden

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