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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 20.1909

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Seliger, Max: Zur Frage unserer deutschen Künstler-Fachschulen Anno 1908
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https://doi.org/10.11588/diglit.4598#0095

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DIE PFORZHEIMER SCHMUCK-INDUSTRIE







Kollmar & Jourdan

Double-Schmuck

manchen teuren Wiederholungen gleicher Einrichtun-
gen und Ziele doch auch Eitelkeiten der Städte oder
einzelner entscheidender Personen mit. Die Ausbil-
dung des Charakters der Schulen sollte aber sorg-
fältigst nach den örtlichen Bedürfnissen und einem
organischen Plane, weniger nach der Verwendung
einzelner leuchtender Lehrkräfte geschehen, die aus
irgendwelchen Zufällen ihre Spezialität hoch entwickelten
oder in einer schon blühenden Schule wirken möchten.
Jetzt ist ein wahres Preisringen um den Besitz einzelner
Lehrkräfte eingerissen, die doch unmöglich in jedem
Rahmen die bestmögliche Nützung und Fruchtbarkeit
finden können. Es kommt auf diese Kräfte ja nicht
allein an, es muß ihrer Saat in derselben Schule
oder örtlichen Industrie auch der Boden richtig zu-
bereitet werden oder ihre Saat dort noch behütet
und verwendet werden können. n

o Wir haben heute in Deutschland z. B. eine sehr
breite Kultur der Papierverarbeitung in den Kunst-
und Kunstgewerbeschulen, richten immer noch kostbare
Werkstätten ein und stellen Lehrer dafür an, während
die vorhandenen älteren Einrichtungen noch nicht
einmal voll ausgenützt werden. So kommt es denn,
daß für solche Uberflußklassen bisweilen keine Schüler
gleichzeitig da sind oder künstlich einzelne unechte
durch vorübergehend verteilte Stipendien oder sonstige

Wege geschaffen werden. Auch unsere in letzter
Zeit eingerichteten Buchbinderwerkstätten sind alle
nicht gehörig gefüllt, und die wenigen Schüler werden
von allen Schulen liebend umworben. Das Annoncen-
wesen einzelner Fachschulen steht in hoher Blüte und
die Werbetrommel muß bezeichnenderweise heute
schon auch für die Schulen tüchtig gerührt werden.
Das ist kein gesunder Zustand. □

□ Die Behörden und ihre Schulen sollten, statt sich
nachzuahmen, eher streben, im Reiche die Lücken
an Schulen für einzelne Gebiete zu ermitteln und
dann auszufüllen. Auf einigen Gebieten geschieht
noch recht wenig, obwohl dort Kultur gut wäre oder
not ist. Wir haben nicht eine Schule, in der die
farbige Flächenkunst größeren Maßstabes im Zusammen-
hange mit allen hierbei üblichen Techniken und im
Anschluß an die Architektur gepflegt wird. Die Wieder-
entdeckung des Raumes und seines Inhaltes als einer
Einheitskunst in der Dresdner Kunstgewerbe-Aus-
stellung 1906 drängt auch zur Wiederfindung der
kunstvoll gefärbten Raumarchitektur und Monumental-
malerei. Dieser Unterricht wäre zu organisieren, wo
die tektonischen Kunstgewerbe stark entwickelt sind
oder ihre Techniken (Glasmosaik, Glasmalerei, Gobelin-
weberei, Intarsia, Tapete usw.) in der Nähe gedeihen.
Am besten gehört diese Kultur in die Reichshauptstadt,
 
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