DIE PFORZHEIMER SCHMUCK-INDUSTRIE
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und meisterlicher in die einzelnen Gebietsstücke ein-
zudringen und so die ganze Gesamtspezialität besser
zu beackern. n
a Ich will gern zugeben, daß in der Einseitigkeit
auch eine gewisse Gefahr liegt. Aber wir wissen
auch, daß in der Beschränkung der Meister eher
möglich ist und sich am besten zeigt, und wir wissen
auch, daß die großen Erfolge unserer heutigen Wissen-
schaft nur möglich wurden, weil die Kräfte sich
spezialisierten und freiwillig beschränkten, weil sie
anders sich nicht so gut vertiefen und konzentrieren
konnten. Wer heute streben würde, den ganzen
riesenhaft gewordenen Arbeitskreis eines Gebietes oder
der Welt zu umfassen und heute auf diesem und
morgen auf jenem Gebiete sich zu betätigen, der
müßte notwendig ein fortwährender Anfänger und
Schüler bleiben. °
□ Den Schutz gegen völliges Erblinden gegen die
übrige Spezialitätenwelt und das allgemeine Leben
bieten schon allein unsere Reichtümer an äußerst be-
weglichen bildlichen und schriftlichen Pressendruck-
werken. °
o Bei der Ausbildung der Lehrer für Spezialgebiete
müßte allerdings besonders darauf geachtet werden,
daß sie auf einem allgemeineren Fundament fest
fußen, und besonders müßte ihr architektonischer
Sinn gehörig ausgebildet werden. Darunter verstehe
ich die Fähigkeit, verschiedene Dinge zusammenzu-
fassen, zu einer Einheit zu verarbeiten, überhaupt
Lebendiges zu organisieren, mit der wirklichen Welt
Verbindung zu behalten, und es für sie zu formen.
Hierzu wäre ein Sonderkapitel zu schreiben. n
o Betonen möchte ich noch, daß für die Ausbildung
oder Entwickelung jenes Organismus, auch jenes unserer
Spezialschulen, eine gewisse Zeit der Ruhe, der Stetig-
keit und Treue nötig ist — sonst kann kein Organis-
mus ausreifen. Ein fortwährendes Umändern und
Wechseln grundsätzlicher Einrichtungen kann das
Wirksamwerden der besten Einzeleinrichtungen ver-
hindern. °
□ Im Interesse des Kunstgewerbes und der künftigen
wirtschaftlichen Sicherheit der Kunstgewerbeschüler
läge es wohl auch, wenn sie alle vor dem Eintritt
in die Kunstgewerbeschule In einem Handwerk die
übliche praktische Lehrzeit durchgemacht hätten.
o Aber ein Direktor, der alleine heute in diesem
Sinne sein Schulprogramm zu ändern strebte, würde
sich nur der Schüler berauben und sie in die Kon-
kurrenzschulen treiben, die noch die Freiheit geben.
Nur ein gemeinschaftlicher Beschluß der bundes-
staatlichen Regierungen, der gleichzeitig bei allen
Schulen in Kraft träte, der auch im Einvernehmen
mit den Gewerbe- und Handelskammern geschaffen
würde (heute sind Lehrlinge in manchen Gewerben
oft gar nicht oder nur schwer unterzubringen!), konnte
eine derartige vielleicht aber recht heilsame, in der
Zukunft wirksame Maßregel zur Beschränkung und
Verbesserung der Kunst- und Kunstgewerbebefhssenen
und zur Regelung der Überproduktion erreichen, o
a Aus Gründen der Sparsamkeit und Vertiefung der
Schulbildung könnte ich mir auch denken, daß wir
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L. Klippenheini, Goldene Börse
unsere Gewerbe-, Kunstgewerbe- und Kunstschulen
in einen organischeren Zusammenhang brächten, daß
sie alle auf einer gemeinsamen allgemeineren Grund-
lage aufbauten und später eine Gabelung zu den
Künsten, Handwerken und Industrien vornehmen würden
(eine Idee, die ich in Breslau auf einem Delegierten-
tag der Kunstgewerbevereine vorbrachte). Durch ein
solches System, das einige Kunstgewerbeschulen in
ihren Vorschulen oder in Sammelklassen schon in be-
scheidenerem Umfang benützen, könnten, wenn es im
ganzen Reich von allen eingerichtet würde, die Kräfte
der Nation viel genauer auf ihre Gaben und die ihnen
sachlich zukommenden Spezialberufe hin untersucht
und durchgesiebt werden, so daß eine bessere Dirigierung
und Verwendung der Kräfte erreicht würde. Es
könnten vielleicht alle jungen Kräfte (nur für ältere
umsattelnde Personen wären einige Sonderbestimmungen
zu erfinden), die zu einem technischen Berufe oder
zur Kunst streben, zuerst ein Handwerk (zwei Jahre, etwa
14.—16. Lebensjahr) erlernen, dann müßten sie in die
Gewerbeschule. Hier könnten zwei Jahre lang (16.—18.
Lebensjahr) verschiedene kurze technische (Holzarbeiten,
Eisenarbeiten und andere) und kunsttechnische Kurse
abgehalten werden (Zeichnen, malerisches und exaktes
Modellieren, Malen, Architekturzeichnen). Die für die
Kunst- und Kunstgewerbeschulen geeigneten Kräfte
würden offiziell weiter zu versetzen sein, und nur
freiwillig nach einem bestimmten Gewerbe strebende
würden zurückzuhalten sein. Diese müßten dann in
ihrem Spezialgewerbe die praktische Lehre beenden
(18.—20. Lebensjahr) und können dann in der Ge-
werbeschule ihre Bildung verfeinern und vertiefen
(Ergänzungsunterricht, technischer, kaufmännischer,
wissenschaftlicher). Hiermit würde auch bei der Lö-
sung einer nicht zu unterschätzenden Aufgabe mit-
geholfen werden, den schulentlassenen Jüngling aus
dem Volke bis zu seiner Militärzeit möglichst noch
unter Aufsicht zu haben, um ihn staatszerstörenden
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und meisterlicher in die einzelnen Gebietsstücke ein-
zudringen und so die ganze Gesamtspezialität besser
zu beackern. n
a Ich will gern zugeben, daß in der Einseitigkeit
auch eine gewisse Gefahr liegt. Aber wir wissen
auch, daß in der Beschränkung der Meister eher
möglich ist und sich am besten zeigt, und wir wissen
auch, daß die großen Erfolge unserer heutigen Wissen-
schaft nur möglich wurden, weil die Kräfte sich
spezialisierten und freiwillig beschränkten, weil sie
anders sich nicht so gut vertiefen und konzentrieren
konnten. Wer heute streben würde, den ganzen
riesenhaft gewordenen Arbeitskreis eines Gebietes oder
der Welt zu umfassen und heute auf diesem und
morgen auf jenem Gebiete sich zu betätigen, der
müßte notwendig ein fortwährender Anfänger und
Schüler bleiben. °
□ Den Schutz gegen völliges Erblinden gegen die
übrige Spezialitätenwelt und das allgemeine Leben
bieten schon allein unsere Reichtümer an äußerst be-
weglichen bildlichen und schriftlichen Pressendruck-
werken. °
o Bei der Ausbildung der Lehrer für Spezialgebiete
müßte allerdings besonders darauf geachtet werden,
daß sie auf einem allgemeineren Fundament fest
fußen, und besonders müßte ihr architektonischer
Sinn gehörig ausgebildet werden. Darunter verstehe
ich die Fähigkeit, verschiedene Dinge zusammenzu-
fassen, zu einer Einheit zu verarbeiten, überhaupt
Lebendiges zu organisieren, mit der wirklichen Welt
Verbindung zu behalten, und es für sie zu formen.
Hierzu wäre ein Sonderkapitel zu schreiben. n
o Betonen möchte ich noch, daß für die Ausbildung
oder Entwickelung jenes Organismus, auch jenes unserer
Spezialschulen, eine gewisse Zeit der Ruhe, der Stetig-
keit und Treue nötig ist — sonst kann kein Organis-
mus ausreifen. Ein fortwährendes Umändern und
Wechseln grundsätzlicher Einrichtungen kann das
Wirksamwerden der besten Einzeleinrichtungen ver-
hindern. °
□ Im Interesse des Kunstgewerbes und der künftigen
wirtschaftlichen Sicherheit der Kunstgewerbeschüler
läge es wohl auch, wenn sie alle vor dem Eintritt
in die Kunstgewerbeschule In einem Handwerk die
übliche praktische Lehrzeit durchgemacht hätten.
o Aber ein Direktor, der alleine heute in diesem
Sinne sein Schulprogramm zu ändern strebte, würde
sich nur der Schüler berauben und sie in die Kon-
kurrenzschulen treiben, die noch die Freiheit geben.
Nur ein gemeinschaftlicher Beschluß der bundes-
staatlichen Regierungen, der gleichzeitig bei allen
Schulen in Kraft träte, der auch im Einvernehmen
mit den Gewerbe- und Handelskammern geschaffen
würde (heute sind Lehrlinge in manchen Gewerben
oft gar nicht oder nur schwer unterzubringen!), konnte
eine derartige vielleicht aber recht heilsame, in der
Zukunft wirksame Maßregel zur Beschränkung und
Verbesserung der Kunst- und Kunstgewerbebefhssenen
und zur Regelung der Überproduktion erreichen, o
a Aus Gründen der Sparsamkeit und Vertiefung der
Schulbildung könnte ich mir auch denken, daß wir
fc-,±m--- ■^ v:- ■#&' •■:■& -:v
L. Klippenheini, Goldene Börse
unsere Gewerbe-, Kunstgewerbe- und Kunstschulen
in einen organischeren Zusammenhang brächten, daß
sie alle auf einer gemeinsamen allgemeineren Grund-
lage aufbauten und später eine Gabelung zu den
Künsten, Handwerken und Industrien vornehmen würden
(eine Idee, die ich in Breslau auf einem Delegierten-
tag der Kunstgewerbevereine vorbrachte). Durch ein
solches System, das einige Kunstgewerbeschulen in
ihren Vorschulen oder in Sammelklassen schon in be-
scheidenerem Umfang benützen, könnten, wenn es im
ganzen Reich von allen eingerichtet würde, die Kräfte
der Nation viel genauer auf ihre Gaben und die ihnen
sachlich zukommenden Spezialberufe hin untersucht
und durchgesiebt werden, so daß eine bessere Dirigierung
und Verwendung der Kräfte erreicht würde. Es
könnten vielleicht alle jungen Kräfte (nur für ältere
umsattelnde Personen wären einige Sonderbestimmungen
zu erfinden), die zu einem technischen Berufe oder
zur Kunst streben, zuerst ein Handwerk (zwei Jahre, etwa
14.—16. Lebensjahr) erlernen, dann müßten sie in die
Gewerbeschule. Hier könnten zwei Jahre lang (16.—18.
Lebensjahr) verschiedene kurze technische (Holzarbeiten,
Eisenarbeiten und andere) und kunsttechnische Kurse
abgehalten werden (Zeichnen, malerisches und exaktes
Modellieren, Malen, Architekturzeichnen). Die für die
Kunst- und Kunstgewerbeschulen geeigneten Kräfte
würden offiziell weiter zu versetzen sein, und nur
freiwillig nach einem bestimmten Gewerbe strebende
würden zurückzuhalten sein. Diese müßten dann in
ihrem Spezialgewerbe die praktische Lehre beenden
(18.—20. Lebensjahr) und können dann in der Ge-
werbeschule ihre Bildung verfeinern und vertiefen
(Ergänzungsunterricht, technischer, kaufmännischer,
wissenschaftlicher). Hiermit würde auch bei der Lö-
sung einer nicht zu unterschätzenden Aufgabe mit-
geholfen werden, den schulentlassenen Jüngling aus
dem Volke bis zu seiner Militärzeit möglichst noch
unter Aufsicht zu haben, um ihn staatszerstörenden
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