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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 20.1909

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Kunstgerwerbliche Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.4598#0082

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KUNSTGEWERBLICHE RUNDSCHAU



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technik geschaffen. Die Zeichenlehrerabfeilung wurde eine
in sich geschlossene Klasse, der ein pädagogisches Prakti-
kum eingefügt wurde. Auch der AJ)end- und Sonntags-
unterricht erfuhren dem stärkeren Besuch entsprechend
einige Erweiterungen. Neu geschaffen wurden ferner eine
Fachklasse für das Gravieren und verwandte Techniken.
— An Stipendien kamen insgesamt über 6000 Mark zur
Verteilung. Freistellen wurden 35 resp. 40 Schülern ge-
währt. Außerdem genießen 31 Hamburger Lehrer für ein-
zelne Kurse freien Unterricht. □
a Hanau. Königliche Zeichenahademic. Es wurde eine
neue und anfänglich besonders streng gehandhabte Schul-
ordnung aufgestellt, die alle früheren, störenden Unregel-
mäßigkeiten beseitigte. Um die Schüler von Anfang an zur
Selbständigkeit zu erziehen und exaktes Zeichnen als Grund-
lage aller kunstgewerblichen Ausbildung in allen Klassen aufs
sorgfältigste zu pflegen, hielten sich die Lehrer in der zeich-
nerischen Korrektur sehr zurück, um nicht die naiven
Ansätze einer natürlichen individuellen Betätigung des
einzelnen Schülers im Keim zu ersticken; dafür wurde die
mündliche Korrektur um so ergiebiger gehandhabt. Diese
Hauptgesichtspunkte wurden auch in den Modellierklassen
und Werkstätten versucht, doch zeigte sich hier zum Teil
noch eine gewisse Schwierigkeit. Übungen im Gedächtnis-
zeichnen wurden reichlich vorgenommen; um den Ent-
werfenden bei der Zeichnung die Wichtigkeit der räum-
lichen Vorstellung klar zu machen, wird in den Entwurfs-
klassen für Gold- und Silberschmiede nach Möglichkeit das
Modellieren und Herstellen von Gipsmodellen an der Hand
der zeichnerischen Entwürfe herangezogen. Das historische
Stilstudiuni, das in der früher üblichen Weise aufgegeben
war, ist in veränderter Form wieder aufgenommen, einmal
in den vorerwähnten Studiumklassen für Gold- und Silber-
schmiede, ferner in den kunstgewerblichen Vorträgen und
endlich im Ornamentzeichnen. In dieser Klasse wird das
ornamentale Zeichnen im Gegensatz zu der Anfängerklasse
lediglich an der Hand historischer Ornamentkompositionen
geübt, mit besonderer Betonung des Stilcharakters. Der
Direktor, Landbauinspektor Petersen, hat inzwischen die
Leitung der Schule niedergelegt und an der Unterrichts-
anstalt des Königlichen Kunstgewerbemuseums in Berlin
eine Lehrstelle für Metalltechnik angenommen. □
□ Hannover. Handwerker- und Kunstgewerbeschule. Die
Schule ist eine Tagesschule und ihr Besuch ist ein frei-
williger. Es wurde eine Klasse für Photochemie einge-
richtet, die Zahl der Fortbildungsschulen wurde in Rücksicht
auf die gesteigerte Schülerzahl von 7 auf 8 vermehrt.
An der Buchbinderfachausstellung, die im Jahre 1907 in
Hannover stattfand, beteiligte sich die Schule mit in Haud-
vergoldung ausgeführten Buchdecken, mit Vorsatzpapier
und Lederschnittarbeiten. Auf der Malerfachausstellung
des 20. deutschen Malerbundestages wurde die Schule durch
die Verleihung der goldenen Medaille ausgezeichnet. o
d Karlsruhe, Baden. Oroßhcrzoglich liadische Kunst-
gewerbeschule Die Schule verlor durch den Tod den als
Lehrer im Modellieren an der Schule tätigen Professor
Dietsche - Mit Ausnahme von 5 Schülern hatten sämtliche
Schüler vor Eintritt in die Schule eine dreijährige Lehrzeit
beendet und waren zum Teil sogar schon mehrere Jahre in
der Praxis tätig! Die Einführung einer Aufnahmeprüfung
gewährleistet, daß nur solche Schüler die Anstalt besuchen,
bei denen eine künstlerische Ausbildung Erfolge versprechen
kann. Demgemäß wurde einer größeren Anzahl von Auf-
nahmegesuchen die Genehmigung verweigert. o
n Magdeburg. Kunstgewerbe- und Handwerkerschuh:
Das Schriftzeichnen wurde in Erkenntnis seines hohen,
geschmackbildenden Wertes als obligatorischer Unterricht
für alle Tagesschüler eingeführt. Die Lehrplane und

Unterrichtsmethode für die vorbereitenden Fächer, »Körper-
und Gerätezeichnen, freie Pinselübungen und Schattieren
nach Modellen«, sowie für das Zeichnen und Skizzieren
nach der Natur sind auf Grund der seither gemachten Er-
fahrungen einer genauen Prüfung unterzogen worden. Das
Flächenstudium und das Tierstudium wird an der Anstalt
besonders gepflegt und gefördert. o

AUSSTELLUNGEN

□ Leipzig. Kunstgewerbe-Museum in Leipzig. Im Früh-
jahr erließ bekanntlich eine auf Veranlassung des Kunst-
gewerbe-Vereins und der hiesigen Gewerbekammer ge-
bildete Kommission von Fachmännern an die Künstler
und Gewerbetreibenden im Leipziger Bezirk einen Aufruf
zur Beschickung einer Ausstellung von Entwürfen für neu-
artige künstlerische Innenausstattung in der besonderen
Absicht, den einheimischen Posamentierern, Tapezierern,
Drechslern, Holzbildhauern und Stukkateuren neue künst-
lerische Anregungen zu geben. Die auf diesen Aufruf hin
eingegangenen Arbeiten, teils Entwürfe, teils fertige kunst-
gewerbliche Erzeugnisse, wie neuartige Polsterstühle,
Fenstergarnituren, Posamenten, Drechslerarbeiten, Holz-
schnitzereien, Möbel, Gipsmodelle und andere, sind gegen-
wärtig im Textilsaal ausgestellt Von den Einsendern
sind folgende mit Geldpreisen ausgezeichnet worden: mit
einem I. Preis zu 200 Mk.: Hugo Knoppe, Lehrer an der
Fachschule für Drechsler und Bildschnitzer, Rudolf und
Fia Wille und Heinrich Teßnow, Posamentenfabrikant.
Mit dem II. Preis zu 100 Mk. wurden bedacht: Tapezierer-
meister Otto Schenk, Dekorateur Johannes Hörig, Hans
Schneider und Posamentierer Hermann Robert. Weitere
Preise zu 50 Mk. erhielten: H. Schröter, Lehrer an der
Fachschule für Drechsler und Bildschnitzer, Agnes Seydel,
H. Oppermann Nachf. W. Westphal, Ernst Büchner, Bild-
hauer F. W. Kunze und Posamentierer Friedrich Wilhelm
Wiesel. Der Ausstellung waren die Arbeiten, welche auf
das im Herbst vorigen Jahres erlassene Ausschreiben einge-
gangen und prämiiert worden waren, angegliedert. Man
vergleiche die aus obiger Ausstellung entnommenen Ab-
bildungen in dieser Nummer. °

HANDEL UND EXPORT

□ Die gelbe Gefahr, die japanische Exportindustrie,
wird in einem Bericht der Handelskammer in Lüdenscheid
scharf beleuchtet. Sie hat im letzten Jahre den Export der
Metallkurzwaren nach China, den bisher Deutschland in
der Hand hatte, fast ganz an sich gerissen. Die Ausfuhr
hat in Japan die Einfuhr bereits überschritten und unter-
bietet die europäische und amerikanische Konkurrenz auf
dem Weltmarkt erheblich. Die Japaner sind bekanntlich
wegen ihrer niedrigen Löhne — ein männlicher Industrie-
arbeiter bekommt dort kaum eine Mark täglich! — die
billigsten Lieferanten der Welt. Wir Deutsche sollten
darauf verzichten, mit Japan im Preise konkurrieren zu
wollen, wir kommen damit langsam aber sicher auf eine
Schundproduktion herunter. Wir müssen die Konkurrenz
nur in der Qualität aufnehmen, das heißt besser liefern, eine
Arbeit produzieren, die kein anderes Land nachmachen kann.
Dies ist ganz besonders im Kunstgewerbe notwendig. Es
wird sich darum handeln, die Rohmaterialien, die wir not-
wendigerweise aus dem Auslande beziehen müssen, durch
künstlerische Verarbeitung derart im Werte zu steigern, daß
der erzielte Wertzuwachs dem Überfluß und der Billigkeit
der im Ausland verarbeiteten Rohmaterialien die Wage
hält. n
 
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