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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 20.1909

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Pabst, Arthur: Werktätige Erziehung und gewerbliche Erziehung
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https://doi.org/10.11588/diglit.4598#0213

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206

NEUE ARBEITEN VON E. VON BACZKO

E. von Baezko-Bremen

Wohn- und Spielraum im Kinderheim Bremen

tete mit verhältnismäßig wenig Werkzeugen und mit Ma-
terialien, deren Eigenschaften man kannte und deren Ver-
änderungen unter der Einwirkung des technischen Ver-
fahrens leicht zu übersehen waren. Ein und derselbe Ar-
beiter führte den gesamten Arbeitsprozeß von Anfang bis
zu Ende durch, bis schließlich das Arbeitsstück fertig aus
seiner Hand hervorging. Hieraus ergab sich ein unmittel-
bares Interesse an demselben, eine Lust an der Arbeit
und ein Stolz auf das Gelingen derselben, psychologische
Momente, die bei der heutigen Art der gewerblichen Pro-
duktion in dem Maße nicht mehr in Frage kommen. Zu-
nächst hat die Einführung von Maschinen, die der mensch-
lichen Hand die eigentliche Arbeitsleistung abnehmen und
ihr nur eine Hilfsleistung übertragen, umwälzend gewirkt.
Maschinen sind zwar in der Technik immer im Gebrauch
gewesen und ihre Anwendung ist auch nicht eigentlich
das Wesentliche der modernen Produktionsweise. Nicht
die Maschine an sich, sondern die mit ihrer Anwendung
verbundene Arbeitsteilung sind charakteristisch für die
moderne Produktion. Während z.B. der Schneider im alten
Betriebe den Rock bis auf die letzte Naht allein fertig stellte,
wird im modernen Produktionsverfahren dieser Arbeits-
vorgang in eine Reihe von Teilvorgängen zerlegt, von denen
jeder womöglich einen eigenen Arbeiter verlangt. Es versteht
sich von selbst, daß dieser dann auch mit besonderen
Werkzeugen arbeitet und es im Gebrauch derselben zu
einer hervorragenden Fertigkeit bringt. Dem Arbeiter selbst
geht aber dadurch der Überblick über den Verlauf des
gesamten Arbeitsprozesses und das unmittelbare Inter-
esse an demselben verloren, er kennt nur noch seine
Teilarbeit. Damit geht er auch der Freude und des Stolzes

auf das Arbeitsprodukt verlustig; seine eigene, persön-
liche Arbeitsleistung wird zur Sklavenarbeit, und es ist
psychologisch wohl verständlich, daß ein Arbeiter in der
Fabrik, der jahraus jahrein immer nur denselben untergeord-
neten Handgriff ausführt, immer nur dasselbe Loch stanzt
oder dieselbe Niete einschlägt, seine Arbeit schließlich voll-
kommen mechanisch und maschinenmäßig verrichtet. n
□ Zu diesen Bedingungen, die sich aus den Änderungen der
Technik ergeben, kommen äußere Momente hinzu, die von
der wirtschaftlichen Lage, von der Möglichkeit eines besseren
Fortkommens und von der Aussicht auf eine spätere Selb-
ständigkeit des Arbeiters abhängen. Mit dem Verschwin-
den der kleinen Betriebe wird namentlich die letztere immer
geringer, und so ist es erklärlich, daß unter den heutigen
Verhältnissen der einzelne Arbeiter eine Verbesserung
seiner Lage oft weit weniger von der Erhöhung seiner
individuellen Arbeitsleistung als von der Änderung der
wirtschaftlichen Verhältnisse im allgemeinen und von der
Durchführung gewerkschaftlicher Organisationen und sozial-
politischer Maßregeln erwartet. □
n Somit erscheinen die Bedingungen der Forderung nicht
günstig zu sein, daß man in Zukunft der Ausbildung des
einzelnen Arbeiters eine erhöhte Sorgfalt zuwenden müsse.
Aber eine genauere Betrachtung zeigt, daß die Sache doch
anders liegt. Betrachten wir zunächst das Verhältnis, in
dem der arbeitende Mensch zur Maschine steht, so ist wohl
ohne weiteres klar, daß die Verwendung von Maschinen
eine sorgfältige Ausbildung des gewerblichen Arbeiters
keineswegs überflüssig macht, im Gegenteil! Denn ein Fort-
schritt im technischen Arbeitsprozeß wird immer nur dann
möglich sein, wenn mit der Verbesserung der Maschine
 
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