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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 20.1909

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Gross, Karl: Gestaltungsunterricht und Volkserziehung
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https://doi.org/10.11588/diglit.4598#0074

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WETTBEWERBE DES DRESDENER KUNSTGEWERBEVEREINS



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Alfons Ungerer-Dresden

deuten. Dies kann jedoch nicht nur theo-
retisch gelehrt werden, danach muß sich
auch die Meisterlehre richten urfd dem
Lehrling Gelegenheit zu praktischen Ver-
suchen dieser Art geben. Wo die Meister-
lehre hier versagt, muß eben in der Schule
die Möglichkeit zu praktischen Versuchen
vorhanden sein. Dieser Unterricht über
einfache dekorative Wirkungen könnte so-
gar unter Umständen als allgemeinbilden-
der in Volks- und Mittelschulen von guter
Wirkung und sehr anregend sein, be-
sonders, wenn er sich dem Handfertig-
keitsunterricht anschmiegt. °
o Ich will in folgendem noch einmal
kurz zusammenfassen:
o i. Der Gestaltungsunterricht ist ein
wichtiges Erziehungsmittel, um im Volke
wieder Qualitätsempfinden und guten Ge-
schmack zu verbreiten,die Grundbedingung
für eine gesunde wirtschaftliche Entwick-
lung von Handel und Gewerbe. o
o 2. Der Gestaltungsunterricht muß
sich auf dem Handfertigkeitsunterricht sinn-
gemäß aufbauen, da die Liebe für solide
Arbeit und die Freude an der Schönheit
des Gestaltens wohl durch die schöpferische
Handarbeit, nicht aber durch den Zeichen-
unterricht übermittelt werden kann. □
o 3. Der allgemeinbildende Zeichen-
unterricht an sich hat die Aufgabe, den Men-
schen je nach Talent zu befähigen, alles was
Natur und Menschenwerk bietet, in einfach-
ster Weise charakteristisch wiederzugeben,
o Alle Ausdrucksmittel, welche nach
der hohen Kunst zielen, d. h. schon eine
schwierige Darstellungsart, z.B. in Schatten-
und Farbgebung verlangen, sind möglichst
auszuschließen und einem Spezialstudium
vorzubehalten. — Der Modellierunterricht
untersteht denselben Bedingungen. □
a 4. Jeder Gestaltungsunterricht, wel-
cher Empfindungs- und Gefühlswerte zum
Ziele hat, kann erfolgreich nur von Lehrern
erteilt werden, deren natürliche Begabung
hierfür sichergestellt ist. °
q 5. EinrichtigerGestaltungsunterricht
ergibt von selbst die Auswahl jener Talente,
welche für Handwerk und Kunsthandwerk
geeignet sind und fördert das Verlangen
nach solcher Betätigung; bei jenen, welche
anderen Berufen nachstreben, erweckt er das Bedürfnis nach solider, geschmackvoller Arbeit, und jenen,
welchen das Schicksal künstlerische Begabung verliehen, schafft er eine feste Basis für ihre weitere Entwicklung!

6. Eine Lehrlingsausbildung, welche auf solchem Gestaltungsunterricht fußt, hat leichtere Arbeit,
o Die Lehrlingserziehung von heute muß auf einem verständigen Zusammenwirken von Werkstatt und

Schule aufgebaut sein. „

Sie darf sich aber nicht nach dem Verlangen jener rückständigen Handwerker richten, welche ihr
Gewerbe zwar recht brav gelernt haben, ihren Handwerkerstolz tüchtig aufblähen, aber sonst auf dem Stand-
punkt stehen, daß die Gesetze so eingerichtet sein müßten, daß ihre Rückständigkeit durch die weiterblickenden
und tüchtigeren Kollegen ja nicht geschädigt werden kann.
g 7. So lange, als für einen Gestaltungsunterricht im vorbezeichneten Sinne die Zeit noch nicht reif ist

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Goldschmied Ehrenlechner-Dresden
 
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