04
KUNSTGEWERBLICHE RUNDSCHAU
Knoll & I'rcgizer
Sitiiilischmuck
als ob wir sagen wollten: »Wir kennen uns«. Und doch,
trotz aller dieser engen und intimen Wesensverwandtschaft
ist es unmöglich, wie es ja der Verfasser selbst richtig
herausgestellt hat, dort wieder anzuknüpfen, wo untere
Großväter aufgehört haben. Wir sind trotz aller Tradition
vollkommen andere Menschen geworden. Der klein-
bürgerliche Geist feht uns durchaus, aus dem heraus alle
diese Werke entstanden sind. Wir sind in das Zeitalter
des Eisens und des Betons getreten, die beide ganz neue
Gesichtspunkte und Formen fordern. Die Maschine, von
deren Macht unsere Großväter noch nichts ahnten, wird in
absehbarer Zeit die kunstgewerbliche Produktion zum
größten Teil beherrschen. Doch von alledem abgesehen,
weiden uns die Werke unserer Großväter (und damit auch
das Buch von Mebes) traute Freunde bleiben, denen wir
dankbar zugestehen, daß sie es in ausgeprägtester Weise
verstanden haben, — im Gegensatz zur fürstlichen — die
bürgerliche Kunst zu entwickeln und im Herzen des
deutschen Volkes für immer heimisch zu machen. Das
zweibändige Werk ist eines der schönsten Denkmäler, die
der bescheidenen Lebenskuust unserer Großväter gesetzt
werden konnten.
F. Winter, Die Kämme aller Zeiten von der Steinzeit bis
zur Gegenwart. Eine Sammlung von Abbildungen mit
erläuterndem (auch englischem und französischem) Text.
4". Verlag von H. A. Ludwig Degener. Leipzig, 1906.
I im prächtig, fast zu prächtig ausgestattetes Werk über
einen so anspruchslosen Gegenstand, wie es unser Kamm
doch ist. In Völkerkunde und Urgeschichte sind wir ge-
wöhnt worden, in der Ausstattung unserer Bücher und
Sammelmappen sparsamer zu wirtschaften, als es hier ge-
schehen ist; doch wohl dem, der es kann. — Der Inhalt der
Sammelmappe zerfällt in zwei Teile; die Tafeln 1 -47
bringen Kämme aus der Vorzeit Europas und unserer
geschichtlichen Kultur bis auf die Gegenwart; die Tafeln
48 84 eine kleine Auswahl von Kämmen und Haarzieraten
der außereuropäischen Kulturvölker und der Naturvölker.
Es muß ausdrücklich betont werden, daß die Auswahl
innerhalb der zweiten Gruppe tatsächlich nur sehr winzig
ist; der Verfasser hat sich fast ausschließlich auf den
Kammbestand des Hamburger Völkermuseuins gestützt;
das aber ist doch wohl in dem gegenwärtigen Zeitpunkt,
wo wir allein in Deutschland nicht weniger als 11 große
und sogar sehr große und reichhaltige ethnographische
Museen haben (Berlin, Leipzig, Stuttgart, I lamburg, Bremen,
Lübeck, Frankfurt a. M., Köln, München, Dresden, Freiburg
i. Br.) nichts weniger als angängig; ich bin fest überzeugt,
jeder Leiter dieser Anstalten hätte Herrn Winter seine
Sammlung gern zur Verfügung gestellt, sobald er darum an-
gegangen worden wäre. In der jetzigen Aufmachung ist
der Titel der Mappe unbeschadet der glanzvollen Aus-
stattung zu vielversprechend; er dürfte höchstens »Kämme
aller Zeiten« heißen. Herr Winter wird sich ein großes
Verdienst erwerben, wenn er sich nunmehr daran macht,
durch eifriges und gründliches Studium aller zugänglichen
Sammlungen überhaupt einen wirklichen Gesamtüberblick
über diese Kategorie des menschlichen Kulturbesitzes an-
zustreben. Es wird für ihn eine nicht nur hochinteressante,
sondern auch sehr dankbare Aufgabe sein, denn der Laie
ahnt gar nicht, welch unübersehbaren Formenreichtum ein-
zelne ethnographische Provinzen aufweisen. Wie kümmer-
lich macht sich z. B. die Tafel 64 mit den vier vereinsamten
Kämmen von den Admiralitätsinseln, und wie herrlich,
farbenfreudig und phantastisch sind die Kämme dieser
Insulaner in Wirklichkeit! So ist es auch in anderen
Teilen Melanesiens. Afrika fällt in der Sammelmappe fast
ganz aus; der Autor hat noch nicht einmal 30 Stück wieder-
gegeben, wo er ohne jede Schwierigkeit das Zehn- oder
Zwanzigfache hätte bringen können. Und gerade die best-
ausgestatteten Provinzen fehlen ihm auch hier wieder.
Also auf zur Weiterarbeit! Prof. Dr. Weide, Leipzig.
Silberner Tafelschmuck des deutschen Kronprinzen-
paares. Herausgegeben von Adolf Schill. Hochzeits-
geschenk der Provinzialverbände der Rheinprovinz und
Westfalens und deren Stadt- und Landkreise. Düsseldorf
1908; Verlag von L. Schwann; Preis in Mappe 30 Mk.
Die Mappe enthält 21 Tafeln in Lichtdruck und ist
eine würdige Publikation des sehr wertvollen, von Adolf
KUNSTGEWERBLICHE RUNDSCHAU
Knoll & I'rcgizer
Sitiiilischmuck
als ob wir sagen wollten: »Wir kennen uns«. Und doch,
trotz aller dieser engen und intimen Wesensverwandtschaft
ist es unmöglich, wie es ja der Verfasser selbst richtig
herausgestellt hat, dort wieder anzuknüpfen, wo untere
Großväter aufgehört haben. Wir sind trotz aller Tradition
vollkommen andere Menschen geworden. Der klein-
bürgerliche Geist feht uns durchaus, aus dem heraus alle
diese Werke entstanden sind. Wir sind in das Zeitalter
des Eisens und des Betons getreten, die beide ganz neue
Gesichtspunkte und Formen fordern. Die Maschine, von
deren Macht unsere Großväter noch nichts ahnten, wird in
absehbarer Zeit die kunstgewerbliche Produktion zum
größten Teil beherrschen. Doch von alledem abgesehen,
weiden uns die Werke unserer Großväter (und damit auch
das Buch von Mebes) traute Freunde bleiben, denen wir
dankbar zugestehen, daß sie es in ausgeprägtester Weise
verstanden haben, — im Gegensatz zur fürstlichen — die
bürgerliche Kunst zu entwickeln und im Herzen des
deutschen Volkes für immer heimisch zu machen. Das
zweibändige Werk ist eines der schönsten Denkmäler, die
der bescheidenen Lebenskuust unserer Großväter gesetzt
werden konnten.
F. Winter, Die Kämme aller Zeiten von der Steinzeit bis
zur Gegenwart. Eine Sammlung von Abbildungen mit
erläuterndem (auch englischem und französischem) Text.
4". Verlag von H. A. Ludwig Degener. Leipzig, 1906.
I im prächtig, fast zu prächtig ausgestattetes Werk über
einen so anspruchslosen Gegenstand, wie es unser Kamm
doch ist. In Völkerkunde und Urgeschichte sind wir ge-
wöhnt worden, in der Ausstattung unserer Bücher und
Sammelmappen sparsamer zu wirtschaften, als es hier ge-
schehen ist; doch wohl dem, der es kann. — Der Inhalt der
Sammelmappe zerfällt in zwei Teile; die Tafeln 1 -47
bringen Kämme aus der Vorzeit Europas und unserer
geschichtlichen Kultur bis auf die Gegenwart; die Tafeln
48 84 eine kleine Auswahl von Kämmen und Haarzieraten
der außereuropäischen Kulturvölker und der Naturvölker.
Es muß ausdrücklich betont werden, daß die Auswahl
innerhalb der zweiten Gruppe tatsächlich nur sehr winzig
ist; der Verfasser hat sich fast ausschließlich auf den
Kammbestand des Hamburger Völkermuseuins gestützt;
das aber ist doch wohl in dem gegenwärtigen Zeitpunkt,
wo wir allein in Deutschland nicht weniger als 11 große
und sogar sehr große und reichhaltige ethnographische
Museen haben (Berlin, Leipzig, Stuttgart, I lamburg, Bremen,
Lübeck, Frankfurt a. M., Köln, München, Dresden, Freiburg
i. Br.) nichts weniger als angängig; ich bin fest überzeugt,
jeder Leiter dieser Anstalten hätte Herrn Winter seine
Sammlung gern zur Verfügung gestellt, sobald er darum an-
gegangen worden wäre. In der jetzigen Aufmachung ist
der Titel der Mappe unbeschadet der glanzvollen Aus-
stattung zu vielversprechend; er dürfte höchstens »Kämme
aller Zeiten« heißen. Herr Winter wird sich ein großes
Verdienst erwerben, wenn er sich nunmehr daran macht,
durch eifriges und gründliches Studium aller zugänglichen
Sammlungen überhaupt einen wirklichen Gesamtüberblick
über diese Kategorie des menschlichen Kulturbesitzes an-
zustreben. Es wird für ihn eine nicht nur hochinteressante,
sondern auch sehr dankbare Aufgabe sein, denn der Laie
ahnt gar nicht, welch unübersehbaren Formenreichtum ein-
zelne ethnographische Provinzen aufweisen. Wie kümmer-
lich macht sich z. B. die Tafel 64 mit den vier vereinsamten
Kämmen von den Admiralitätsinseln, und wie herrlich,
farbenfreudig und phantastisch sind die Kämme dieser
Insulaner in Wirklichkeit! So ist es auch in anderen
Teilen Melanesiens. Afrika fällt in der Sammelmappe fast
ganz aus; der Autor hat noch nicht einmal 30 Stück wieder-
gegeben, wo er ohne jede Schwierigkeit das Zehn- oder
Zwanzigfache hätte bringen können. Und gerade die best-
ausgestatteten Provinzen fehlen ihm auch hier wieder.
Also auf zur Weiterarbeit! Prof. Dr. Weide, Leipzig.
Silberner Tafelschmuck des deutschen Kronprinzen-
paares. Herausgegeben von Adolf Schill. Hochzeits-
geschenk der Provinzialverbände der Rheinprovinz und
Westfalens und deren Stadt- und Landkreise. Düsseldorf
1908; Verlag von L. Schwann; Preis in Mappe 30 Mk.
Die Mappe enthält 21 Tafeln in Lichtdruck und ist
eine würdige Publikation des sehr wertvollen, von Adolf