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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 20.1909

DOI Artikel:
Bernoulli, Rudolf: Von alten und neuen Posamenten: Bericht über die Sonderausstellung des kgl. Kunstgewerbe-Museums in Berlin
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https://doi.org/10.11588/diglit.4598#0191

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VON ALTEN UND NEUEN POSAMENTEN







d Zunächst eine Schlafzimmernische in Grauweiß,
sattem Resedagrün und Schwarz; die Wand ist durch
schmale Borten in Schwarz, Silber und Gold ge-
gliedert, die Bettnische durch einen weiß und grünen
Vorhang abgeschlossen. Drei große Quasten hängen
von dem gerafften Vorhang herunter, weil sie doch
schon einmal fabriziert worden sind. Das Schönste
ist die geknüpfte weiße Bettdecke mit grüner Seiden-
unterlage von Frl. Emma Tanger. Der Entwurf des
Ganzen stammt vom Architekt Prof. Seeck. Geschmack-
voll ist auch das vom Maler Arndt entworfene Wohn-
zimmer mit saftgrüner Wandbespannung und knall-
gelben Vorhängen mit schwarzem Besatz. Auf dem
Tisch eine graugrüne geknüpfte Decke von Frau
Emilie Engel, desgleichen ein schwarzes Netz über
einer grünen Lampenglocke mit schwarzen und grünen
Quasten; eine wahre Augenfreude. Etwas eintönig
wirkt die Symphonie in Hellbraun, welche das Wohn-
zimmer der Möbelfirma Dittmar darstellt. Es fehlen

Entwurf von Bruno Paul, Ausführung von Alfred Ahtchner in l*t-
(vergl. nebenstehende Abbildung)

die Kontraste; alles ist etwas flau und ängstlich auf
die verschiedenen Varianten der einen Grundfarbe ab-
gestimmt, auch die hell-blau-gelb und rostroten
Gimpenborten und Quasten der Vorhänge wollen
kein Leben in das korrekte graubraune Zimmer bringen.
Vom Maler Kutschmann ist eine schöne rote Altar-
decke zu sehen mit goldenen und grünen Fransen und
einem geknüpften Kreuz in denselben Farben als
Mittelstück. Die Sofanische eines Damenzimmers
vom Architekt Thiersch und Fräulein Feldkircher-
Wien verblüfft durch die Kühnheit der Farben und
Maßstäbe. Vor erbsgelber Wand ein dunkel ultra-
marinblaues Sofa (das leider aus technischer Notwen-
digkeit in der hier gegebenen Abbildung ganz hell er-
scheint. Red.); hinter diesem eine Wandbespannung
von der gleichen Farbe. Grüne Verschnürungen
gliedern die blaue Masse in Streifen und Felder,
mächtige schwarze Quasten kommen aus den zylin-
drischen Kissen, die als Armlehnen dienen. Eine
Reihe von großen schwarzen, kugelförmigen Quasten
zieht sich an der Unterkante hin, so daß das Ganze
wie auf Rollen gestellt erscheint. Vier Rosetten in
geknüpfter Technik beleben die Wandbespannung; sie
sind in schreiendem Weiß, Gelb und Rot gehalten,
überaus kräftig, frisch und apart, freilich nicht jeder-
manns Sache. Daneben wirkt Bruno Pauls vornehmer
grüner Salon matt und farblos. Aber es ist die reifste
Leistung der Ausstellung. Die reichlichen grün und
schwarzen Trotteln, Fransen und Borten gehen prächtig
zusammen mit dem Grün der Bezüge, dazu stimmen
auch die gepolsterten Stühle mit ihrem graubraunen
Sammetbezug. Ein Stehlampe mit gelbem Schirm
und schwarzen, langen Quasten gibt dem Ganzen
einen feinen, pikanten Akzent. Eine Trauerdekoration
aus schwarzem Stoff mit aufgenähter Silberborte, die
nur ein einfaches schwarzes Muster trägt, zeigt, wie
auch mit ganz einfachen Mitteln ein monumentaler
Eindruck erzielt werden kann. Bloß das Mittelstück
der Sarkophagdecke ist etwas reicher verziert mit
einem Kreuz in Kurbelstickerei, von der kunstgewerb-
lichen Werkstätte der Fräulein Maaß und Steusloff
ausgeführt. Der Entwurf des ansprechenden Aufbaues
stammt von dem Architekten Hans Bernoulli. Eine
Schlafzimmerdecke in schillerndem Graugrün aus den
Werkstätten des Hauses Rudolph Hertzog ist für den
Durchschnittsgeschmack des Berliner Parvenüs trefflich
zurechtgemacht. Aber von irgendwelcher künstleri-
scher Bedeutung ist er nicht, obwohl sehr viele
Fransen und Quasten verwendet worden sind. Die
letzte Koje zeigt den Blick in ein Herrenzimmer, das
von dem Maler Schultze-Naumburg entworfen ist.
Trotz der sehr starken Anlehnung an Biedermeier-
Wohnkunst will sich keine rechte Stimmung zeigen.
Die Farben stören sich, anstatt sich zu heben. Die
dunkelgrüne Wandbespannung ist mit einem unruhigen
Gitterwerk von weiß und schwarzen Borten besetzt.
Im ganzen eine recht mäßige Leistung, die wie so
viele ähnliche es bedauern läßt, daß der verdiente
Maler und Schriftsteller sich auf Gebiete wagt, auf
denen seine Kräfte nicht ausreichen, um etwas irgend-
wie Bedeutendes zu leisten. D
 
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